Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Wenn wir über all diese Punkte reden, die jetzt hier diskutiert werden – es gibt durchaus auch noch weitergehende Forderungen –, dann müssen wir uns schon der Tatsache bewusst werden, dass das natürlich ein tiefgreifender Wandel in der Frage ist, wie wir Flüchtlingspolitik organisieren, ob wir wirklich sagen: Wir öffnen das, damit Flüchtlingspolitik ebenfalls eine dauerhafte Säule der Zuwanderung wird.

Auf der einen Seite gibt es sicherlich viele Menschen, die ihre Qualifikationen auch als Flüchtlinge hier einbringen könnten. Das möchte ich überhaupt nicht bestreiten. Aber natürlich ist es auch so, dass wir – auch als Bundesrepublik Deutschland – sehen müssen, dass auch unsere sozialen Kassen nur eine bestimmte Leistungsfähigkeit haben, und dass viele Flüchtlinge hier eben nicht arbeiten können.

Das heißt, wir sollten an diese Debatte nicht blauäugig nach dem Motto herangehen: Wir erlauben denen allen zu arbeiten – dann nehmen sie keine Leistungen mehr in Anspruch, sondern fangen alle an zu arbeiten und stärken unsere Wirtschaft, und alles ist gut. – So einfach ist es in der Praxis dann doch nicht. Wir müssen die Leistungsfähigkeit unserer staatlichen Sicherungssysteme im Auge behalten. Denn wir wollen, dass gerade denjenigen, die in Not sind, dauerhaft geholfen werden kann. Dazu brauchen wir leistungsfähige Sicherungssysteme, und die sollten wir nicht überfordern.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zum Abschluss: Verbesserungen im Asylrecht sind immer zu prüfen, wenn sie im Sinne der Menschen sind. Ich habe angesprochen, dass wir in dieser Debatte ehrlicher sein sollten. Auch ich halte viele Regelungen, die wir haben, für nicht konsistent. Wir sollten uns einmal die Zeit nehmen, das Zuwanderungsrecht generell zu betrachten. Wenn wir über die Reform der einen Säule reden, über die Arbeitsmarktzuwanderung, dann dürfen wir mit dem Blick auf den gesellschaftlichen Wertewandel natürlich auch die andere Säule, das Asylrecht, nicht ausklammern. Wir sollten uns einmal generell mit einem „großen Wurf“ überlegen, wie wir ein Zuwanderungsrecht aus einem Guss hinbekommen. Da bin ich gerne bei Ihnen.

Ich glaube nicht, dass die Übernahme von Einzelforderungen hier den richtigen Weg weist, sondern ich denke, wir sollten das Ganze breiter diskutieren. Auf jeden Fall aber sollte die Diskussion immer sachlich bleiben, und wir sollten uns nicht im Ton vergreifen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Mick. – Für die CDU-Fraktion hat sich jetzt Frau Wallmann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Wallmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang der Neunzigerjahre stand die Bundesrepublik vor großen Herausforderungen. Fast eine halbe Million Asylbewerber kam jedes Jahr in unser Land. Obwohl sich die Bundesrepublik – auch aus der Erfahrung der eigenen Vergangenheit – verpflichtet fühlt, Menschen Schutz vor Folter, Verfolgung und politischer Verfolgung zu gewähren, müssen wir doch auch Folgendes feststellen: Nicht alle nahmen das Asylrecht berechtigterweise in Anspruch.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Als das Asylbewerberleistungsgesetz im Jahr 1992 auf den Weg gebracht wurde, stellten 450.000 Menschen einen Asylantrag. In 95 % der Fälle wurden diese Anträge als unbegründet abgelehnt.

Ich werde gleich noch auf die inhaltlichen Punkte in Ihrem Antrag eingehen. Sie nennen das „fremdenfeindlich“. Aber das Thema Asylmissbrauch kann und darf nicht wegdiskutiert werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hans-Christian Mick (FDP) – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Es gibt aber keine illegalen Menschen!)

Frau Cárdenas, das einmal in Ihre Richtung: Das darf auch im Sinne der wirklich Schutzbedürftigen nicht wegdiskutiert werden. Auch verantwortliche SPD-Politiker erkannten das, insbesondere in den Städten. Auch sie waren damals der Ansicht, es müsse etwas getan werden.

Deswegen wurde das von Ihnen so geschmähte Asylbewerberleistungsgesetz im Jahr 1992 mit Stimmen von CDU/ CSU, FDP und SPD im Bundestag verabschiedet.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau, deswegen bin ich aus der SPD ausgetreten! – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist doch Ihr Problem! Weiterer Gegenruf des Ministers Stefan Grüttner: Das müssen Sie doch denen erklären, nicht uns!)

Herr Schaus, es ist ein großer Gewinn, dass Sie jetzt bei der LINKEN und hier im Landtag sind. Ja, das ist gut. Ihr Wortbeitrag bei dieser Sache ist sehr hilfreich.

