Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Auch in der dritten Lesung bleibt dieses Gesetz Unfug. Die Gründe, warum G 8 gänzlich abzulehnen ist, haben wir Ihnen in unendlicher Geduld vorgetragen. Wahrscheinlich haben Sie nicht richtig hingehört.

(Petra Fuhrmann (SPD): Intellektuelle Überforderung!)

Ja, zum Beispiel. – Ich möchte beispielsweise Herrn Schork ansprechen.

(Günter Rudolph (SPD): Der hat doch gar nicht geredet!)

Es müsste Ihnen doch zu denken geben, dass Sie vorgestern mit Ihrer Frage für lautes Gelächter gesorgt haben, wie man denn darauf komme, dass G 8 überhaupt gescheitert sei.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Anscheinend waren Sie nicht bei der Anhörung dabei. Anscheinend haben Sie nicht all diese Briefe erhalten, die gerade erwähnt worden sind.

(Zurufe)

Wenn wirklich nur 8 % aller Eltern G 8 für ihr Kind wollen, dann frage ich mich auch: Wie können Sie auf die Idee kommen, G 8 sei nicht gescheitert?

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht können das Technokraten so sehen, aber nicht die Leute, die mit den Eltern wirklich in Kontakt stehen und mit den Schülerinnen und Schülern, auf die es ja vor allen Dingen ankommt.

Uns allen ist klar: Nur die Beibehaltung der Prämisse, G 8 sei nicht gescheitert, ermöglicht es überhaupt, G 8 weiter im Angebot zu halten. Sie wollen es natürlich im Angebot behalten, zumindest bis zur Wahl.

Bei der Einschätzung von G 8 argumentieren Sie immer wieder mit der Studie zum Notenvergleich G 8/G 9. Selbst wenn dieser Vergleich aussagekräftig wäre, sagt er nichts darüber aus, unter welchen Bedingungen die Kinder und Jugendlichen zu diesen Noten gekommen sind. Er sagt

nichts darüber aus, welchen Preis sie dafür bezahlen mussten.

Alle Schülerinnen und Schüler zahlen mit ihrer Freizeit dafür. Sie stehen unter einem permanenten Stress, und das führt dazu, dass die Patientenzahlen von G-8-Schülerinnen und -schülern in den psychologischen Beratungsstellen alarmierend angestiegen sind. Dasselbe gilt für die Nachfrage nach Nachhilfeunterricht – aber nicht alle können sich den leisten.

Zurückgegangen sind aber dafür in alarmierendem Maße das ehrenamtliche Engagement und die Mitgliedszahlen in Sportvereinen der jungen Menschen. Kinder und Jugendliche werden durch diese Schulzeitverkürzung unter einen Leistungsdruck gesetzt, dem ihre gesamte Lebenszeit untergeordnet wird.

Der Landesportbund Hessen hat zu diesem Thema extra eine Tagung veranstaltet – ich nehme sogar an, dass Sie teilgenommen haben –, da er über massiven Mitgliederschwund in der betroffenen Altersgruppe klagt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Aber doch nicht deshalb!)

Aber darum geht es Ihnen nicht, meine Damen und Herren von der Landesregierung. Sie tragen Politik einmal wieder auf dem Rücken der Betroffenen aus. Das wird Ihnen im nächsten Jahr auf die Füße fallen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Zur konkreten Umsetzung Ihrer angeblichen Wahlfreiheit an Gymnasien möchte ich noch eine andere Problematik ansprechen. Im Kreis Bergstraße beispielsweise plagen sich die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der GRÜNEN mit einer anderen Sorge. Dort wollen Gymnasien ebenfalls unbedingt zu G 9 zurückkehren. Da haben die Kollegen von CDU und GRÜNEN arge Bedenken, nicht etwa, was die Sinnigkeit von G 9 angeht, darin ist man sich einig. Nein, sie haben Bedenken, ob der Kreis die Folgekosten der Rückkehr überhaupt tragen kann.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wie gehen Sie denn mit den GRÜNEN um?)

Es wurde ein entsprechender Antrag in den Kreistag eingebracht, in dem gefordert wird, dass die Landesregierung die zusätzlichen Kosten tragen soll. Frau Ministerin, da würde ich gerne wissen, wie Sie sich zu dieser Forderung verhalten. Denn wenn nicht einmal das gewährleistet wäre, dann ist Ihr Gesetz nicht das Papier wert, auf dem es gedruckt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kolleginnen und Kollegen der SPD tragen dem massiven Elternwunsch Rechnung. Sie haben erkannt, dass G 8 gescheitert ist. Und sie haben zugehört. In dem vorliegenden Änderungsantrag sind die zahlreichen Schreiben berücksichtigt, die uns von aufgebrachten Eltern in den letzten Wochen und auch heute Morgen noch erreicht haben. Ich bin mir sicher, dass diese Schreiben Sie auch erreicht haben. Es wurde eben auch von Frau Ravensburg gesagt. Es würde mich wirklich interessieren, ob und wie Sie diesen Eltern eigentlich antworten.

Zusammenfassend kann also gesagt werden: Sie selbst wissen, dass G 8 gescheitert ist, die notwendigen Konsequenzen wollen Sie aber nicht ziehen. Stattdessen liegt dieser völlig unsinnige Gesetzentwurf vor, der mit Wahlfreiheit

beworben wird. Wahlfreiheit, die es nicht geben wird und die Sie ja noch nicht einmal wollen, sonst hätten Sie den Entschließungsantrag der GRÜNEN im Kulturpolitischen Ausschuss unterstützt.

