Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was ist mit H.E.S.S. in Kassel? Die sitzen doch in Kassel!)

Herr Schaus, Sie brauchen nicht zu schreien. Sie müssen Fakten zur Kenntnis nehmen. Sie müssen schlicht und einfach wissen, was Fakt ist an dieser Stelle. Das ist doch relativ einfach.

Bei diesem Thema geht es in der Tat darum, dass, wenn es Missstände gibt und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal in welchem Verhältnis sie zu Amazon stehen, mit Situationen konfrontiert werden, die wir alle zu verurteilen haben, diese aufzuklären und abzustellen sind. Das ist korrekt und normal; darüber gibt es doch keinen Streit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nichts anderes hat der Herr Ministerpräsident an dieser Stelle gesagt. Wie tausend andere Firmen in Hessen auch

wird die Firma Amazon regelmäßig von den Behörden des Arbeitsschutzes kontrolliert.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Natürlich werden auch aktuelle Gegebenheiten einbezogen, wenn es Überprüfungen gibt. Da gibt es kein Pardon, keine Zurücknahme und kein unterschiedliches Verhalten, und es existieren nicht auf der einen Seite die lieben und netten und auf der anderen Seite die nicht netten und die sonstigen Unternehmen, sondern es gibt schlicht und einfach ein Arbeitsschutzgesetz, das in Hessen in aller Konsequenz durchgesetzt wird.

Die anderen Länder freuen sich, dass wir in Hessen so vorbildlich sind, und versuchen permanent, uns in der Bundesrepublik Deutschland die Federführung in Sachen Arbeitsschutz anzutragen, weil sie selbst nicht in der Lage sind, ihn entsprechend zu gewährleisten. Es sind die sozialdemokratisch geführten Länder, die das nicht machen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mittlerweile sind es Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen – auch Rot-Grün in diesem Land –, die nicht in der Lage sind, so zu arbeiten, und auf Hessen hoffen, damit das ordentlich gemacht wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD)

Frau Fuhrmann, Sie brauchen nicht zu lachen. Das ist so. Fragen Sie doch schlicht und einfach einmal nach. – Jetzt sehen wir uns einmal die intensiven Diskussionen an, die an dieser Stelle stattfinden, vor allem wenn es darum geht, ob es weitere Sachen gibt, die nicht stimmen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Klose, man muss sich schon sachkundig machen. Sie stellen sich, genauso wie Herr Schäfer-Gümbel, hierhin und sprechen von „indiskutablen Lohnstrukturen“. Herr Klose hat gesagt, die Kontrollmechanismen hätten versagt; die Arbeitnehmer hätten nach ihrer Ankunft gewusst, bei wem sie beschäftigt sind. Das ist völliger Quatsch. Schauen Sie sich einmal das Protokoll an, und lesen Sie, was Sie gesagt haben. Erst zu denken und dann zu reden ist nämlich manchmal besser.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig! – Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Gegenruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU): Austeilen und nicht einstecken können!)

Gleichzeitig reden Sie davon, dass es an dieser Stelle niedrigere Löhne als bei den direkt Angestellten gibt. Wir haben schon einige Erfahrungen mit dem Unterschied zwischen netto und brutto gemacht. Meine Partei ist nicht ganz frei davon, Sie aber auch nicht.

Eine der entscheidenden Fragen, die ich in meinen Gesprächen mit den Vertretern von Amazon erörtert habe, ist, wie es zu einer solchen Struktur kam. Mir liegt ein Vergleich zwischen den Lohnstrukturen von Leiharbeitnehmern – brutto und netto – und denen von direkt Angestellten vor. Schauen Sie sich ihn einmal in Ruhe an; Sie können ihn auch bekommen, wenn Sie wollen. Wenn Sie das sehen, werden Sie feststellen, dass die pauschalen Aussagen, die

Sie zu dieser Zeit getroffen haben, schlicht und einfach nicht stimmen.

Um es an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich zu sagen: Alle Fragen und Probleme im Zusammenhang mit dem Überlassungsprozess sowie arbeitsrechtliche Aspekte fallen, wie es der Herr Ministerpräsident zutreffend gesagt hat, in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit und werden nicht durch die Landesregierung bearbeitet. Fragen des Arbeitsschutzes von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern fallen genauso wie bei den direkt Beschäftigten in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsschutzes.

(Petra Fuhrmann (SPD): Eben! Damit fallen sie in den Zuständigkeitsbereich des Landes!)

Alles, was an dieser Stelle zu unternehmen ist, ist in dem vorliegenden Fall geschehen: unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe und auch im weiteren Verfahren. Letztendlich gibt es auch eine Reihe von Ergebnissen. Über sie wird in der Öffentlichkeit nicht so diskutiert, wie es in vielen anderen Bereichen des wirtschaftlichen Handelns in Hessen der Fall ist, sondern sie werden in der Diskussion zwischen den Mitarbeitern der Arbeitsschutzverwaltung auf der einen Seite und den Vertretern der Unternehmen auf der anderen Seite bearbeitet. Die Missstände werden dann abgestellt.

Ich kann Ihnen allerdings das Gesamtresümee mitteilen, ohne auf die Einzelbereiche einzugehen. Die Mitarbeiter der Arbeitsschutzverwaltung haben nach den letzten Begehungen gesagt, es gebe einen Handlungsbedarf, aber keinen Grund für Generalverdächtigungen und Verurteilungen. Insofern ist das in Ordnung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Was ist denn da los? Es ist alles in Ordnung!)

Nein, Herr von Ooyen, ich habe nicht gesagt, dass alles in Ordnung ist, sondern ich habe Ihnen das Resümee der Arbeitsschutzverwaltung mitgeteilt. Es war doch Ihr Wunsch, dass die Mitarbeiter der Arbeitsschutzverwaltung dort hineingehen, wie in hundert anderen Fällen auch.

An der Stelle ist das keine Frage von Besonderheiten, an denen das hochgezogen werden muss. Hochgezogen wird das doch nur an einer einzigen Stelle. Natürlich ist das eine verkappte Diskussion, und deswegen ist diese Diskussion in vielen Bereichen, auch von den Vorrednern der Oppositionsfraktionen – mit Ausnahme von Frau Wissler –, scheinheilig geführt worden. Ihnen geht es um die Frage: Hat Leiharbeit in diesem Land noch eine Chance, und müssen wir nicht über diesen Weg eine Mindestlohndebatte führen?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das bestätigen Sie doch!)

Mehr ist an dieser Stelle nicht geschehen. Ich muss sagen, Sie haben in Ihrer Diskussion versagt, wenn Sie dies als Aufhänger nehmen. Nicht nur aus der Historie der Politik heraus haben Sie versagt, sondern auch an den grundlegenden Aspekten gemessen. Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Der Logistikstandort Nordhessen ist ohne die saisonale Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zu halten,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und die wirtschaftliche Prosperität unseres Landes im Norden wäre ohne einen solchen Weg nicht zu gewährleisten. Das Erstaunliche ist: Die Gewerkschaften und die Vertrau

ensleute der Gewerkschaften in den Unternehmen goutieren das und sagen das Gleiche.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich hoffe, wenn Sie heute mit den Betriebsräten sprechen, dass die Ihnen das erklären, damit Sie verstehen, dass dies ein Geschäftsmodell ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will nur darauf hinweisen, dass die vereinbarte Redezeit der Fraktionen beendet ist.

Das ist in Ordnung. Danke schön, Herr Präsident. – Das machen wir.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wenn wir über sozialversicherungspflichtig Beschäftigte reden, dann gilt immer wieder eine Zahl:

(Petra Fuhrmann (SPD): Unerhört!)

Wir haben in Deutschland zurzeit etwa 800.000 Menschen, die in der Leiharbeit tätig sind. Davon sind zwei Drittel in der Vergangenheit überhaupt nicht beschäftigt gewesen. Ich sage an dieser Stelle: Auch unter dem Gesichtspunkt von Lohnuntergrenzen ist es besser, dass ein Drittel von 800.000 Menschen eine Beschäftigung findet, dass sie aus ihrer Arbeit ein Einkommen erzielen, anstatt auf soziale Transferleistungen angewiesen zu sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ihre ökonomische Konsequenz ist es, diese Leute lieber den Sozialkassen und der Alimentierung durch den Sozialstaat zu überlassen,

(Zurufe der Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Petra Fuhrmann (SPD))

als ihnen eine Chance zu geben, eigenständig zu verdienen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wo kriegen die eine Chance? Das ist doch eine Mär!)

Deswegen will ich sagen: Im Jahr 2011 haben wir das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geändert. Wir haben eine Lohnuntergrenze eingeführt. Bundesweit einheitlich beträgt diese 7,50 € in den neuen Bundesländern und 8,90 € in den alten Bundesländern.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Decker (SPD))

Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, dass sich Hessen bereits 2010 – daran kann ich mich gut erinnern; wir waren nämlich Vorsitzland der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, und ich war der Vorsitzende – für die Einführung einer Lohnuntergrenze in der Leiharbeit ausgesprochen und eingesetzt hat. Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass seit Januar 2012 eine allgemeine Lohnuntergrenze für alle Beschäftigten in der Leiharbeitsbranche existiert.

(Wolfgang Decker (SPD): Das haben wir gern gemacht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders erfreulich an dieser Entwicklung ist, dass diese Lohnunter

grenze von Gewerkschaften und Arbeitgebern in der Leiharbeitsbranche ausgehandelt und nicht vom Staat gesetzlich normiert worden ist, der bei der Lohnfindung Zurückhaltung zu üben hat.