Im Übrigen war schon damals das Sachleistungsprinzip integraler Bestandteil. Wenn das Asylbewerberleistungsgesetz so ungerecht wäre – Frau Öztürk, auch Herr Mick hat das schon zu Recht angesprochen –, dann muss ich jetzt einmal den Blick auf Rot-Grün richten: Sie waren von 1998 bis 2005 in der Regierungsverantwortung. Wenn dieses Gesetz so ungerecht wäre, wie Sie – DIE LINKEN – und auch Sie jetzt in Ihrem Wortbeitrag uns glauben machen wollen, dann hätten Sie in diesen Jahren die Gelegenheit gehabt, dieses Gesetz abzuschaffen. Das haben Sie nicht getan.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Hans-Christian Mick und Leif Blum (FDP))

Interessant ist auch – ich richte jetzt auch noch einmal den Blick auf Rot-Grün –: Sie haben auch die Regelsätze für Asylbewerber nicht angetastet, Sie haben nicht einen Cent geändert.

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn man den falschen Koalitionspartner hat, dann muss man das aushalten!)

Ja, Frau Öztürk, das ist nicht mein Problem. Sie haben es nicht geändert, daran müssen Sie sich auch messen lassen. Nein, nein, nein, so einfach läuft das nicht.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie haben es nicht geändert. Sie können es sich jetzt nicht so einfach machen, sich hier hinzustellen und uns zu erzählen, was alles ungerecht läuft. Sie hatten die Möglichkeit, und Sie haben es nicht gemacht. Daran müssen Sie sich jetzt messen lassen. So einfach geht es nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Inzwischen sind 20 Jahre vergangen, und es liegt eine Gesetzesnovelle vor, die beachtliche Veränderungen vorsieht. Ein Erwachsener wird fast einen Hartz-IV-Regelsatz bekommen, wir reden hier von 336 €. Für ein Kind unter sechs Jahren wird es 202 € geben, nach zwei Jahren wird es der gesamte Hartz-IV-Satz sein. Im Vergleich zu den heute gezahlten 225 € ist das ein nennenswerter Betrag. Dass dies nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen erfolgen soll, ist plausibel und absolut nachvollziehbar.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Diskriminierend ist das!)

Ja, Herr Schaus, bei Ihnen ist alles diskriminierend. Es ist schon klar, Sie sind diskriminierend, was weiß ich.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß nicht, was dagegen spricht, ein Sachleistungsprinzip anzuwenden. Wie gesagt, 1992 war das auch schon der Fall. Es ist so, dass das Asylbewerberleistungsgesetz, darum geht es auch, ein menschliches Dasein gewähren soll. Dazu gehört eine Unterkunft, dazu gehört Daseinsvorsorge und medizinische Versorgung. All das ist gewährleistet.

Frau Cárdenas, jetzt auch noch einmal in Ihre Richtung: Es gibt nicht viele Länder auf der Welt, die so großzügige Rahmenbedingungen wie Deutschland haben. Sie sprechen – ich darf das einmal zitieren – gleich im ersten Satz Ihres Antrags von „unerträglichen Lebensbedingungen in Deutschland“. Frau Cárdenas, das ist schlicht unwahr.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Gehen Sie in die Unterkünfte! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Fahren Sie nach Oberursel!)

Sie brauchen mich nicht zu belehren, ich habe mir die Unterkünfte angesehen.

(Weitere Zurufe von der LINKEN)

Herr Schaus, wenn man lauter wird, wird es auch nicht besser. Jetzt seien sie einmal ruhig, ich habe das Wort.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Anhaltende Zu- rufe von der LINKEN)

Herr Schaus, jetzt halten Sie den Mund.

Herr Kollege Schaus. – Frau Kollegin Wallmann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Noch einmal in Richtung der LINKEN: Unerträgliche Lebensbedingungen, da werden Sie mir wohl nicht widersprechen, herrschen doch wohl eher in den Herkunftsländern und nicht in Deutschland, sonst würden sie doch nicht hierherkommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Sie schieben sie doch dorthin ab! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Dort herrschen Kriege!)

Dass Sie von unerträglichen Lebensbedingungen in Deutschland sprechen, das zeigt, sofern Sie jemals – das bezweifle ich sowieso – Maß und Mitte hatten: Das ist wirklich unverschämt, was Sie sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)

So, wie Ihr Antrag beginnt, so endet er letztendlich auch. Sie spielen sich als Sprachpolizei auf, in dem Sie das Wort „Asylmissbrauch“ als fremdenfeindliche Aussage kriminalisieren. Frau Cárdenas, eine klare Feststellung: Sachverhaltsaufklärung ist niemals Diskriminierung.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Sachverhaltsaufklärung!)

Natürlich. – Sie können die Tatsachen nicht verdrängen, in dem Sie Wörter verbieten, die diese Tatsachen benennen. Das geht nicht.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Tatsache ist nun einmal – das mögen Sie nun wollen oder nicht –: Es gibt Asylmissbrauch, das ist so.

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Glück, dass Sie uns aufklären!)

Frau Öztürk, vielen Dank auch für Ihre Aufklärung vorhin, was wir ändern sollen, was Rot-Grün aber nie geändert hat. Vielen Dank für Ihre Aufklärung. Super.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Tatsache ist, dass das den meisten schadet, die wirklich Hilfe brauchen. Man muss zur Kenntnis nehmen: Gerade sind die Zahlen von Asylbewerbern aus Mazedonien und aus Serbien sprunghaft angestiegen. Die Anerkennungsquote liegt bei nahezu unter null.