Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweiter Punkt. Sie wollen die Freistellungsmöglichkeiten der Sicherungsuntergebrachten von drei auf sechs Monate verlängern. Das haben Sie übernommen. Drei Monate sind ein viel zu kurzer Zeitraum, um diejenigen wieder in die Freiheit zu bringen und sie in das Leben in Freiheit wieder einzugliedern. Das betrifft etwa die Arbeitsplatzsuche und die Wohnungssuche. Da ist es konsequent, das auf sechs Monate zu verlängern. Alles andere, so glaube ich, ist mit der Realität nicht vereinbar.

Dritter Punkt. Auch da handelt es sich um eine Anregung aus der Anhörung. Für uns ist es ganz wichtig, dass wir eine Supervision für die Bediensteten in das Gesetz schreiben. Denn wir wissen, dass es die Bediensteten mit einer höchst problematischen und höchst schwierigen Klientel zu tun haben. Die Bediensteten brauchen eine professionelle Begleitung. Deshalb muss eine Supervision Bestandteil ihrer Arbeit sein. Sie muss im Gesetz festgeschrieben werden.

Vierter Punkt. Herr Paulus, das sehe ich ganz anders als Sie. Das betrifft die Gewalt. Wir haben zu dem Thema Gewalt unter Gefangenen und Gewalt in der Sicherungsunterbringung einen Berichtsantrag in den Hessischen Landtag eingebracht. Denn wir wissen doch alle: Gewalt unter Gefangenen findet statt. Sie bleibt oft unerkannt und ist subtil. Wir haben eine unglaublich hohe Dunkelziffer. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Schutz der Untergebrachten vor Übergriffen ausdrücklich in das Gesetz hineinschreiben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme nun auf die zwei Punkte zu sprechen, bei denen wir einen Dissens haben. Zum einen geht es um die Frage der Therapieangebote.

Da will ich direkt zu Herrn Paulus etwas sagen: Da haben Sie uns wohl missverstanden. Unserer Ansicht nach geht es nicht um eine Einschränkung der Therapieangebote. Nein, es geht um eine Flexibilisierung der Therapieangebote, und zwar so, wie es die Praxis in der Anhörung gefordert hat.

Warum ist das so? – Auf der einen Seite haben wir diejenigen, die kaum wirklich erreichbar sind. In der Fachwelt spricht man davon, dass sie therapieunfähig seien.

Auf der anderen Seite haben wir diejenigen, die sich irgendwann völlig verschließen, die zumachen. Für die brauchen wir eine größtmögliche Flexibilisierung der Therapieangebote. Wir brauchen die Möglichkeit, dass eine Therapiemaßnahme einmal beendet wird, ohne dabei die gesamte Maßnahme zu gefährden. Es geht hier um eine Flexibilisierung und um praxistaugliche Regelungen. Deshalb haben wir das vorgeschlagen.

Ich komme nun zum letzten Punkt aus meiner Sicht. Das betrifft den zentralen Dissens, den wir haben. Dabei geht es um die Frage des Arbeitsgebotes. Ich bitte Sie, da sprachlich genau zu bleiben. Es geht uns um ein Arbeitsgebot.

Herr Kollege Honka hat gesagt, wir würden da einen Sonderweg beschreiten. Das ist mitnichten der Fall. Die Regelung, die wir aufgenommen haben, ist an den bayerischen Gesetzestext angelehnt.

Sie sind auf Thüringen eingegangen. Wir haben heute Morgen erst den Staatsvertrag zusammen besprochen. Sie hätten in den Gesetzentwurf etwas genauer hineinschauen sollen. Natürlich findet für die thüringischen und die hessischen Untergebrachten das hessische Gesetz Anwendung.

Ich darf Ihnen die Regelung, die wir vorschlagen, noch einmal vorlesen. Sie ist natürlich verfassungskonform. Sie lautet:

Sicherungsverwahrte sind verpflichtet, eine ihnen aus behandlerischen Gründen zugewiesene, angemessene Arbeit oder arbeitstherapeutische Maßnahme auszuüben und das vorhandene schulische oder berufliche Bildungsangebot zu nutzen, soweit sie dazu in der Lage sind.

Praktiker aus dem Vollzug wissen es doch: Mancher Verwahrte, der sich ansonsten vollständig zurückziehen würde, kann durch solche Arbeitsangebote erreicht und in einen strukturieren Tagesablauf integriert werden.

Das will ich ausdrücklich noch einmal sagen – alle, die sich in der Materie auskennen, wissen das –: Die Arbeit ist der Kernbestandteil der Resozialisierung. – Das Bundesverfassungsgericht hat bei den Sicherungsuntergebrachten die Arbeit als geeignete Resozialisierungs- bzw. Handlungsmaßnahme anerkannt.

Sie wissen das doch bestimmt auch: Viele Untergebrachte wollen ohnehin arbeiten. Die Nachfrage nach Arbeit ist unter den Sicherungsverwahrten oft größer als das tatsächliche Arbeitsangebot. Vor dem Hintergrund der unbedingten Verpflichtung – –

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

(Hartmut Honka (CDU): Inhaltlich ist sie es schon!)

Das mache ich gleich.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schöner Versuch!)

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch einmal auf den Beschluss des Landgerichts Marburg eingehen. Meine Damen und Herren, da muss ich Ihnen ganz klar sagen, dass das wirklich – –

Kommen Sie wirklich zu Ihrem letzten Satz.

Ich komme jetzt zum Schluss meiner Rede. – Der Beschluss des Landgerichts Marburg, auf den Sie verwiesen haben, stellt doch wirklich einen Zirkelschluss dar. Denn dieser Beschluss verweist wiederum auf den Entwurf des

Landesgesetzgebers. Damit zu kommen, war absolut peinlich.

