Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

Von mehreren Seiten ist auf die Anhörung Bezug genommen worden, in der es unterschiedliche Positionen gab. Was nicht gering zu schätzen ist, ist in der Tat der Auf

wand, der mit einem entsprechenden Klagerecht verbunden ist. Ob ein erhöhter Aufwand bedeutet, dass der Schutz der Tiere höher ist, das mag ich doch sehr bezweifeln.

Wir müssen auch konstatieren: Wenn der Eindruck erweckt wird, dass Tiere vollkommen ungeschützt seien, möchte ich doch in Ihre Erinnerung rufen – da werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen –: Es gibt ein deutsches Tierschutzgesetz. Dieses deutsche Tierschutzgesetz ist eines der strengsten in der Welt. Das heißt, ein Schutz der Tiere erfolgt durch einen gesetzlichen Rahmen, und nicht nur dadurch, sondern auch durch eine Beteiligung von Verbänden. Diese Beteiligung von Verbänden ist auch wichtig. Ich möchte das in dieser Form auch anerkennen und gar nicht gering schätzen.

Wenn ein Verbandsklagerecht nicht eingeräumt werden soll, dann heißt das nicht, dass damit eine ehrenamtliche Tätigkeit von Verbänden gering geschätzt würde. Hier sind Verbände in einem hohen Maße gefragt. Deshalb werden sie auch in vielen Bereichen eingeschaltet. Wir haben die Beteiligung der Tierschutzverbände teilweise auf der Bundesebene gesetzlich vorgeschrieben. Wir haben die Beteiligung der Verbände auf der Landesebene. Sie wissen, dass Tierschutzorganisationen in der Tierschutzkommission des Bundes mit vertreten sind. Sie entscheiden in der sogenannten §-15-Kommission mit den Behörden bei der Genehmigung von Tierversuchen. Sie beraten das Bundesministerium. Wir haben die Tierschutzbeiräte in den unterschiedlichen Bundesländern, auch bei uns im Land Hessen in beratender Funktion. Die beratende Funktion ist ausdrücklich gewünscht.

Insofern haben wir selbstverständlich gesetzliche Regelungen. Das ist kurz angesprochen worden. Die gesetzlichen Vorgaben sind z. B. bei Tierversuchen einzuhalten. Das ist in hohem Maße erforderlich. Das muss auch sein. Wir haben aber nicht nur die Hürden bei Versuchen, sondern wir haben z. B. auch eine funktionierende und gesetzlich vorgeschriebene Überwachung von Tierhaltungen.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die amtliche Überwachung im Sinne des Tierschutzes durch die entsprechenden Veterinärbehörden des Landkreises durchgeführt wird. Das heißt, das sind diejenigen, die sich die Situation, wie sie eben von Frau Hammann beschrieben wurde, ansehen – ja, ansehen müssen. Das habe ich bei einer anderen Gelegenheit schon einmal gesagt: Ich glaube nicht, dass ein Verbandsklagerecht notwendig ist, um die Veterinärbehörden vor Ort zu ihrer Arbeit zu zwingen, sondern die Veterinärbehörden vor Ort haben ein Interesse daran, ihre Arbeit gut und intensiv durchzuführen.

Wenn einer vor Ort in der Tat nicht kontrollieren würde, wenn er auf einen Missstand hingewiesen wird, dann hätte das disziplinarische Folgen, und das zu Recht. Deshalb würde die Einführung eines Verbandsklagerechts es nicht verbessern, wenn ein Vollzug schlecht wäre, sondern – ich wiederhole das – wenn es entsprechende Probleme gäbe, dann müssten die Konsequenzen im konkreten Fall gezogen werden, weil es inakzeptabel wäre, wenn jemand tatsächlich aufgrund einer Anzeige, eines Hinweises nicht tätig würde.

Deshalb möchte ich an der Stelle noch einmal bestärken – ich hatte es an anderer Stelle schon getan –: Dieses Klagerecht, das Sie haben möchten, bedeutet nicht, dass es besser wird. Das bedeutet erst recht nicht, dass es einfacher wird. Wenn z. B. mit beantragt wird, dass man auch bei

Baugenehmigungsverfahren ein Klagerecht haben soll, dass man Verwaltungsakte insgesamt beklagen kann, dann bedeutet das in der Tat eine Verlängerung und eine Erschwernis von Verfahren, aber keinen erhöhten Tierschutz.

Gerade wenn man sich unterschiedliche Planungsverfahren ansieht, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es nicht nur die Möglichkeit gibt, sondern auch die Pflicht, unterschiedliche Verbände anzuhören. Das geschieht im Moment, so wie es sein muss, auf der Basis, dass die entsprechenden Verbände oder Tierschutzkommissionen angehört werden, wie es gesetzlich vorgeschrieben wird.

Kurzum: Ja, die Bewertungen sind unterschiedlich, ob damit ein erhöhter Tierschutz erreicht wird. Was man aber nicht unterschiedlich bewerten sollte, ist, dass wir alle gemeinsam an dem Ziel, einen hohen Tierschutz zu haben, arbeiten, auch wenn der Weg, wie gesagt, durchaus unterschiedlich sein mag.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Frau Staatsministerin Puttrich. – Damit sind wir am Ende der zweiten Lesungen der Gesetzentwürfe angekommen.

Ich lasse jetzt unter Tagesordnungspunkt 5 a, in der vorgelegten Beschlussfassung, über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD über ein Gesetz zum Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzverbände, Drucks. 18/ 6729 zu Drucks. 18/4376, abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltung? – Bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der SPD gegen die Stimmen von CDU und FDP und bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich lasse jetzt

(Unruhe bei der CDU)

wenn die Herren zu meiner Rechten zuhören – unter Tagesordnungspunkt 5 b über den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über das hessische Tierschutzklagerecht und die Mitwirkungsrechte für anerkannte Tierschutzorganisationen, Drucks. 18/6730 zu Drucks. 18/4511, abstimmen, alles wiederum in der vorgelegten Beschlussfassung. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltung? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD mit Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und gegen die Stimmen von CDU und FDP ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Die Herren Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, dass die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Schaffung und Änderung hessischer Vollzugsgesetze, Tagesordnungspunkt 6, heute Nachmittag, nach dem Setzpunkt der SPD, stattfinden soll.

Bevor ich Sie in die Mittagspause entlasse, will ich noch darauf hinweisen, dass der Landtagspräsident jetzt in der Ausstellungshalle eine Ausstellung des Künstlerbundes Simplicius Hanau eröffnet. Bitte nehmen Sie an dieser Veranstaltung reichlich teil. Ich entlasse Sie jetzt bis 15 Uhr in die Mittagspause.

(Unterbrechung von 12:53 bis 15:00 Uhr)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, teile ich Ihnen Folgendes mit: Die Fraktion DIE LINKE zieht ihren Entschließungsantrag, Drucks. 18/7007, zurück. Das war Tagesordnungspunkt 35.

Eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend keinen Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit bei Amazon zulassen, Drucks. 18/7059. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 63 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 40 und 37 aufgerufen werden.

Außerdem eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Verhinderung der Diffamierung des Bundesverfassungsgerichts durch hessische CDU-Parlamentarier, Drucks. 18/7060. Wir die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 64. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 40 auf:

Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Müller (Schwalmstadt) , Roth (SPD) und Fraktion betreffend endlich Ordnung auf dem Arbeitsmarkt schaffen – für sichere und faire Arbeit in Hessen – Drucks. 18/7013 –

mit dem Tagesordnungspunkt 37:

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend faire Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter – bei Amazon und anderswo – Drucks. 18/7010 –

und Tagesordnungspunkt 63:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend keinen Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit bei Amazon zulassen – Drucks. 18/7059 –

Redezeit pro Fraktion zehn Minuten. Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Schäfer-Gümbel. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es eines Grundes bedurft hätte, über das Thema Ordnung am Arbeitsmarkt zu sprechen, dann wäre er spätestens mit der ARD-Dokumentation „Ausgeliefert!“ über die Arbeitsund Lebensbedingungen der Leiharbeiter bei Amazon in Bad Hersfeld geliefert worden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Lassen Sie mich gleich zu Beginn festhalten: Ausbeutung darf kein Geschäftsmodell sein. Auch deswegen ist es richtig, dass sich alle Fraktionen in Anträgen mit den offen

sichtlich bekannt gewordenen Zuständen bei Amazon beschäftigen und inzwischen – das will ich deutlich dazusagen – keinen Zweifel daran lassen, dass wir im Jahr 2013 nicht bereit sind, Zustände, wie sie dort ganz offensichtlich geherrscht haben, zu akzeptieren. Es ist nicht akzeptabel, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Firma über einen privaten Sicherheitsdienst bespitzelt und schikaniert werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist eine Angelegenheit auch des Strafrechts. Ich will das in aller Klarheit sagen, was diesen Teil angeht. Sicherlich sind die Bedingungen, die durch diese ARD-Dokumentation öffentlich geworden sind, auch ein Thema, das uns noch lange beschäftigen wird. Es ist aber auch die Spitze eines Eisbergs, weswegen es für uns nicht dieser Dokumentation bedurft hat, um das Thema Ordnung am Arbeitsmarkt hier aufzurufen.

