Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Herr Minister, die Redezeit der Fraktionen ist erreicht.

Herr Präsident, ich will mich beeilen. – Ich will noch sagen, dass ein Parteiverbot, das das Grundgesetz vorsieht, kein Akt der politischen Symbolik sein darf. Ich habe vielfach in der Debatte den Eindruck erlangt, dass es hier um politische Symbole geht, die gesetzt werden. Das ist eine Ausnahmemöglichkeit. Es ist ein Ausnahmetatbestand. – Frau Faeser, schütteln Sie nicht den Kopf.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das zeigt doch die Tatsache, dass es bislang ausschließlich drei Verfahren gab – zwei in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Beide sind unter ganz anderen historischen Gegebenheiten und Zusammenhängen geglückt, und eines ist gescheitert. Das zeigt einem doch, dass es ein Ausnahmetatbestand ist, um zu verhindern, dass die Demokratie mit Mitteln der Demokratie abgeschafft wird.

(Beifall bei der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Wie war das vor zehn Jahren?)

Ich will noch dazu sagen: Der Prozess ist ein ganz riskantes Unterfangen, weil er der hinsiechenden Partei eine Gelegenheit zu einer Massenmedienselbstdarstellung vor dem höchsten Gericht unseres Landes gibt. Schon jetzt ist die Diskussion eine problematische Diskussion im Vorfeld der Beschlüsse gewesen, weil es eine Vitaminspritze für die NPD gewesen ist.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Nie ist so über die NPD und so intensiv über diese Partei berichtet worden, wie das heute ist. Meine Damen und Herren, sollte das NPD-Verbot scheitern, dann hätte die NPD nicht nur einen höchstrichterlichen Persilschein der Verfassungskonformität,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

sondern viel schlimmer ist, dass ein neueres Verfahren, wenn die NPD erstarken sollte, in absehbarer Zeit nicht

noch einmal durchzuführen wäre. Das sind leider die Tatbestände, die wir zur Kenntnis nehmen müssen.

Auch wenn die NPD verboten werden würde, was würde anders? – Ein Teil der 6.000 Mitglieder würde Ersatzorganisationen gründen. Ein anderer Teil dieser Mitglieder würde abtauchen in klandestine Strukturen, die der Verfassungsschutz noch schwieriger kontrollieren und beobachten kann. Ein Verbot verhindert auch nicht terroristische Aktionen oder Gewalttaten von Rechtsextremisten. Das darf man dabei nicht vergessen.

Meine Damen und Herren, was viel wichtiger ist: Das Gedankengut der NPD lässt sich nicht per Gerichtsbeschluss verbieten. Man kann Ideologie nicht per Gerichtsbeschluss verbieten. Am Ende lässt sich die rechte Pest ausschließlich politisch bekämpfen, und zwar mit guter Information, mit dem besseren Argument.

Das tun wir in Hessen sehr erfolgreich. Darauf sollten wir uns meines Erachtens konzentrieren, wenn wir einen solchen Weg gehen, und nicht auf eines, wie ich es gelesen habe, der größten Autosuggestionsprogramme der deutschen Innenpolitik, das wir in den letzten Jahren erlebt haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Rhein. – Den Fraktionen sind damit 3:50 Minuten Redezeit zugewachsen. – Herr Rudolph, ich darf Sie für die SPD-Fraktion ans Mikrofon bitten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, ich bin Ihnen auch für die klaren Worte in Richtung NPD dankbar, dass es eine Partei ist, die menschenverachtend ist, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet. Da sind wir zusammen, und das ist ein gutes Signal. Herr Innenminister, aber wenn Sie sagen: „Ja, es gibt Risiken, und eigentlich sind die Risiken für uns zu groß, sodass wir als Hessische Landesregierung dem Verbotsantrag nicht zustimmen können“, dann sollten Sie politisch den Mut haben, zu sagen, Sie sind dagegen, dass die Länder einen Verbotsantrag auf den Weg bringen.

