Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Während die Asylbewerberinnen und Asylbewerber räumlich und sozial ausgegrenzt oft auf engem Raum zusammengepfercht sind, jahrelang auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten, ist es ihnen verboten, den Bezirk zu verlassen oder, wie in Hessen, die Landesgrenze zu über

schreiten – das alles dank der in Europa einzigartigen Residenzpflicht.

Wir meinen, dieses Ungetüm bundesdeutscher Rechtsprechung gehört zusammen mit anderen diskriminierenden und kriminalisierenden Gesetzen auf die Müllhalde.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Selbsttötungen sind in deutschen Asylbewerberunterkünften keine Seltenheit. Anlass der Flüchtlingskarawane im September nach Berlin war der Selbstmord eines iranischen Asylbewerbers in Würzburg. Er habe die Isolierung in seinem Wohnlager nicht mehr ertragen, erklärte ein Landsmann. Die dadurch ausgelöste Flüchtlingskarawane nach Berlin mit ihren aktuellen Forderungen nach mehr Rechten von Flüchtlingen sind dieselben, für die seit über 15 Jahren die Selbstorganisationen und deren Unterstützerinnen und Unterstützer streiten, nämlich: Forderung nach Abschaffung des vom Bundesverfassungsgericht inzwischen gerügten Asylbewerberleistungsgesetzes,

(Beifall bei der LINKEN)

Abschaffung der Arbeitsverbote sowie Schutz vor Abschiebung in ihre Herkunftsländer.

(Beifall bei der LINKEN)

Über 100.000 geduldete Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Land würden von einer Abschaffung dieser Bestimmungen profitieren. In Hessen wird jetzt der Notstand bei der Aufnahme von Flüchtlingen beklagt. Er war vorhersehbar, meine lieben Damen und Herren.

(Horst Klee (CDU): So nicht!)

Laut Hessischem Sozialministerium ist seit 2008 die Tendenz zu verzeichnen, dass die Zahl der Zuflucht Suchenden aus Krisen- und Kriegsgebieten wie Afghanistan, Iran und Irak kontinuierlich anwächst. Das wussten Sie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wird sich auch im kommenden Jahr fortsetzen. Davon müssen wir ausgehen.

Was treibt so viele Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen, was sind die Fluchtursachen? Haben wir nicht, hat Deutschland nicht eine politische Mitverantwortung, eine Mitschuld an diesen Verhältnissen? Diesen Fragen müssen wir uns ernsthaft auch hier stellen, und dies spätestens wieder in der Diskussion zu unseren Antrag über das syrische Flüchtlingselend, der vermutlich in der nächsten Plenarsitzung aufgerufen wird.

Wohl mehr, um sich die Mitverantwortung hierfür nicht einzugestehen, macht Hessens Innenminister Boris Rhein in Bezug auf die neusten Asylbewerberzahlen Aussagen, die zu Ressentiments gegen die bei uns Schutz Suchenden, insbesondere gegen Roma aus Serbien und Mazedonien, führen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die Debatte interessiert ihn auch nicht!)

Ich fordere hiermit das ganze Hause, auch Herrn Pentz, besonders aber den verantwortlichen Minister auf: Benutzen Sie den Zuzug von Roma-Flüchtlingen nicht, um am rechten Rand zu fischen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Schutz der Menschenwürde darf nicht davon abhängig gemacht werden, wie viele Menschen ihn in Anspruch nehmen und wie viel er kostet.

Von einer Flüchtlingsschwemme kann jedenfalls nicht die Rede sein. Der sogenannte Notstand bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften war längst bekannt. Schließlich hat man in den vergangenen Jahren die Heimkapazitäten abgebaut, da es einmal erklärter politischer Wille war, die Flüchtlinge nicht mehr in Massenunterkünften, sondern in Wohnungen unterzubringen.

Zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes will ich Folgendes sagen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil vom Februar für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausgesprochen. Die erheblichen Beschränkungen wie die Unterbringung in unzureichenden Gemeinschaftsunterkünften, Arbeitsverbote und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sind jetzt neu zu regeln. Auch aus humanitären Gründen ist der sozialrechtliche Ausschluss der Betroffenen aus der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht zu rechtfertigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch die Eingliederung der Mehrheit der Leistungsberechtigten in das System des SGB II würden sich diesem Personenkreis bessere Möglichkeiten auch der Integration in den Arbeitsmarkt öffnen. Die Kommunen würden von einer Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes, wie es die LINKEN und auch die GRÜNEN im Bundestag fordern, profitieren und finanziell entlastet werden. Sie zahlen bisher nämlich die Rechnung für die sinnlose Abschreckungsregie.

Meine Damen und Herren, mit diesem Grundsatzurteil gibt es keinerlei Begründung mehr, ein Sondergesetz für Asylbewerberinnen und Asylbewerber aufrechtzuerhalten und ein aufwendiges und bürokratisches Verwaltungsverfahren zu betreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch was ist daraufhin bisher geschehen? Die geplante Neufassung des Gesetzes stagniert. Es würden zurzeit noch Fachgespräche geführt, hört man aus dem federführenden Bundessozialministerium. Die Novellierung sei aber auf einem guten Weg.

(Minister Stefan Grüttner: Stimmt!)

Eines ist jedoch sicher: Eine Reihe von Unionspolitikern lehnt eine Gleichbehandlung von Flüchtlingen und HartzIV-Empfängern kategorisch ab. – Wir fordern deshalb von der Landesregierung: Sorgen Sie im Bund dafür, dass das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz endgültig aufgegeben wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Entlasten Sie die Kommunen. Stellen Sie ihnen Geld für die Bereitstellung von menschenwürdigen Wohnungen zur Verfügung. Berücksichtigen Sie die Anforderungen an ein menschenwürdiges Leben, und erlauben Sie nicht, dass Sachleistungen oder Gutscheine die Flüchtlinge stigmatisieren. Treten Sie allen fremdenfeindlichen Aussagen entschieden entgegen, egal von wem und in welcher Funktion sie gesprochen wurden.

(Beifall bei der LINKEN)

Flüchtlinge verdienen unseren Schutz, unsere Anerkennung und das Recht auf Menschenwürde hier und überall in der Welt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Zur Geschäftsordnung hat sich Kollege Schaus von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, ich stelle mit Erstaunen fest, dass der zuständige Innenminister nicht anwesend ist.

(Zurufe von der CDU: Sozialminister!)

Beide Anträge gehen an den Innenausschuss. So ist es ausgewiesen. Für diese Frage ist meines Wissens auch der Innenminister zuständig. Ich beantrage insofern die Herbeirufung des Innenministers und Unterbrechung der Sitzung, bis er da ist.

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Ja, es geht an den Innenausschuss. Dann lasse ich darüber nach § 25 der Geschäftsordnung abstimmen. Wer ist für die Herbeirufung des Ministers? – Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Damit ist das leider abgelehnt.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auszählen! – Horst Klee (CDU): Der Staatssekretär ist doch da!)

Es besteht der Wunsch auf Auszählung. – Herr Beuth, bitte schön, zur Geschäftsordnung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Peinlich, peinlich, peinlich!)

Da ist überhaupt nichts peinlich, Frau Kollegin.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch ein albernes Spiel, was uns die Oppositionsfraktionen jetzt vorführen.

(Widerspruch bei der LINKEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung ist kompetent hier im Hessischen Landtag vertreten. Es ist der zuständige Sozialminister anwesend. Es ist der Chef der Staatskanzlei – –

Entschuldigen Sie bitte: Zur Geschäftsordnung, der Innenminister wurde angefragt.

Der Innenminister wird vertreten durch seinen Staatssekretär, der hier ist.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Er war auch nicht da!)

Es gibt überhaupt keinen Grund, hier ein solches Theater durchzuführen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zur Geschäftsordnung! – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))