Ich will daran erinnern, dass es insbesondere bei Amazon auch um ein zweites Thema geht, nämlich die Entlohnungsstrukturen. Ver.di kämpft derzeit sehr engagiert um die Aufnahme von Amazon in den Tarifvertrag des Einzelhandels, weil es nicht einzusehen ist, dass ein so großes Versandhaus nicht in der Lage ist, Tarifverträge einzuhalten, anders, als es jedes andere Unternehmen im Einzelhandel macht. Deswegen findet die dort geführte Auseinandersetzung auf zwei Ebenen statt. Es muss unser gemeinsames Interesse sein, dass sich ein Geschäftsmodell, das ganz dezidiert darauf ausgerichtet ist, teilweise hundsmiserable Lohnstrukturen zu nutzen – gerade bei Vertrieblern, Spediteuren und kleinen Versendern, aber selbst bei größeren Versandstrukturen –, eben nicht rechnet und nicht akzeptabel ist. Ausbeutung darf kein Geschäftsmodell sein.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Uns war es wichtig, diesen Tagesordnungspunkt hier im Plenum zu setzen, weil in den letzten Monaten seitens der Landesregierung konsequent versucht wird, das Bild zu stellen, dass mit dem hessischen Arbeitsmarkt alles in Ordnung sei. Es verwundert auch nicht, dass es angesichts der Situation bei Amazon zunächst zu einem Zuständigkeitswirrwarr in der Landesregierung kommt. Ich will daran erinnern, dass der Ministerpräsident am 17. Februar 2013 mit Blick auf Amazon erklärt hat, die Landesregierung sei hier nicht zuständig, werde aber sehr sorgfältig die weitere Entwicklung verfolgen. So weit, so gut.

Herr Grüttner hat das ebenfalls gesagt – bzw. ein Sprecher von ihm –, und zwar drei Tage vorher, am 14. Februar 2013. Er hat allerdings auch schnell gemerkt, dass der Druck hoch wird und sich dann erinnert, dass es da mindestens eine Abteilung in seinem Zuständigkeitsbereich gibt, nämlich den Arbeitsschutz, der sehr wohl für solche Arbeitsbedingungen zuständig ist. Deswegen hat er ihn auch dorthin geschickt. Das begrüßen wir ausdrücklich, Herr Grüttner, allerdings hätte Ihnen das auch schon zwei Tage vorher einfallen können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Grüttner, Herr Bouffier, hinsichtlich der Grundperspektive, die Sie bei diesem Thema haben – Ihr nachgeschobener Antrag macht das auch nicht besser –, macht dies deutlich, dass Sie noch immer nicht verstanden haben,

dass wir es, wenn wir über die Situation am Arbeitsmarkt reden, in der Tat mit zwei sehr unterschiedlichen Entwicklungen zu tun haben: erstens, der immer wieder und völlig zu Recht beschriebenen Perspektive, dass noch nie so viele Menschen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung waren wie heute. Es gibt aber gleichzeitig eine zweite Seite der Medaille: Inzwischen arbeiten mehr als 6 Millionen Menschen für weniger als 8 € in der Stunde, ein Viertel aller unter 35-jährigen Menschen hat noch nie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gearbeitet, und jede zweite Neueinstellung findet inzwischen befristet statt.

Deswegen sagen wir Ihnen: Sozial ist nicht, was Arbeit schafft, sondern sozial ist, was Arbeit schafft, von der man am Ende auch leben kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Grüttner, Herr Bouffier, wir begrüßen es sehr, dass Sie es nach einer Woche Erkenntnisaufbau geschafft haben, den Arbeitsschutz zu beauftragen. Wir wären allerdings sehr an den Ergebnissen interessiert. Wenn Sie formulieren lassen, dass es ein langes, offenes und deutliches Gespräch mit der Geschäftsleitung von Amazon gegeben habe, wären wir nach dem, was in den letzten 14 Tagen öffentlich diskutiert worden ist, sehr daran interessiert, zu erfahren, was Sie mit der Geschäftsleitung von Amazon besprochen haben.

Bevor ich zu einem anderen Thema komme, möchte ich noch zwei Bemerkungen zum Antrag von CDU und FDP machen. Sosehr ich es begrüße, dass Sie sich in den ersten Abschnitten endlich einmal mit einem solchen Thema beschäftigen, versuchen Sie das, was Sie vorne beschreiben, gleich wieder mit Ihrem Verweis auf das Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz abzuräumen, so wie es die beiden Koalitionsfraktionen eingebracht haben.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist ja wohl lächerlich!)

Sehen Sie, genau Amazon – nicht bezogen auf das Mittelstandsförderungsgesetz, weil das wenig betroffen ist, Herr Reif – beweist, dass man Kontrolle braucht, wenn man vorher Regeln gesetzt hat. Das ist der Kernknackpunkt Ihres Gesetzes: Erstens ist der Wirkungsbereich Ihres Gesetzes sehr klein, und zweitens geben Sie in Ihrem Gesetzentwurf null Komma null Antwort darauf, wie Sie die sehr geringe Reichweite kontrollieren wollen.

Wir sagen sehr klar: Wo Maßstäbe gesetzt werden, wo Regeln gesetzt werden, müssen sie auch kontrolliert werden. Amazon ist ein Paradebeispiel dafür, dass mit besserer Kontrolle solche Zustände verhindert werden können.