Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Ich will auch nochmals darauf hinweisen, dass doch immerhin Bundesbildungsministerin Schavan davor gewarnt hat, dass man zu einem Zweiklassenabitur kommt.

Sie können den Kopf schütteln, aber das ist nun einmal die Bildungsministerin der schwarz-gelben Bundesregierung. Sie hat vor einem Nebeneinander von G 8 und G 9 gewarnt.

Lernen braucht Zeit. Deshalb ist es natürlich richtig, nach diesem G-8-Desaster jetzt die Schlussfolgerung zu ziehen und zu G 9 zurückzukehren, anstatt einfach zu sagen: Wahlfreiheit, jeder soll entscheiden, wie er lustig ist. – Denn damit schieben Sie die ganze Verantwortung einfach an die Schulen ab. Dadurch werden Sie überhaupt nicht Ihrer Verantwortung gerecht, dieses Desaster, das Sie angerichtet haben, jetzt wieder zu beseitigen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Herr Döweling, Sie haben die Möglichkeit, zwei Minuten lang zu antworten. Bitte schön.

Liebe Kollegin Wissler, das ist das Grundproblem: Sie haben schlicht und ergreifend nicht verstanden, dass Freiheit auch Verantwortung bedeutet.

(Beifall bei der FDP – Widerspruch und Zurufe von der LINKEN und der SPD)

Wenn ich Freiheiten gewähre, habe ich auch die Verantwortung, diese Freiheiten geeignet zu nutzen, und mir Gedanken über die Tragweite meiner Entscheidung zu machen.

(Günter Rudolph (SPD): Die Lehrer sind schuld!)

Es ist doch nicht so, dass alle Eltern und auch die Schulen zu uns gekommen wären und gefordert hätten: Bitte, bitte, gebt uns wieder zwangsweise G 9.

Ich darf auch einmal daran erinnern: Wenn man das gewollt hätte, wäre vielleicht bei der letzten Landtagswahl die Partei gewählt worden, die das im Programm stehen hatte, nämlich die Sozialdemokraten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ach, deswegen sind wir nicht gewählt worden?)

Das scheint mir aber nicht der Fall gewesen zu sein. Häufig wurden wir sehr dezidiert angesprochen: Macht es doch wie in Schleswig-Holstein, gebt doch den Gymnasien die Möglichkeit, zu entscheiden, was sie wollen und was nicht.

Sie haben den ländlichen Raum angesprochen. Ich habe zwei Gymnasien im Wahlkreis: Bei dem einen läuft G 8 sehr erfolgreich, und die wollen auch bei G 8 bleiben.

(Unruhe)

Bitte ein wenig mehr Ruhe.

Das wird wahrscheinlich auch so bleiben, und aus meiner Sicht ist das eine respektable Entscheidung – warum auch nicht?

Die anderen sagen, okay, sie schwanken noch, ob sie zu G 9 wollen, oder sie versuchen einmal das Splitting-Modell. – Aber Sie tun gerade so, als hätten wir sonst nichts im ländlichen Raum. Wir haben im ländlichen Raum eine ganze Bandbreite von Bildungsmöglichkeiten,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

von kooperativen und integrierten Gesamtschulen, an denen wir den Bildungsgang Gymnasium sowohl in acht wie in neun Jahren vorrätig haben. Schauen Sie sich das einmal genau an. Das hat sich schon überall in Hessen sehr gut eingependelt.

Natürlich bekommen wir jetzt eine gewisse Bewegung hinein. Das ist klar: wenn man eine Wahlmöglichkeit eröffnet. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass man das in konstruktiven Gesprächen mit den Schulträgern, mit den Verantwortlichen vor Ort auch schaffen kann, dass es ein entsprechend ausgewogenes Angebot gibt.

Es zeigt sich auch sehr klar, dass es in Hessen einige Clusterpunkte gibt, in denen diese Wahlfreiheit offensichtlich besonders dringend gewünscht wurde, wo sie vermisst wurde, wo die Schulen entsprechende Bewegung entfaltet haben – und andere, an denen sich vergleichsweise wenig tut.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Einem Punkt, den Sie genannt haben, möchte ich noch ganz entschieden widersprechen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Schavan?)

Ja, Schavan. Auch wenn es Frau Schavan gesagt hat, auch wenn es der Bundespräsident gesagt hätte, bin ich da, mit Verlaub, in der Sache anderer Meinung. In Hessen wird es kein Zweiklassenabitur geben, denn seit einigen Jahren haben wir ein erfolgreich arbeitendes Zentralabitur. Wir haben Bildungsstandards.

Bitte letzter Satz.

Wir haben Vergleichsarbeiten für die einzelnen Jahrgänge. Deshalb wird das so nicht kommen. Das stimmt einfach nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Döweling. – Für die Landesregierung spricht jetzt Staatssekretär Prof. Dr. Lorz. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen es aus der Regierungserklärung der Kultusministerin: Freiheit, Vielfalt und Qualität – das sind die drei Leitgedanken, unter denen unsere Bildungspolitik steht. Dahinter steht das übergeordnete Ziel einer möglichst individuellen Förderung, der Möglichkeit für alle Schülerinnen und Schüler, ihre individuellen Talente nach besten Möglichkeiten zu entfalten.

Wie man das erreichen kann, darüber ist in diesem Hause – und nicht nur hier – schon viel gestritten worden. Die G-8/G-9-Debatte ist nur ein Beispiel davon. Die heutige Debatte ist wieder ein sehr guter Beleg dafür, welches Streitpotenzial in dieser Frage steckt.

Entscheidend aber ist ein Punkt, der inzwischen auch durch viele wissenschaftliche Studien erforscht und belegt ist. Wir wissen, Qualität entsteht immer nur im Klassenzimmer, d. h. in der einzelnen Schule.

Die Frage von Bildungsgängen, Schulformen, Organisationsformen, die Frage nach Strukturen, in denen sich Qualität entwickeln kann – nicht notwendig entwickeln muss –: Es ist die Tätigkeit, die Aktivität der Akteure an der einzelnen Schule, in der einzelnen Klasse, die letzten Endes die Qualität herbeiführt.

Deswegen setzen wir auf Freiheit für die Schule, sich möglichst individuell auf ihre Schülerinnen und Schüler und ihre unterschiedlichen Talente einzustellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist das Ziel dieser Landesregierung. Die Wahlfreiheit G 8/G 9 ist nur ein, aber ein sehr wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Wir glauben daran, dass die Schulen das bestmöglich selbst entscheiden können. Frau Kollegin Wissler, das bedeutet auch nicht, dass wir sie alleine lassen, sondern das ist eine Frage des Vertrauens. Wir vertrauen den Schulen. Wir trauen ihnen zu, dass sie das selbst entscheiden können.

Das ist das, das uns sicherlich vom patriarchalischen Denken unterscheidet – was mich allerdings bei der Linkspartei nicht verwundert.

(Lachen bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wer Eigenverantwortung ernst nimmt, der muss auch mit der Unterschiedlichkeit der Folgen leben. Jede Vorgabe von oben, jeder Versuch, das irgendwie zentralisiert zu steuern oder gar zu erzwingen, widerspricht diesem Gedanken.

Deswegen sollen die Schulen bei G 8 bleiben oder zu G 9 wechseln – je nachdem, was sie für ihre Schülerinnen und Schüler, auch unter regionalspezifischen Aspekten, für den besten Weg halten. Das wollen wir ihnen ermöglichen. Deswegen sind wir für diesen Gesetzentwurf dankbar, der ihnen das ermöglicht.

Die Opposition will das offensichtlich nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Soweit das die SPD-Fraktion angeht – –

Entschuldigen Sie bitte. Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wagner zu?

(Staatssekretär Prof. Dr. Alexander Lorz: Bitte schön!)

Herr Staatssekretär, wie passt denn Ihr Plädoyer für Freiheit damit zusammen, dass in dem von Ihnen vorgeschlagenen Schulversuch, unabhängig vom Wunsch der Eltern, in der 5. und 6. Klasse nach G-8-Lehrplan und G-8-Stundentafel unterrichtet wird? Für mich hat das nicht viel mit Freiheit zu tun.

Herr Kollege Wagner, vielleicht gestatten Sie mir – da ich auf diesen Schulversuch später noch eingehen möchte –, Ihre Frage nachher aufzugreifen. Zunächst möchte ich gerne den Teil, der sich um das Prinzip der Wahlfreiheit rankt, zu Ende führen.

Wir haben gesagt, es ist das Ziel dieser Landesregierung – und deswegen begrüßen wir auch diesen Gesetzentwurf –, diese Wahlfreiheit herbeizuführen. Ich habe festgestellt: Das ist auf der oppositionellen Seite dieses Hauses nicht der Fall.

Auf der sozialdemokratischen Seite ist das sehr klar. Da gibt es einfach keine Wahlfreiheit, sondern es gibt ein Korsett namens G 9, in das alle hineingezwungen werden sollen.