Ich halte das politisch für falsch. Aber Sie geben möglicherweise damit schon Hinweise und, wenn die NPD in Karlsruhe verboten werden würde, der öffentlichen Diskussion darüber eine Schuld. Herr Innenminister, das ist eine ziemlich absurde politische Diskussion, die Sie uns hier auferlegen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch des Ministers Boris Rhein)

Doch, doch. Sie, auch andere wie Herr Hahn, sagen, eine öffentliche Diskussion darüber würde schaden. Ja, das ist auch das Wesen einer Demokratie, dass man öffentlich kontrovers diskutiert. Aber alle demokratischen Kräfte sind sich einig. Deswegen wäre es das richtige Signal: Alle Verfassungsorgane beantragen in Karlsruhe ein Verbotsverfahren gegen die NPD, und alle Demokraten arbeiten daran, gemeinsam dafür zu werben, dass diese Organisation verboten wird, weil sie diesen Staat und diese Verfassung untergraben will.

(Beifall bei der SPD)

Herr Innenminister, das ist der entscheidende Punkt. Ich finde es politisch und strategisch falsch, ständig zu sagen: Ja, da gibt es Risiken. – Die gibt es in einem Rechtsstaat immer, weil wir alle nicht wissen, wie letztlich die Gerichte entscheiden. Das ist das Wesen auch der Gewaltenteilung.

Deswegen: Viel schlimmer finde ich, was der stellvertretende Ministerpräsident noch vor der Ministerpräsidentenkonferenz gesagt hat: Wir sind gegen das NPD-Verbotsverfahren. – Wo lebt denn eigentlich Jörg-Uwe Hahn, um einen solchen Blödsinn in die Welt zu setzen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Rhein, Ihre Argumentation halte ich politisch sogar für gefährlich. Wenn Sie sagen, die Risiken seien Ihnen zu groß, dann müssen Sie auch politisch den Mut haben, zu sagen: Wir treten einem Verbotsverfahren nicht bei.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ich halte das für falsch, aber es ist zulässig, wenn Sie so argumentieren. Ja, ja, auf Risiken hinweisen und dann sagen: „Wenn es in die Hose geht, waren es diejenigen, die öffentlich thematisiert haben, die NPD gehört verboten“, was ist das für eine absurde Diskussion, die Sie uns auferlegen?

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

In Richtung des Herrn Kollegen Bellino und zu Ihrem Dringlichen Entschließungsantrag möchte ich noch etwas sagen. Wissen Sie, es geht da um die schrecklichen Morde, die auf Veranlassung der rechtsextremen Täter geschahen. Sie setzen alle extremistischen Taten gleich. Da geht es um rechts, um links und um Islamisten. Im Moment reden wir über schreckliche Morde, die einen rechtsextremen Hintergrund haben. Wissen Sie, ich würde es wirklich begrüßen, wenn Sie einmal in der Lage wären, zu sagen: Wir verurteilen diese Morde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich unterstelle Ihnen, dass Sie das machen, dass Sie die Auffassung teilen, dass das nicht akzeptabel und dass das menschenverachtend ist. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie das mit uns gemeinsam teilen. Aber Sie sollten dann einmal den Mut haben, rechtsextreme Taten zu verurteilen.

Wenn andere extremistische Taten begangen werden, dann ist dieser Landtag in der Lage – das haben wir alle schon bewiesen –, diese Taten gemeinsam zu verurteilen. Hören Sie mit dieser permanenten Gleichsetzung auf. Hier geht es um menschenverachtende schreckliche Taten, die von Rechtsextremen begangen wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Innenminister, ich finde das schade. Ihre Worte waren klar. Dafür bin ich Ihnen ausgesprochen dankbar. Das nehme ich Ihnen auch ab.

Aber säen Sie nicht Zweifel an dem Verfahren, sondern werben Sie mit uns gemeinsam dafür, dass die Argumente in Karlsruhe so stichhaltig sein werden, dass auch die Richter zu dem Ergebnis kommen werden: Diese Partei gehört verboten. – Denn es geht auch darum, solchen Organisationen den finanziellen Nährboden zu entziehen.

Herr Rudolph, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Zweitens. Ein Signal des Hessischen Landtags wäre es auch, Mittel für die Prävention bereitzustellen, um rechtsextremes Gedankengut nicht entstehen zu lassen. Das Verbot ist das eine. Aber es geht auch um die ideologische Auseinandersetzung. Da haben Sie leider versagt.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Janine Wissler und Hermann Schaus (DIE LINKE) – Holger Bellino (CDU): Das ist unerhört!)

Herr Rudolph, vielen Dank. – Mein Kollege, Herr Vizepräsident Lortz, hätte wahrscheinlich gesagt: Wir hören hier oben nicht gerne solche Worte wie „Blödsinn gesagt“. Ich sage ausdrücklich, dass ich mich den Worten meines Kollegen Lortz anschließe.

Herr van Ooyen, Sie haben als Nächster das Wort. Ihre Redezeit beträgt 3 Minuten und 50 Sekunden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will noch einmal ganz kurz auf die Situation eingehen. Natürlich ist die Aufarbeitung der historischen Entwicklung in der Bundesrepublik, was den Verfassungsschutz, die Geheimdienste und das Bundeskriminalamt selbst angeht, nicht erfolgt. Es gibt latent eine Entwicklung, die im Grunde genommen dazu führen musste, dass wir den Ausgang des ersten Verfahrens gegen die NPD mit einer Niederlage für die Demokratie erleben mussten. Denn natürlich wirken solche Strukturen nach wie vor latent im Hintergrund. Das war der erste Punkt, den ich anmerken wollte.

Zweiter Punkt. Wir brauchen eine gesellschaftspolitische Debatte, die an das anknüpft, was in Art. 139 des Grundgesetzes steht. Demnach sind alle faschistischen Organisationen verboten. Das war die Erkenntnis aus dem Faschismus. Dieses wurde von den rechten Parteien latent verschwiegen.

Es ist wichtig und dringend, dass wir die außerparlamentarische Auseinandersetzung ebenfalls in den Fokus bekommen. Wir haben – und ich persönlich auch – seit den Sechzigerjahren, wo immer es ging, gegen faschistische Tendenzen auf den Straßen gekämpft. Ich denke, das ist das richtige Signal. Damit könnte man im Grunde genommen in der Bundesrepublik politisch und gesellschaftlich ein anderes Gewicht auf den Kampf gegen den Faschismus legen. Damit könnten dann latent auch die Dinge umgesetzt werden, die jetzt auf der juristischen Auseinandersetzung ruhen.

Ich komme zu meinem nächsten Punkt. Das Verweisen auf ein mögliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist natürlich reine Spekulation. Es soll dazu führen, dass der juristische Weg im Grunde genommen noch einmal infrage gestellt werden soll, anstatt sehr offensiv die politische Auseinandersetzung zu suchen.

Ich will das durchaus sagen: Es ist nicht damit getan, allein das Verbot der NPD durchzusetzen. Vielmehr geht es darum, die Strukturen generell anzugreifen und dafür zu sorgen, dass die demokratische Entwicklung in diesem Land durch solche latent faschistischen Positionen nicht weiter gefährdet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Von daher plädiere ich sehr dafür, dass wir eine gesellschaftliche Debatte anstoßen, mit der das Thema Faschismus wirklich öffentlich gemacht wird. Auf der einen Seite geht es um die aktuelle Debatte. Aber es geht natürlich auch um die Aufarbeitung der historischen Entwicklung und um die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass beispielsweise in Thüringen – ich sage noch einmal: latent – mit Unterstützung des Verfassungsschutzes aus Hessen solche Aufbauarbeiten für faschistische Strukturen geleistet werden konnten, wie das da geschehen ist.

Ich glaube, das hängt wirklich zusammen. Wir müssen uns der historischen Entwicklung und der aktuellen politischen Auseinandersetzung stellen. Ich sage: Kommen Sie am 1. Mai mit auf die Straße, wenn die Faschisten in Frankfurt demonstrieren wollen. Wir sind jedenfalls auf der Straße gegen sie aktiv. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr van Ooyen, vielen Dank. – Als Nächster wird Herr Kollege Mick für die FDP-Fraktion zu uns sprechen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich insbesondere nach dem Wortbeitrag des Herrn Kollegen Rudolph noch einmal genötigt gesehen, etwas zu sagen, weil ich denke, dass hier eine parteipolitische Dimension in die Debatte hineingekommen ist, die dem Thema nicht angemessen ist.