Insofern werden wir uns bei diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU: Ui!)

Frau Kollegin Hofmann, vielen Dank. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Frömmrich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Herr Kollege, bitte schön, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass man bei dieser Debatte ein wenig abrüsten sollte. Denn ich glaube, es verbindet uns da mehr, als uns trennt. Herr Kollege Honka hat das am Anfang seiner Rede gesagt: Es ist wirklich ein schwieriger Regelungsbereich, mit dem wir es hier zu tun haben. Deswegen sollte man da die Kirche im Dorf lassen.

Ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen der CDU, der FDP, der SPD und der GRÜNEN sind sich da in der Grundtendenz einig. Auch ich will das noch einmal betonen: Das, was Herr Kollege Wilken hier vorgetragen hat, ist in einer Art und Weise unverantwortlich, dass einem dazu fast nichts mehr einfällt. Wir haben es da mit schweren und schwersten Verbrechern zu tun. In dieser Art und Weise hinsichtlich dieser Personengruppe zu argumentieren und zu diskutieren, finde ich grob fahrlässig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das sind keine Verbrecher mehr! Herr Frömmrich, sie haben ihre Strafe abgesessen!)

Dann hat er auch noch gesagt, das eingesparte Geld könne man den Opfern und der Opferhilfe zur Verfügung stellen. Herr Kollege, das ist geradezu zynisch. Das muss ich wirklich am Anfang meiner Rede betonen.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns den Auftrag gegeben, bis spätestens zum 31. Mai 2013 die Sicherungsverwahrung neu zu regeln. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschriften des Strafgesetzbuchs über die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und die Vorschriften der Vollzugsgesetze der Länder für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Deshalb besteht Handlungsbedarf.

Wir reden jetzt nach der Durchführung der Anhörung in zweiter Lesung über den Gesetzentwurf der Landesregierung. Herr Minister, da das Bundesverfassungsgericht auch die Vollzugsgesetze der Länder für nicht verfassungsgemäß erklärt hat, will ich hier noch einmal darauf hinweisen, dass Herr Kollege Dr. Jürgens bereits in den Plenardebatten in den Jahren 2009 und 2010, als es um die Schaffung hessischer Vollzugsgesetze ging, darauf hingewiesen hat, dass das, was Sie vorgelegt haben, so nicht machbar ist und den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts so nicht standhalten wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Er sagte damals:

Herr Minister, als völlig unzureichend sehe ich übrigens Ihre Regelung über die Sicherungsverwahrung an, der Sie gerade einmal drei magere Paragrafen widmen. Das wird den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts aus meiner Sicht sicherlich nicht gerecht.

Herr Minister, ich wollte das hier nur noch einmal hinterlegen. Ich weiß, dass es vertane Liebesmühe ist. Trotzdem sage ich es. Herr Kollege Honka, vielleicht sollten Sie das eine oder andere Mal die Vorschläge der Opposition aufgreifen. Vielleicht sollten Sie sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Herr Kollege Honka, Sie müssen das einfach einmal feststellen: Mehrheit ist nicht Wahrheit. – Ich habe es Ihnen gerade zitiert. Selbst die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion haben einmal festgestellt, dass diese Art der reflexhaften Ablehnung der Vorschläge der Opposition Regierungsarroganz ist. Herr Kollege Honka, Sie sollten dieses Verhalten vielleicht einmal ablegen.

(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Herr Kollege Honka, ich habe während der ersten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt, dass wir den Vorschlägen vom Grundsatz her positiv gegenüberstehen. Das hat im Großen und Ganzen auch die Anhörung zu dem Gesetzentwurf ergeben.

Alle Bundesländer hatten eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich auf gesetzliche Grundlagen zur Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung verständigt hat. Das sollte der Festlegung gemeinsamer Standards dienen. Das zu machen war sinnvoll und richtig.

Wenn man den Gesetzentwurf neben die Gesetzentwürfe anderer Bundesländer legt, stellt man fest, dass der hessische Entwurf immer eine Nummer – so möchte ich es einmal sagen – härter und immer eine Nummer weniger liberal ausgestaltet ist, als es die Entwürfe anderer Bundesländer oder das Muster, auf das sich die Bundesländer geeinigt haben, sind. Das sage ich ausdrücklich in Richtung des Justizministers von der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

An drei Punkten will ich das deutlich machen.

Der erste Punkt wurde bereits vorgetragen. Dieser Einwand wurde von der Vereinigung Hessischer Strafverteidiger vorgebracht. Es geht um den Freigang. Dazu sagen sie, es sei möglich, das auf sechs Monate auszudehnen.

Der zweite Punkt ist die Nutzung des Außenbereichs. Ich zitiere hier einmal:

Während der Musterentwurf vorsieht: „Die Untergebrachten dürfen sich in den für sie vorgesehenen Bereichen der Einrichtung einschließlich der Außenbereiche frei bewegen“, …

ist der hessische Entwurf so: Ein Aufenthalt im Freien von mindestens einer Stunde täglich ist vorgesehen.

Daran sehen Sie, das ist in der Tat ein Unterschied.

Wir haben es hier nicht mit Strafgefangenen zu tun, sondern mit Personen, die sich in Sicherheitsverwahrung befinden. Das Bundesverfassungsgericht hat hier ausdrück

lich ein Abstandsgebot festgelegt. Die Therapie und auch die Möglichkeit, sie wieder in Freiheit zu entlassen, ist eine der großen Vorgaben, die hier erfüllt werden sollen.