Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Endlich, mehr als sechs Jahre nach der Föderalismusreform I, wurde uns vor wenigen Tagen von CDU und FDP ein Fraktionsgesetzentwurf zur Dienstrechtsreform für alle 106.000 hessische Beamtinnen und Beamten mit einem Umfang von 450 Seiten vorgelegt. Mein erstes Fazit dazu, gerichtet an Herrn Minister Rhein und an die Fraktionen: Das ist weitestgehend alter Wein in neuen Schläuchen.

Versprochen war dieses Gesetz von der Landesregierung bereits für das Jahr 2009, aber bis jetzt ist nichts passiert. Durch die Einbringung dieses umfangreichen Pakets als Fraktionsgesetzentwurf wurden erneut die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsrechte der Gewerkschaften gezielt umgangen. Es ist jedem klar – Kollege Rudolph hat schon darauf hingewiesen –: Ein solcher Mammutgesetzentwurf wird nicht in Fraktionen geschrieben, sondern hier war doch die hilfreiche Hand des Ministeriums ausschlaggebend und für die Inhalte prägend.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU) – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Ist das verwerflich, oder was?)

Nein, das ist nicht verwerflich. Verwerflich ist es aber, dass Rechte, die im Beamtengesetz den Gewerkschaften zugestanden sind, umgangen werden. Denn wäre das als Gesetzentwurf der Landesregierung eingereicht worden,

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

dann hätte – Kollege Rudolph hat darauf hingewiesen – eine Anhörung der Gewerkschaften vor Einbringung dieses Gesetzentwurfs erfolgen müssen. Warum denn diese Eile?

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Meine Damen und Herren, wir warten schon jetzt drei Jahre auf diesen Gesetzentwurf.

Allerdings wurde bereits mit Wirkung zum 01.01.2011 ein eigenes Hessisches Beamtenversorgungsgesetz verabschiedet – da hatten Sie es eilig –, und zwar deshalb, weil die Landesregierung seinerzeit schneller zur Pension mit 67 kommen wollte. Dieser Teil des Gesetzes ist jetzt wiederum Bestandteil des neuen Pakets.

Die erste Beurteilung der Gewerkschaft ver.di dazu lautete: viel Technik, wenig Reform und Verschlechterungen im Detail.

Wirklich reformorientierte Inhalte fehlen diesem Gesetzentwurf gänzlich. So wurde grundsätzlich an dem System von Gesetz und Verordnung ohne wirkliche Beteiligungsrechte der Gewerkschaften festgehalten. Es wurden keine Elemente beispielsweise des Vertragsrechts in das Dienstrecht übernommen.

Der Deutsche Beamtenbund stellte fest, dass mit diesem Gesetzentwurf „kein Manna vom Himmel“ gefallen sei und es bei dem gewerkschaftlichen Ärgernis der 42-Stunden-Woche geblieben ist.

Stattdessen sind weitere Einschränkungen bei den Gutschriften auf das so beliebte Arbeitszeitkonto vorgesehen. Schon seit Jahren fordern wir immer wieder, in jedem Haushaltsjahr, die Einführung der 40-Stunden-Woche im gesamten Bereich des öffentlichen Dienstes – und zwar nicht stufenweise, sondern konkret, wie es auch im Tarifbereich der Fall ist. Daran werden wir auch in diesen Beratungen festhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Gewerkschaften reklamieren zudem die mangelnde Europatauglichkeit dieses Gesetzentwurfs, z. B. bei der Unverfallbarkeit des Erholungsurlaubs im Falle längerer Erkrankung. Da müssen Sie in Ihrem Entwurf wohl nachbessern.

Ein großer Wurf also ist das ganze Werk offensichtlich nicht. So gibt es zwar einzelne kleine Verbesserungen, wie z. B. die schon angesprochene Anhebung von 869 A-9Stellen und 261 A-10-Stellen bei der Polizei nach A 10 oder A 11 oder auch die von Herrn Heinz angesprochene Anhebung der Bezüge bei den Rechtsreferendaren. Sie haben gesagt: „auf deutlich über 1.000 €“. Ich sage es einmal genau: auf 1.030 €.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Warum denn so negativ?)

Nein, das ist gar nicht negativ, das ist eine Steigerung um immerhin 80 €. Das ist schon richtig. Aber „deutlich über 1.000 €“ hört sich eher nach dem Ende, also eher bei 1.100 € als bei 1.000 €, an, Herr Dr. Blechschmidt.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Aha!)

Herr Minister, an Ihre Adresse will ich hier sagen – er hört gerade nicht zu –: Wenn Sie jetzt hergehen und bei der Polizei die A-9- und die A-10-Stellen anheben

(Minister Boris Rhein: Und die 10 auf die 11!)

ja, das ist klar, die 10er auf die 11er –, dann ist es natürlich die Frage, ob jemand, der jetzt bei der Polizei von A 9 nach A 10 wechselt, das dann bis zu seiner Pensionierung bleibt.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Denn Sie wissen ganz genau: Wenn Sie den Stellenkegel bei der Polizei betrachten, dann haben Sie exakt bei A 11 den Knautschbereich, in dem es keine Perspektive mehr nach oben gibt.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Je mehr Sie von unten nach oben schieben, desto weniger kommen oben durch den Flaschenhals durch. Ob das also eine Perspektive für die Polizei ist? Im Übrigen wird genau das Problem auch von der Gewerkschaft der Polizei kritisiert.

(Nancy Faeser (SPD): So ist es!)

