Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Es ist dann Ihre Aufgabe, die Ministerin zu entlassen. Was soll in diesem Land noch passieren, bis politische Verantwortung übernommen wird?

(Anhaltender Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Kollege Schmitt, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Sürmann. Er spricht für die FDP-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Es ist alles bestens! Was wollt ihr eigentlich!)

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, das Thema ist ernst genug. Man muss da nicht anfangen, das ins Lächerliche zu ziehen.

(Günter Rudolph (SPD): Weiß Gott!)

Ich glaube, dass das, was Herr Schmitt hier vorgetragen hat, gesellschaftstechnisch nicht haltbar ist.

(Zuruf von der SPD: „Gesellschaftstechnisch“!)

Was wäre denn passiert, wenn das Moratorium nicht ausgerufen worden wäre und die Länder, in denen die alten Atomkraftwerke liegen, nicht das vollzogen hätten, was parteiübergreifend und fraktionsübergreifend in Berlin Konsens war? Was wäre denn passiert, wenn das nicht umgesetzt worden wäre?

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Atomkraftwerke, insbesondere das in Biblis, wären weitergelaufen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie hätten sich hierhin gestellt und gesagt: Hessen ist das einzige Land, das nicht in der Lage und nicht fähig ist, diesen politischen Willen durchzusetzen, auch wenn es das Risiko einer juristischen Auseinandersetzung gibt. – Liebe Leute, es war doch vorher klar, dass diese juristische Auseinandersetzung mit RWE kommen würde. RWE hatte es angekündigt. RWE hat ihr Recht wahrgenommen. Sie hat davon Gebrauch gemacht. Das kann man gut oder schlecht finden. Man kann sie jetzt aber nicht verurteilen und sagen: Sie haben ihr Recht wahrgenommen. – Das Risiko sind alle Parteien in Berlin eingegangen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Viel mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Es ist unredlich, unschön und charakterlich miserabel, herzugehen und zu sagen: Jetzt soll die Ministerin zurücktreten, die den gesellschaftlichen Konsens umgesetzt hat. – Dabei wusste jeder, dass da ein Risiko besteht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich war derjenige, der möglicherweise als Einziger noch gesagt hat: Da wird sich noch ein Problem ergeben. – Jetzt haben wir das Problem. Jetzt werden wir damit auch vernünftig umgehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Es wird immer besser!)

Herr Kollege Sürmann, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Al-Wazir, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Frau Puttrich, Sie fangen jetzt langsam an, mir leid zu tun. Denn wenn das Ihre Verteidiger sind, dann braucht es kaum noch Angreifer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das, was da gestern beschlossen wurde, ist ein Desaster. Man kann es nicht anders ausdrücken. Wir sind jetzt in die Situation gekommen, dass dem Land Hessen Schadenersatzzahlungen drohen. Ich sage ausdrücklich: drohen. Schadenersatzzahlungen drohen in Höhe von bis zu 187 Millionen €. Das ist eine katastrophale Nachricht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist noch nicht sicher, ob es zu diesen Schadenersatzzahlungen kommen wird. Es ist auch noch lange nicht sicher, ob die Höhe, die RWE angemeldet hat, wirklich in dieser riesigen Dimension Realität werden wird.

Ich finde schon, dass man sich in einer solchen Situation Gedanken darüber machen muss, wie es eigentlich dazu kommen konnte. Dazu will ich Ihnen sagen: Sie sind Opfer Ihrer eigenen bösen schwarz-gelben Tat geworden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch sagen, warum das der Fall ist. Es gab im Jahr 2001 einen sogenannten Atomkonsens. Gerade meine Partei musste sich für den Konsens mit diesen vier Unternehmen sehr beschimpfen lassen. Vielleicht haben manche, die damals geschimpft haben, jetzt verstanden, warum es besser war, einen solchen Konsens zu finden und das dann in das Atomgesetz zu schreiben. Denn in diesem Fall war das Risiko der Schadenersatzzahlungen nicht vorhanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Schwarz-Gelb diesen Konsens akzeptiert hätte, dann wäre das Atomkraftwerk in Biblis im Jahr 2011 überhaupt nicht mehr am Netz gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denn RWE hat auf Zeit gespielt. Ab dem Jahr 2002 hat RWE auf Zeit gespielt. Es hat künstliche Stilllegungen vorgenommen, um die Reststrommenge nicht aufbrauchen zu müssen. Es hat dann in der Zeit der Großen Koalition die Dauer der Revisionen immer länger gemacht. Denn sie haben gehofft, dass Schwarz-Gelb die Wahl gewinnt. 2009 hat Schwarz-Gelb die Wahl gewonnen.

Sie haben dann einen zweiten riesigen Fehler gemacht. Sie haben nicht nur den ersten riesigen Fehler gemacht, den Konsens nicht zu akzeptieren. Sie haben einen zweiten Fehler gemacht. Sie haben den Ausstieg dann rückgängig gemacht.

Wenn Sie dies nicht getan hätten, dann wäre das Atomkraftwerk Biblis am 18. März 2011 rechtssicher stillgelegt gewesen. Denn dann wäre die Reststrommenge nach dem Atomgesetz aufgebraucht gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Janine Wissler und Her- mann Schaus (DIE LINKE))

Das heißt, das Problem, das jetzt allen hessischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern droht, wäre überhaupt nicht entstanden, wenn Schwarz-Gelb den Atomkonsens akzeptiert hätte.

Drittes Problem. Natürlich waren wir am 11. März 2011 allesamt der Meinung, das Unglück in Fukushima muss Konsequenzen haben. Frau Puttrich, wobei ich einen Widerspruch anmelden muss: Da ist nicht etwas passiert, was alle vor dem Unglück in Fukushima für unmöglich gehalten haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Richtig!)

Da ist etwas passiert, was Sie vor dem Unglück in Fukushima für unmöglich gehalten haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Willi van Ooyen und Her- mann Schaus (DIE LINKE))

Ich meine mich zu erinnern, dass es an dem Montag – das müsste dann der 14. März 2011 gewesen sein – oder spätestens am Dienstag ein Treffen in Berlin gab, bei dem auch der Ministerpräsident anwesend war.

Jetzt ist die spannende Frage: Warum reden Sie von „verbindlichen Vorgaben“ des Bundesumweltministeriums? Das Atomgesetz ist da relativ eindeutig. Es gibt auch die Möglichkeit einer bundesaufsichtlichen Weisung.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Die hat es offensichtlich nicht gegeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der SPD: Oh!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die spannende Frage ist jetzt: Was hat eigentlich der Ministerpräsident des Landes Hessen in den Gesprächen mit der Bundeskanzlerin eingefordert? Ist denn da jemals über das Risiko – ich spreche jetzt von den materiellen Fragen des Atomrechts – möglicher Schadenersatzzahlungen geredet worden? Hat der Ministerpräsident darauf bestanden, dass eine solche bundesaufsichtliche Weisung kommt oder nicht? Diese Frage wird gegebenenfalls zu klären sein. Vielleicht kann Herr Bouffier sie auch gleich beantworten.

Was aber Ihre ureigene Verantwortung anbetrifft, muss ich sagen, da bin ich gestern wirklich negativ überrascht wor

den. Der Verwaltungsgerichtshof bezeichnet dieses Moratorium aus zwei Gründen als rechtswidrig, und zumindest einer dieser Gründe ist Ihr Fehler.

Dass ein materielles Problem besteht und wir uns da auf dünnem Eis befinden, das wussten wir vorher; deswegen die Frage nach der Aufsicht. Dass aber der Verwaltungsgerichtshof sogar sagt, die Weisung war aus formellen Gründen rechtswidrig, weil auf die Anhörung verzichtet wurde, das – Frau Puttrich – ist Ihre ureigene Verantwortung.