Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu einer Kurzintervention gemeldet, weil ich glaube, an einer bestimmten Stelle die Koordinaten klarziehen zu müssen.
Herr Kollege Dr. Bartelt und Herr Kollege Lenders, Sie haben vollmundig davon geschwärmt, dass Sie sogenannte Lohnuntergrenzen in der Leiharbeit eingeführt hätten. Ich will Ihnen in zwei kurzen Sätzen die historische Wahrheit vor Augen führen.
Es begab sich im Januar 2011, dass CDU und FDP mit der SPD über die Hartz-IV-Sätze und über das Bildungspaket im Rahmen von Hartz IV verhandelt haben. Die historische Wahrheit ist, dass damals die SPD die Forderung in das Paket eingebracht hat, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wird und dass an der Stelle eine Lohnuntergrenze eingezogen wird.
Sie können das gern in sämtlichen Protokollen nachlesen. Ich wollte das hier in Erinnerung rufen. Wenn man einmal genau nachblättert, wird man auch nachlesen können, dass es auf Ihrer Seite große Schwierigkeiten gegeben hat, überhaupt Regeln für die Leiharbeit zu finden. Es tobte nämlich ein heftiger Streit zwischen der CDU und der FDP, der dazu geführt hat, dass Sie sich monatelang selbst blockiert haben.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Mi- nisters Stefan Grüttner)
Herr Grüttner, Sie können sich aufregen, wie Sie wollen. – Am Ende war es so, dass sich die SPD mit zumindest einem ihrer Vorschläge durchgesetzt hat, nämlich eine Mindestlohngrenze in der Leiharbeit einzuführen. Sie war allerdings sehr niedrig. Sie ist immer noch sehr niedrig. Das macht deutlich, wie wichtig es ist, dass wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn bekommen.
Wir werden, was das Thema Leiharbeit anbelangt, nicht locker lassen, den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht erst nach neun Monaten – wie das Kollege Kolb fordert, den Sie zitiert haben –, sondern von Anfang an durchzusetzen. Das ist nämlich ein wirksames Instrument.
Das sei den Kollegen der Fraktion DIE LINKE zugerufen. Hören Sie mit dem gebetsmühlenartigen Wiederholen von Vorschlägen auf, die keiner gebrauchen kann. Helfen Sie mit, konkrete Änderungsvorschläge zu machen. Unsere beiden genannten Vorschläge gehören dazu.
Herr Kollege Decker, das war ein Redebeitrag, der sich auf alle vorherigen Wortmeldungen bezogen hat. Das war geschickt gemacht. Sie hatten eine Kurzintervention zu den Ausführungen von Herrn Lenders angekündigt.
Herr Präsident, ich bleibe bei den Ausführungen von Herrn Wagner. Dann können wir die Formen wahren, die für eine Kurzintervention gelten.
Herr Wagner, ich will auf Ihre Argumente eingehen. Jemand, der in den Niedriglohnsektor hineingerät, hat nicht in erster Linie das Problem, dass er zu viel Steuern zahlt. Das stimmt. Er zahlt zunächst keine Steuern, aber die Sozialversicherungsbeiträge liegen ihm sofort auf der Tasche und machen ihm das Aufnehmen einer Arbeit sehr schwer.
Wer hat denn die Beiträge zur Sozialversicherung gesenkt? Waren Sie das? Sind die Beiträge unter Rot-Grün nicht permanent gestiegen? Unter Schwarz-Gelb konnte endlich eine Umkehr eingeleitet werden, damit die Menschen mehr in der Tasche behielten.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Frömmrich, der jetzt „Unsinn!“ ruft, hat uns ja einmal vorgeworfen, eine Partei der Steuerhinterzieher zu sein. Das hat damals keiner gehört. Ich habe es aber gehört.
Es stimmt? – Das ist nett. Frau Fuhrmann, es ist interessant, in welchen Bereich wir hier hineinkommen.
Meine Damen und Herren, gerade diejenigen, die aus dem Niedriglohnsektor heraus- und in die Steuerpflicht hineinwachsen, etwas mehr Geld verdienen, nehmen Sie das Geld wieder weg, und zwar durch die kalte Progression, deren Abschaffung Sie im Bundesrat verhindert haben.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Wagner, das ist in meinen Augen eine unsoziale Politik. Aus der Verantwortung hierfür lassen wir Sie niemals heraus.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zuallererst möchten wir zum Ausdruck bringen, dass wir den „Shitstorm“ in diversen Foren, allen voran auf der Facebook-Seite von Amazon, verurteilen und ablehnen.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist für Sie wieder das Wichtigste! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)
Wir distanzieren uns ebenfalls von etwaigen Boykottaufrufen und sehen es mit Sorge, dass Kunden ihre Konten bei uns löschen. Ein Boykott hätte keine Verbesserung der Lage bei den Amazon-Beschäftigten, egal ob Leiharbeiter oder direkt Angestellte, zur Folge, …
(Große Heiterkeit und anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Das macht es nicht besser, hier mit Gewerkschaftskritik anzukommen! Es ist unglaublich, so in das Thema einzugreifen! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)
Herr Abg. Schaus, ich bin dankbar, dass Sie zugehört haben. Ich glaube nämlich, Sie haben in der Vergangenheit nicht zugehört, sondern versucht, politische Meinungen zu verbreiten.
Das ist in dieser Debatte von den Mitgliedern der Oppositionsfraktionen übrigens häufig so gemacht worden. Ich finde, an dieser Stelle könnte man weiterzitieren.
Man könnte weiterzitieren im Hinblick darauf, welche Fragen bei den Vorgängen rund um Amazon eine Rolle gespielt haben. Im Übrigen sind diese Fragen sehr berechtigt. Genau diese Fragen waren auch Gegenstand meiner Gespräche mit der Geschäftsführung von Amazon. Über sie gibt es an dieser Stelle einen intensiven Austausch.
Sie verdeutlichen auch – um das einmal sehr klar zu sagen –, wo die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten liegen. Der krampfhafte Versuch, einen Widerspruch zwischen der Aussage des Hessischen Ministerpräsidenten und meiner Aussage zu konstruieren, ist doch längst vorbei. Darüber, dass es für das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sowie für den Abschluss von Dienstverträgen der Firma Amazon mit einer Leiharbeitsfirma oder den Abschluss von Dienstverträgen einer Leiharbeitsfirma mit Arbeitnehmern keine Zuständigkeit der Hessischen Landesregierung gibt, brauchen wir uns doch nicht zu streiten. Das ist schlicht und einfach Fakt.
Insofern hat der Herr Ministerpräsident völlig recht, wenn er sagt, in diesem Zusammenhang müsste Amazon, wenn es Missstände gibt, schlicht und einfach aufgefordert werden, diese aufzuklären und abzuschaffen. Mit dieser Aussage hatte er recht.
Er hatte auch recht mit der Aussage, mit der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit müsse unmittelbar Kontakt aufgenommen werden – so, wie ich das im Anschluss an die Berichterstattung gemacht habe –, und sie müsse gefragt werden: Was haben Sie in Ihrer Verantwortlichkeit übernommen?
Natürlich haben die etwas unternommen, und natürlich müssen wir an dieser Stelle sagen, dass die Aufsicht über die Leiharbeitsfirma in Bayern liegt, weil die Firma dort ihren Sitz hat, und dass man für die 68 spanischen Leiharbeiter, die über die BA vermittelt worden sind, in Nordrhein-Westfalen verantwortlich ist. Ich möchte gar nicht wissen, was in Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle gemacht wird.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was ist mit H.E.S.S. in Kassel? Die sitzen doch in Kassel!)