Das hängt mit der Stellenobergrenzenverordnung zusammen, die Sie nach Ihrem Gesetzentwurf beibehalten wollen.

(Nancy Faeser (SPD): So ist es!)

Dann bekommen Sie an genau dieser Stelle die Probleme und schaffen Perspektivlosigkeit bei einem anderen Teil der Polizeibeschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich will durchaus zugestehen, dass die Einführung der Mitnahmemöglichkeit von Pensionsansprüchen beim Wechsel in die private Wirtschaft nach einer Beschäftigungsdauer von mindestens fünf Jahren als positiv zu sehen ist.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Gut!)

Herr Dr. Blechschmidt, ich will auch positiv anmerken, dass die Abschaffung des einfachen Dienstes – aber Kollege Rudolph hat bereits darauf hingewiesen: da ist kaum noch jemand drin – hier als positiv zu bewerten ist.

(Nancy Faeser (SPD): Ein Meilenstein!)

In der Tat ist es auch als positiv zu bewerten, dass eine Reduzierung der Fachrichtungen von ca. 100 auf nun elf erfolgen soll, also eine Straffung. Das ist gar keine Frage. Ob es aber künftig noch einen prüfungsfreien Aufstieg geben wird, bleibt unklar. Das muss erst noch in der Laufbahnverordnung geregelt werden. Das ist also eine offene Frage, die in diesem Zusammenhang aber wichtig ist. Wir jedenfalls wollen, dass dieses Instrument erhalten bleibt und es weiterhin prüfungsfreie Aufstiege auch im Beamtenrecht in Hessen gibt.

Dass künftig bereits Beamte auf Widerruf aus familiären Gründen Teilzeit arbeiten dürfen, begrüßen wir ebenso wie die Verlängerung der Befreiung aus familiären Gründen um weitere zwei Jahre.

(Zuruf von der FDP: Gut gemacht!)

Herr Dr. Blechschmidt, ein richtiger Schlag ins Kontor ist allerdings die ersatzlose Streichung der analogen Anwendung der Dienstbefreiungsregelung nach § 69 Abs. 3 des Hessischen Beamtengesetzes für alle Tarifbeschäftigten in der Hessischen Urlaubsverordnung. Damit beschränken Sie gewerkschaftliche Betätigungen, möglicherweise bewusst. Darüber müssen wir in der Tat diskutieren.

(Alexander Bauer (CDU): Was ein Quatsch!)

Hinzu kommen Einschränkungen bei den Mitwirkungsrechten der Personalräte.

Herr Schaus, kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – In § 81 Abs. 2 HPVG, Arbeitsplatz- und Dienstpostenbewertung, gibt es eine Einschränkung. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass jetzt, nachdem es im Vorfeld keine Anhörung gegeben hat, eine intensive Beratung mit den Gewerkschaften und den Berufsverbänden zu erfolgen hat.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): So ist es!)

Wir brauchen keinen Zeitplan, der darauf ausgerichtet ist, im März zu einer zweiten und dritten Lesung zu kommen. Wir haben Zeit bis Mitte des Jahres, und die wollen wir auch ausnutzen, um entsprechende Diskussionen nachzuholen, die Sie versäumt haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nancy Fae- ser und Günter Rudolph (SPD))

Danke, Herr Schaus. – Als Nächster spricht Herr Kollege Frömmrich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Gesetzentwurf in der Eilausfertigung auf den Tisch bekommen habe, habe ich gedacht, das funktioniert nach dem Motto: Was lange gärt, wird dick und fett. – Der Gesetzentwurf hat 400 Seiten, das war schon ein erschreckender Anblick.

Herr Innenminister, Sie haben sich auch fast sieben Jahre Zeit gelassen, nachdem die Föderalismusreform I die Möglichkeit auf die Länder übertragen hat, diese Dinge zu regeln. Sie haben sich noch einmal drei Jahre Zeit gelassen, nachdem sich die Mediatoren, die seinerzeit von Ministerpräsident Koch gebeten worden sind, sich mit der Modernisierung des Dienstrechts zu beschäftigen, ihren Entwurf, ihren Mediationsbericht vorgelegt haben.

Seinerzeit haben wir hier im Haus sehr einhellig gesagt, dass das, was die Mediatoren – also Friedrich Bohl, Wolfgang Dette, Lothar Klemm und Rupert von Plottnitz – erarbeitet haben, eine gute Grundlage für eine Debatte über das Dienstrecht insgesamt ist. In diesem Mediatorenvorschlag waren auch Ansätze enthalten, die das Dienstrecht insgesamt attraktiver machen und uns in die Lage versetzen sollten, auch die Konkurrenz mit Privaten aufzunehmen.

Ich will ein paar Dinge erwähnen, die seinerzeit auch schon vorgeschlagen worden sind. Von daher ist das, was ich im Gesetzentwurf von CDU und FDP gefunden habe, nicht ganz neu: z. B. die Vereinfachung und Flexibilisierung der Laufbahnen, die Beibehaltung der Stellenobergrenze, die Angleichung der Beträge des Familienzuschlags. Sie haben zwar eine andere Regelung gewählt, aber seinerzeit wurde auch von den Mediatoren die Frage der Wiedereinführung der Ruhegehaltfähigkeit von Zulagen diskutiert. Das ist von Ihnen im Gesetzentwurf, wenn ich es richtig gesehen habe, auch ähnlich geregelt worden. Seinerzeit waren das unter dem Strich gute Vorschläge und eine gute Vorlage für eine inhaltliche Debatte.