Wir lehnen dieses Gesetz ab, wir lehnen Ihre Bildungspolitik ab, wir wollen endlich gute Politik für die, die davon betroffen sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Heike Haber- mann (SPD))

Frau Ministerin Beer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das heute zur dritten Lesung anstehende Schulgesetz ist ein Gesetz, das in der Tradition der immer selbstständiger werdenden Schulen steht. Wenn man den Debatten heute zugehört hat, erhält man den Eindruck, noch nicht jeder im Raum hat verstanden, dass selbstständige Schule mitnichten nur eine Frage von erweiterten Budgetmöglichkeiten ist. Nein, selbstständige Schule ist zuvörderst und zutiefst eine Frage von pädagogischen Freiheiten. Diese pädagogischen Freiheiten sollen jetzt gerade den Gymnasien für ihre Organisationsform im Hinblick auf die Zeit, also acht oder neun Jahre bis zum Abitur, eingeräumt werden.

(Beifall bei der FDP)

Damit gibt es auch mehr Auswahlfreiheit für Eltern. Denn es ist ganz klar, da wo es dieses Angebot vorher nicht gegeben hat, gibt es jetzt auch in den klassischen Gymnasien die Möglichkeit, zwischen zwei verschiedenen Organisationsformen, also G 8 oder G 9, auszuwählen. Das bedeutet also mehr Auswahlmöglichkeiten.

Was wir aber nicht verändern – ich habe auch bis heute keinen Antrag aus den Reihen der Opposition dazu gesehen –, ist § 77 Hessisches Schulgesetz. Darin ist festgelegt, dass die Eltern allein einen Anspruch auf die Wahl des Bildungsganges haben. Das heißt in diesem Fall auch auf den gymnasialen Bildungsgang.

Damit ändern wir auch nichts daran, dass es zukünftig, so wie heute und in allen Jahren der Vergangenheit, nicht so ist, dass Eltern einen Anspruch darauf haben, dass eine bestimmte Schule bei ihnen vor Ort genau das Angebot anbietet, das sie sich wünschen. Ich glaube auch nicht, dass irgendeiner der Damen und Herren der Opposition in der Lage wäre, den Eltern die Wahl einer bestimmten Schule oder einer bestimmten Schulform oder einer bestimmten Organisationsform zu garantieren. Sonst hätten Sie einen solchen Änderungsantrag eingebracht.

Eingebracht ist lediglich das Modell der Einheitsschule von der SPD. Danach müssen alle neun Jahre bis zum Abitur absolvieren.

(Widerspruch von der SPD)

Da hat man offensichtlich Angst vor dieser Form der Wahlfreiheit, dass nämlich Schulen selbst entscheiden, wie sie sich organisieren möchten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Kollege Schmitt, vielleicht hören Sie erst einmal zu, durch bildungspolitische Weisheiten sind Sie in den letzten Jahren nicht aufgefallen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Entlarvend ist auch die Positionierung der GRÜNEN, die zwar auf der einen Seite Wahlfreiheit sagen, auf der anderen Seite aber eine Art grüner Wahlfreiheit meinen. Die Wahlfreiheit gilt nämlich nur dann, wenn die Schulen so wählen, wie sie auch wählen sollen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Eltern sollen auswählen!)

Ansonsten soll das Ministerium vor Ort so lange konferieren, bis die Schulen auf den Druck reagieren und sich umentscheiden. Meine Damen und Herren, nein, mit diesem Schulgesetz wird es dabei bleiben, dass immer selbstständiger werdende Schulen vor Ort aufgrund ihres pädagogischen Konzepts entscheiden und nicht aufgrund des Drucks, den das Kultusministerium ausüben soll, so wie die GRÜNEN es wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Beim Thema Druck bin ich, ehrlich gesagt, erstaunt, dass Sie so wenig sensibel mit dieser Frage umgehen, wie es sich in unserem Land zum Teil abzeichnet. Es hilft dabei auch nicht weiter, einen Antrag zweimal einzubringen, so wie die SPD das heute gemacht hat.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Frau Kollegin, es ist ausgeurteilt, bis zum VGH in Kassel, sogar bis zum Bundesverfassungsgericht, dass wir nicht einfach aufgrund von Mehrheitsentscheidungen vor Ort in einer Schule in die Grundrechte von Kindern und ihren Eltern eingreifen können. Die Kinder müssen den von ihnen gewählten Zug von G 8 weiter fortführen können. Das geht eben nicht per Mehrheit.

Ich wundere mich, dass Sie nicht sehen, welcher Druck momentan auf die Eltern ausgeübt wird. Sie verstärken diesen Druck auch noch. Ich habe sehr viel besorgte Ansprachen von Eltern, die sich unter Druck gesetzt fühlen. Es handelt sich dabei um Eltern von Grundschülern und andererseits auch um Kollegien, die mir sagen, diese Grundschuleltern wüssten doch gar nicht, wie gut wir G 8 organisiert haben, wie selbstständig unsere Kinder durch dieses selbstständigere Lernen und durch dieses gut Organisiertsein geworden sind. Die Eltern wüssten noch gar nicht, was wir für Zusatzangebote haben und wie gut bei uns die Verzahnung mit dem Nachmittagsangebot funktioniert. Natürlich haben wir eine größere Wahlfreiheit, weil wir Mehrzügigkeit anbieten können, wofür zukünftig weniger Räume für G-9-Züge genutzt werden müssten.

Meine Damen und Herren, von daher glaube ich, dass wir gut daran täten, das nicht zu instrumentalisieren. Es macht mich schon sehr nachdenklich, wenn ich Briefe bekomme – und ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten aus einem zitieren, der mir sagt:

Wir möchten Sie wissen lassen, dass es unter den Eltern der gegenwärtigen Fünftklässler auch deutlich andere Meinungen gibt. Einen sofortigen Wechsel zu G 9 auch für die bereits an Gymnasien eingeschulten Kinder halten wir unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsver