Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich stelle fest, dass wir es beim KiföG mit einem Gesetzentwurf zu tun haben, der, wenn er Gesetz würde, der Qualität der frühkindlichen Bildung auf breiter Front und in vielen einzelnen Aspekten Schaden zufügen würde.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Unsinn! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Dazu werde ich nachher en détail etwas sagen. Ich stelle weiter, und zwar mit Freude, fest, dass dies Tausende und Abertausende von Menschen sehen und dass wir es deswegen seit Monaten mit einer ständig anwachsenden und an Intensität und Kreativität zunehmenden Protestwelle gegen dieses Gesetz zu tun haben. Ich sage Ihnen voraus, dass diese Protestwelle bis zur Verabschiedung und über die Verabschiedung hinaus bestehen bleiben wird.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Es ist nämlich nicht so, dass all diese Tausenden und Abertausenden von Menschen – Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Träger von Einrichtungen und die Wohlfahrtsverbände – einfach alles falsch verstanden hätten, was Sie mit diesem Gesetz bewirken wollten und was Sie mit diesem Gesetz tatsächlich bewirken werden.

Meine Damen und Herren, Ihr Problem ist doch, dass diese Menschen Sie nur zu gut verstanden haben. Das ist der Punkt in dieser Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Kommen Sie doch einmal zu den Fakten!)

Sie glauben doch selbst nicht, Herr Kollege Müller, dass der Protest deswegen so breit verankert und so intensiv und lautstark ist, weil wir von der SPD oder irgendjemand anderes auf der SPD-Seite die Leute verhext hätten.

(Günter Rudolph (SPD): Schön wäre es, wenn das so einfach ginge!)

Unsere Stellungnahmen beruhen ausschließlich auf dem, was uns aus diesen Personenkreisen gesagt wurde, auf nichts anderem. Selbst wenn wir zu Allmachtsfantasien neigen würden, wozu ich gewiss nicht neige, so viel Kraft hätten wir nicht, um all diese Leute auf die Bäume zu bringen, auf denen sie jetzt sind, und zwar vollkommen zu Recht sind.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Es ist nur so, dass unsere Lesart dieses Gesetzes von den meisten Menschen, die es gelesen haben, geteilt wird – außer von den Kolleginnen und Kollegen auf dieser Seite des Hauses und noch ein paar anderen, zu denen ich aber nachher noch komme.

Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist, dass Sie ein schlechtes Gesetz gemacht haben, dass Sie die Probleme, die dieses Gesetz verursacht, nicht sehen wollen und dass Sie vor allem vollkommen unterschätzt haben, dass sich die betroffenen Eltern und Erzieherinnen nicht für dumm verkaufen lassen, sondern vielmehr enttäuscht und verbittert darüber sind,

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Meine Güte!)

dass das bisschen Fortschritt, den es durch die Mindestverordnung gegeben hatte, nun durch dieses Gesetz wieder gefährdet wird, jedenfalls in der Realität in den Gruppen und Einrichtungen.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Haben Sie einmal in das Gesetz geschaut?)

Weil das alles so ist, sind Sie mit diesem Gesetzentwurf heillos in die Defensive geraten. Alle Versuche, aus dieser Defensive wieder herauszukommen, sind untauglich geblieben und werden es auch bleiben. Das betrifft auch die vielen mittlerweile kursierenden Widerlegungsversuche nach dem Richtig-Falsch-Muster. Auch dazu werde ich nachher etwas sagen.

Das betrifft die Versuche, Träger und Einrichtungen einzuschüchtern. Das betrifft auch den Brief des Ministers an alle Einrichtungen und Elternvertretungen. Ich finde es übrigens einen interessanten Vorgang, dass der Minister als Minister einen Brief auf Staatskosten an alle Einrichtungen und Elternvertretungen schreibt, um einen Gesetzentwurf zu verteidigen, den er selbst nicht eingebracht hat und selber auch gar nicht einbringen wollte. Ich nenne das Parteipropaganda auf Staatskosten, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren insbesondere von der CDU, das betrifft auch die unsägliche Diffamierung der Verbände der Wohlfahrtspflege, der wesentlichen Träger der Jugend-, Sozial- und Gemeinwesenarbeit in diesem Land als Desinformierer. Nicht diejenigen, die einhellig und übrigens differenziert Kritik an diesem Gesetzentwurf üben, sind die Geisterfahrer. Meine Damen und Herren, Sie sind die Geisterfahrer.

Herr Kollege, Sie müssten zum Ende kommen.

Sie werden aus der Defensive und aus der Sackgasse nur herauskommen, wenn Sie diesen Gesetzentwurf zurückziehen. Aber auch darüber reden wir nachher. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Keiner hat irgendwelche Panikattacken.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na denn!)

Keiner braucht eine Befürchtung im Hinblick auf die Auseinandersetzung und die Diskussion um ein Kinderförderungsgesetz zu haben. Es muss deshalb nicht sein, weil das Gesetz, das die Fraktionen von CDU und FDP in den Hessischen Landtag eingebracht haben, ein gutes Gesetz ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Es ist ein gutes Gesetz, das die Qualität der Kinderbetreuung in Hessen voranbringen wird. Es ist ein gutes Gesetz, weil deutlich mehr Geld in das System der Kinderbetreuung implantiert wird. Es ist ein gutes Gesetz, weil dieses Geld den Kindern unmittelbar zukommt.

An dieser Stelle braucht man keine Panikattacken. Natürlich ist es eine Frage der Information, ob ich jetzt Eltern in einer Kindertagesstättengruppe von politischen Parteien, von Fraktionen aus erkläre: „Sie haben ein massives Problem, weil ihre Gruppen immer größer werden, wenn das umgesetzt wird“, und Eltern an dieser Stelle sagen: Um Gottes willen, das will ich nicht. – Das verstehen wir auch. Diese Behauptung hat aber überhaupt keinen Hintergrund. Wenn Sie dieses Gesetz einmal richtig lesen würden wollen

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Würden wollen!)

ich sage ganz bewusst: würden wollen –, dann würden Sie auch feststellen, dass es eine 1:1-Übertragung der Kriterien und Standards der bisherigen Mindestverordnung in dieses Gesetz gibt.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie würden an dieser Stelle auch feststellen, dass die Standards, die übertragen worden sind, sogar noch verbessert worden sind, beispielsweise in der personellen Ausstattung durch die erstmalige Verankerung von Ausfallzeiten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Um das einmal zu verdeutlichen: Sie kommen immer wieder und sagen: Ah, da werden die Gruppen grauenvoll vergrößert. Dann können nach diesem Gesetz 16 Kinder unter drei Jahren in einer Gruppe sein.

(Gerhard Merz (SPD): Das sage nicht nur ich!)

Herr Merz, ja, es ist richtig. Es ist auch vollkommen lebensnah, dass es Kindertageseinrichtungen gibt, die ausschließlich Kinder im Alter von zwei Jahren und einem Tag und Kinder von zwei Jahren und 364 Tage in einer Gruppe haben. Das ist richtig lebensnah.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wissen es doch!)

Nein, das sind exakt die Kriterien, die erfüllt sein müssen, um diese 16er-Gruppe, mit der immer wieder hantiert wird, Realität werden zu lassen. Was Sie an dieser Stelle nicht sehen, ist: Wenn es wirklich eine solche Gruppe geben würde, dann müssten auch 3,2 Erzieher plus 15 %, das sind 3,8 Erzieher, in dieser Gruppe sein, und Sie hätten damit einen Betreuungsschlüssel von 1 : 4,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

einen Betreuungsschlüssel, den es ansonsten in diesem Land noch gar nicht gibt. Das gehört zur Wahrheit dazu, wenn Sie das sagen. Sie müssen immer auch das Personal mit sehen und nicht nur die Fragestellung einer rein theoretischen, nicht realistischen Ebene. Das ist eine rein theoretische Gruppe. Wenn Sie sich hinstellen und sagen, die Gruppen würden größer, und dieses Beispiel machen, streuen Sie den Menschen Sand in die Augen. Sie machen es aus politischem Impetus und nicht aus einer sachlichen Aufklärung heraus.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

An dieser Stelle können wir noch relativ viel sagen. Weil es an dieser Stelle notwendig ist, dass auch Erklärungen da sind, finde ich es vollkommen in Ordnung, dass sich dann ein Familienminister an Eltern wendet. Er hat sich nicht an Einrichtungen gewendet. Er hat sich an Eltern gewendet. Da ich die Eltern nicht kenne, habe ich das über die Einrichtungen getan. Das ist auch richtig, weil die Eltern ein Anrecht darauf haben, informiert zu werden,

(Zurufe von der SPD)

was in Zukunft in Kindertageseinrichtungen an Qualität vorhanden ist. Genau an dieser Stelle ist die Information auch richtig.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

An diesem Punkt ist es schlicht und einfach eine Fragestellung, die Ihnen halt nicht mehr gefällt. An dem Punkt werden wir uns intensiv auseinandersetzen müssen. Ich werde nachher noch einmal verdeutlichen, wenn wir etwas mehr Zeit haben, wie viele Schreiben ich möglicherweise auch aus Frankfurt, aus Gießen, aus Friedberg, aus Witzenhausen, aus Michelstadt, aus Offenbach, dem Kreis und der

Stadt, mit der Bitte bekommen habe, dass Fachkräfte zur Mitarbeit in diesen Kindertagesstätten eingesetzt werden.

Herr Staatsminister, ich möchte Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern.