Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Schaus, ich finde es noch viel bedauernswerter, dass das von Ihnen und der ganzen Opposition viel gescholtene Landesschulamt, das hier seinen ersten Beitrag geleistet hat, nicht gewürdigt wird.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie meinen die FDP-Kaderschmiede?)

So haben wir fast 50 Stellen, die zum Teil in doppelten Beratungsstrukturen gebunden waren, wieder umgewidmet und sie für die bereitgestellt, die sie eigentlich brauchen, nämlich für die Schulen, wo sie dem Kerngeschäft des Unterrichtens zugutekommen. Für uns gilt es nämlich, nicht den Apparat zu stärken, sondern den Unterricht. Das ist das, was uns von Ihnen unterscheidet.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD und der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wenn Ihnen das noch jemand glaubt!)

Kollege Schaus, die Menschen werden uns glauben, nicht Ihnen. Wir haben nämlich genau das umgesetzt, was wir den Menschen in Hessen versprochen haben. Unser Wort gilt in Hessen. Auf CDU und FDP können sich die Menschen verlassen. Wenn sie sich hingegen auf die Opposition verlassen, sind sie verlassen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben den Schulen eine erhöhte Stellenzuweisung gegeben. Daran lassen wir uns gern messen. Alles andere gilt es am 22. September zu verhindern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Döweling. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Habermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Döweling, ich muss Sie enttäuschen: Ich werde die Erste sein, die die Haare in der Suppe sucht.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Sie haben sich sehr auf diese Rede gefreut; das hat man schon im Ausschuss gemerkt. Aber, Herr Döweling, ich glaube, die Freude war etwas verfrüht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie haben mit zwei falschen Behauptungen begonnen. Sie haben nämlich gesagt, Sie hätten das alles bis zum heutigen Tage umgesetzt. Aber das, was Sie bis zum heutigen Tag umgesetzt haben, besteht darin, dass Sie einen Zuweisungserlass vorgelegt haben, in dem nicht von einer 105prozentigen Lehrerversorgung die Rede ist, sondern von einer im Landesdurchschnitt 104-prozentigen. Darüber, worin der große Unterschied besteht und was man mit einem Zuweisungserlass alles machen kann, reden wir jetzt, nicht aber über die scheinbaren Erfolge, die Sie vorzuweisen haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Es kommt … nicht so sehr auf die Zahl an. Die Eltern können mit [einer Lehrerversorgung von] 105,104 oder 108 % wenig anfangen, wenn vor Ort Unterricht ausfällt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Hans-Jür- gen Irmer (CDU): Mit Unterrichtsausfall haben Sie Erfahrung!)

Der Applaus war ein wenig früh. Meine liebe Fraktion, das ist zwar richtig, aber das erklärte Kultusministerin Beer den Medien am 01.06.2012 in erfrischender Offenheit, genau wissend, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann, wenn innerhalb eines Jahres zusätzliche 2.000 Stellen für die versprochene 105-prozentige Lehrerversorgung geschaffen werden sollen. Aus dem Wahlversprechen wurden damals eine Perspektive und die Zusage: Wir arbeiten daran.

Meine Damen und Herren, gearbeitet wurde in der Tat kräftig daran, mit dem Ablauf der Legislaturperiode zumindest auf dem Papier eine wundersame Stellenvermehrung für die hessischen Schulen vorzuweisen. 200 neue Stellen wurden mit dem Haushalt 2013/2014 beschlossen. Aber fast achtmal so viele Stellen sollen den hessischen Schulen im nächsten Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen. Es kommen noch die 115 Stellen für die Ganztagsschulen, die versprochen worden sind, hinzu und die 300 Stellen aus dem Sozialindex. Aus 200 Stellen werden 2.000.

Weder die demografische Rendite noch ausgelaufene Doppelbelegungen in der Oberstufe können dieses Wunder ausreichend erklären. Da müssen schon einige Rechentricks herhalten. Vorhandene Stellen werden als neue verkauft oder ihre Anrechnung umgewidmet.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Herr Döweling, wenn man bei der Grundunterrichtsversorgung kürzt, braucht man weniger Stellen, um auf plus 4 % zu kommen.

(Manfred Pentz (CDU): Holzapfel! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Bilinguale Schulen und Schulen mit besonderen Schwerpunkten bekommen in der Grundzuweisung weniger Stunden als zuvor und erhalten sie als Bestandteil der möglicherweise zusätzlichen 4 % zurück.

Herr Döweling, wer zunächst für ausgesprochene Schwerpunkte von Schulen zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellt, damit sie diese Aufgaben auch erfüllen können, muss ihnen erst einmal erklären, warum man etwas aus der linken Tasche herausnimmt, in die rechte Tasche hineinsteckt und dann erklärt: „Damit macht ihr jetzt aber auch individuelle Förderung, damit macht ihr Schulsozialarbeit, und damit setzt ihr das um, was die Landesregierung in ihrer Bildungspolitik versäumt hat.“ Das ist keine verlässliche Versorgung der Schulen. Das sind Taschenspielertricks.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Frau Kultusministerin Beer hätte bei ihrer ehrlichen Einschätzung bleiben und aus der Erfahrung von Kultusministerin Wolff lernen sollen. Deren Ankündigung, die Unterrichtsgarantie plus sei umgesetzt, führte zu einem Sturm der Entrüstung bei Eltern und Schulen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist albern!)

Denn die avisierten Wohltaten des Kultusministeriums – Herr Irmer, das wissen Sie ganz genau – kamen in den Schulen überhaupt nicht an, wo sie erwartet worden waren.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Deswegen hätten Sie bei Ihrer Aussage bleiben sollen. Die Prozentzahlen interessieren Eltern und Schulgemeinden tatsächlich nicht, solange sie nur auf dem Papier stehen und die Lehrerversorgung real nicht verbessern. Denn Ihre 105 %, die jetzt nur noch 104 % im Durchschnitt sind, beweisen zunächst nur, wie kreativ man mit einem Lehrerzuweisungserlass umgehen kann.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Stefan Mül- ler (Heidenrod) (FDP) und Peter Stephan (CDU))

Diese Landesregierung kommt daher wie ein Hütchenspieler,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU und der FDP)

der den Schulen zusätzliche Lehrerstellen zeigt und sie dann unter mehreren Hütchen verschwinden lässt. Welches Hütchen eine Schule dann auch anhebt, mit Verlaub: Plus 4 % wird sie in den seltensten Fällen unter diesen Hütchen finden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat niemals bestritten, dass Sie mit der Einstellung von 2.500 Lehrkräften Ernst gemacht und damit auch kleinere Klassen ermöglicht haben. Aber mit dem Versprechen von 105 % Lehrerversorgung haben Sie sich übernommen, und Sie haben Ihr Wort gebrochen. Die Hoffnung, dass die Schulen das erst so richtig merken, wenn die Wahl vorbei ist, ist trügerisch.

(Claudia Ravensburg (CDU): Fragen Sie in den Schulen! – Zurufe der Abg. Mario Döweling (FDP) und Manfred Pentz (CDU))

Wenige Monate vor Ende ihrer Amtszeit hat diese Landesregierung jetzt auch entdeckt, dass sie einen Sozialindex bei der Lehrerzuweisung versprochen hat. Die Indikatoren, die für die Berechnung zugrunde gelegt wurden, sind valide. Das ist richtig. Sie lagen auch lange Jahre in den Schubladen des Kultusministeriums verborgen, weil sie schon von Vorgängern von Frau Beer in Auftrag gegeben worden sind. 300 Stellen landesweit sind jedoch bestenfalls ein Einstieg. Ein Sozialindex bei der Lehrerzuweisung verpufft in seiner Wirkung, wenn man gleichzeitig die Zuweisung nach Klassenzahlen unverändert lässt und nicht auch die tatsächlichen Schülerzahlen mit einbezieht. Wir brauchen ein verändertes Zuweisungsverfahren – das ist auch das, was Frau Henzler den Schulen immer angekündigt hat –, das sich nicht allein auf die Klassenzahlen bezieht, sondern mit den Schülerzahlen und mit dem Sozialindex in die Grundzuweisung eingeht. Dann kommen wir auch in Hessen ein Stück weiter.

(Zuruf der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. In Offenbach sind die Klassen immer bis zur Höchstschülerzahl voll. Gleichzeitig haben sehr viele Offenbacher Kinder aufgrund der familiären Situation oder des Migrationshintergrundes besondere Förderbedarfe. Kleinere Lerngruppen, wie sie auch ohne Sozialindex in anderen Regionen möglich sind, und zusätzliche individuelle Fördermaßnahmen sind mit den avisierten 67,4 Stellen für Stadt und Kreis Offenbach zusammen unmöglich. Auch diese 67,4 Stellen sind zunächst nur auf dem Papier vorhanden. Für Stadt und Kreis Offenbach werden zum kommenden Schuljahr genau 139 Schüler und Schülerinnen weniger prognostiziert als 2012.

Wir sind eine der Regionen, die laut demografischer Prognose keine Schülerinnen und Schüler verliert, sondern wir werden im Gegenteil noch mehr bekommen. Aber gleichzeitig – bei zunächst 139 Schülern weniger – werden in der Grundunterrichtsversorgung, also zur Abdeckung der Stundentafel, 56,7 Lehrerstellen weniger zugeteilt.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist unglaublich!)

Statistisch kommt – man muss es jetzt einmal statistisch machen – damit auf 2,45 Schüler eine gestrichene Lehrerstelle in der Grundunterrichtsversorgung beim Schulträger Stadt und Kreis Offenbach.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Die bekommen die Schulen dann als Sonderzuweisung, genannt Sozialindex, zurück, etwas mehr. Hier erweist sich das Ganze als Mogelpackung. Meine Damen und Herren, insgesamt ist das, was Sie heute so loben, mehr Schein als Sein.

Sie möchte „davon weg, sich in Debatten ständig Statistiken um die Ohren zu schlagen“, hat die Kultusministerin etwas trotzig im vergangenen Jahr auf die Frage nach der Umsetzung der 105 % reagiert. Sie hat auch festgestellt: „Die Opposition wird es eh nie glauben.“ Da hat sie vollkommen recht. Es gibt nämlich keinen Anlass, das zu glauben, was hier verkündet wird. Aber ganz offensichtlich ist die statistische Botschaft am Ende dieser Legislaturperiode weiterhin wichtiger als Transparenz und ein wirklicher Einsatz für die Schulen in Hessen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN sowie des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im März 2012 habe ich der damaligen Kultusministerin Henzler in der Debatte bescheinigt, dass ich keinen Zweifel daran habe, dass die Landesregierung auf dem Papier darstellen kann, wie, ohne die notwendigen Lehrerstellen zu schaffen, am Ende 5 % mehr herauskommen. Meine Damen und Herren, dieser kreative Umgang mit Lehrerstellen ändert aber nichts daran, dass Sie hier wie in anderen Bereichen in der Bildungspolitik – bei der Inklusion, bei der Ganztagsschulentwicklung, bei der individuellen Förderung – Etikettenschwindel betreiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)