Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Deshalb sagen wir: Wir sind für gleiche Lebensbedingungen in Deutschland und auch in Europa, und für eine gerechte Wirtschafts- und Sozialpolitik. Deshalb sind diejenigen, die Ihren unsinnigen Antrag ablehnen, nicht etwa hessische Vaterlandsverräter, sondern – im wahrsten Sinne – Patrioten.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU)

Schönen Dank, Herr van Ooyen. Das war eine Punktlandung.

(Horst Klee (CDU): Nur mit Blick auf die Zeit war das eine Punktlandung!)

Für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Schäfer-Gümbel, das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Lieber Herr Dr. Wagner, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für die ersten vier Minuten Ihres Beitrags, weil er noch einmal deutlich gemacht hat, was eigentlich die verfassungsrechtlichen Grundlagen, aber auch ihre Ausformungen in Form des LFAs sind. Ich hätte mir gewünscht, dass das in den letzten Wochen deutlicher geworden wäre.

Gleichzeitig – das beweist der zweite Teil Ihrer Rede, der etwas länger war – ist der Länderfinanzausgleich ein in der Tat kompliziertes Thema, und er eignet sich deswegen, missbraucht zu werden. Ich glaube, dass das in diesen Tagen passiert.

Deswegen will ich gleich an den Anfang stellen: Das eigentliche Problem Hessens ist nicht der Länderfinanzausgleich.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie negieren das!)

Das eigentliche Problem ist dies – ich habe beim Präsidenten angemeldet, dass ich das hochhalten werde –, Herr Dr. Wagner:

(Der Redner hält eine Grafik hoch. – Günter Ru- dolph (SPD): Was steht denn da?)

Da steht: 96 % plus Schulden unter Schwarz-Gelb in den letzten 14 Jahren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Ihr eigentliches Problem. Sie haben es geschafft, in 14 Jahren Regierungsverantwortung die Staatsverschuldung dieses Landes zu verdoppeln.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wegen des Länderfinanzausgleichs! Ohne den Länderfinanzausgleich hätten wir keine Schulden machen müssen!)

Sie haben aber noch mehr geschafft, und deswegen habe ich eine zweite Grafik mitgebracht, Herr Dr. Wagner. Es gibt noch etwas, das viel interessanter ist. Sie haben es gleichzeitig geschafft, in diesen 14 Jahren die Ausgaben nach Länderfinanzausgleich um 42 Prozentpunkte zu erhöhen.

(Günter Rudolph (SPD): Ah!)

Das scheint mir ein bisschen aussagekräftiger für das Haushaltsproblem zu sein, das das Land Hessen hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Der Länderfinanzausgleich ist nicht das zentrale Problem des Landes Hessen, ganz im Gegenteil, Herr Dr. Wagner, ich will es ganz klar sagen.

(Holger Bellino (CDU): Wir mussten Aufräumarbeiten leisten! Das war der Investitionsstau, den Sie hinterlassen haben!)

„Die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich waren aus Sicht des Landes Hessen extrem erfolgreich.“ „Das Ergebnis der Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich war ein weitgehender Erfolg für das Land Hessen und den Gestaltungsraum der Landespolitik.“ „Der Länderfinanzausgleich ist für unser Hessenland ein unerwartet positives Ergebnis.“ – Diese Bemerkungen stammen allerdings alle

nicht von mir, sondern im ersten Fall von Karlheinz Weimar, ausgesprochen am 26. Juni 2001 im „Darmstädter Echo“. Das zweite Zitat stammt aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 25. Juni 2001 und ist vom ehemaligen Ministerpräsidenten Koch. Das letzte Zitat ist vom heutigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Jörg-Uwe Hahn aus derselben Zeitung.

(Holger Bellino (CDU): Alles gute Leute!)

Ich könnte mit weiteren Zitaten unterstreichen, wie sehr Sie die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich gelobt und gefeiert haben. Ich will es an einer Stelle auf die Spitze treiben, jenseits dessen, was Roland Koch damals gesagt hat, dass wir durch den ausgehandelten Kompromiss bis zu einer Viertelmilliarde Mark sparen werden. Aber das politisch brisanteste Zitat ist das, glaube ich, das Roland Koch in der „Leipziger Volkszeitung“ vom 25. Juni ausgesprochen hat:

Mit dem neuen Solidarpakt ist der von mir gewünschte Kurswechsel vorgenommen worden. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird künftig stärker im Länderfinanzausgleich berücksichtigt. Wer aus eigenem Verschulden seine Wirtschaft schädigt, beispielsweise im Zusammenspiel mit der PDS, hat nicht mehr den Anspruch, dass andere diesen Schaden decken. Jeder ist ab sofort für sein Handeln verantwortlich. Das ist der neue Tarif, das wollte ich. Dass ich den Geldhahn habe zudrehen wollen, ist Quatsch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit wird deutlich, dass der Länderfinanzausgleich in der Form, wie er heute wirkt, Ihr Erfolgsprojekt war.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es gefeiert, Sie haben es ausgehandelt. Deswegen machen Sie gerade das, was Sie besonders gerne machen: Sie klagen gerade gegen sich selbst. Das kennen wir vom Flughafen und von manch anderen Themen. Sie klagen gegen sich selbst und gegen das, was Sie vor wenigen Jahren noch selbst gefeiert haben, was Sie ausgehandelt haben.

Deswegen geben wir Ihnen im Rahmen eines Antrags die Möglichkeit, heute festzustellen, dass das, was Ihre Regierung im Bundesrat unter Roland Koch beschlossen hat, nicht verfassungswidrig war. Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich in der Abstimmung verhalten.

(Lachen bei der CDU – Wolfgang Greilich (FDP): Da will einer ablenken von seinem eigenen Stimmverhalten!)

Allerdings will ich zweitens sagen, Herr Dr. Wagner: Auch wir wollen so viel wie irgend möglich von dem, was hier erwirtschaftet wird, in der Landeskasse behalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das glaubt Ihnen keiner!)

Deswegen will ich Sie an etwas Zweites erinnern. Ich habe es heute Morgen schon einmal gesagt: Die Gegnerbeobachtung scheint im Moment nicht ganz so gut zu funktionieren. Am 3. November 2009 haben wir im Hessischen Landtag eine Drucksache eingebracht, die auch verhandelt worden ist, in der wir ausdrücklich die Landesregierung aufgefordert haben, mit dem Ziel eines gerechteren Län

derfinanzausgleichs zu verhandeln. Wir haben Sie in Punkt 2 ausdrücklich aufgefordert, dass Sie, wenn die Verhandlungen, die Sie damals angekündigt haben, nicht unverzüglich zu Ergebnissen kommen, binnen zwölf Monaten Klage einreichen sollen.

(Zurufe von der CDU: Wir tun es jetzt!)

Binnen eines Jahres, und der Antrag ist vom November 2009. – Ich werde gleich noch dazu kommen, weil es vielleicht etwas mit Ihrer taktischen Aufstellung zu tun hat und damit, wie redlich Ihr Projekt der Klage gerade gemeint ist.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ist das vielleicht die Begründung für Ihre Zustimmung?)

Deswegen habe ich Ihnen noch einmal gesagt, wir hätten gerne von Ihnen gewusst, wie Sie das Klagerisiko bewerten, beispielsweise – Herr Dr. Wagner hat es nicht angesprochen, Willi van Ooyen sehr wohl – wie es ist mit der 100-%-Bewertung der Kommunen, was eine der drohenden Gefahren ist vor dem Hintergrund dessen, was das Bundesverfassungsgericht beim letzten Mal geurteilt hat.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ich habe das voll und ganz angesprochen!)

Ich will das übersetzen für alle Hessinnen und Hessen: Wenn das Bundesverfassungsgericht bei der Klage zu dem Ergebnis käme, das im alten Urteil angelegt war, dass wir zu 100 % bewerten müssen, dann heißt das am Ende

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das habe ich doch erklärt!)

500 Millionen € mehr im Länderfinanzausgleich pro Jahr. Sie haben bis heute nicht erklärt, Herr Dr. Wagner, auch nicht Herr Schäfer, auch nicht der Ministerpräsident, wie Sie mit diesem Klagerisiko umgehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie wollen nicht klagen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Dr. Wagner, Sie haben übrigens bis heute kein Konzept vorgelegt, wie Sie den Länderfinanzausgleich neu regeln wollen. Wir haben das hier mehrfach eingefordert. Wir haben gesagt, wir wollen erstens wissen: Wie bewerten Sie das Klagerisiko?

Zweitens haben wir gesagt, wir wollen von Ihnen wissen: Wo soll die Reise hingehen? – Denn wir werden Ihnen keinen Persilschein ausstellen für Ihre Klageaktivitäten angesichts Ihrer Klagefähigkeiten, über die wir heute Morgen schon diskutiert haben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Er will sich drücken!)

Damit komme ich zur vorletzten Bemerkung. Wir zahlen heute in den Länderfinanzausgleich weniger als 1995. Das hat etwas – Herr Dr. Schäfer hat das in der Fragestunde ausgeführt – mit dem Zurückgehen der Finanzkraft des Landes zu tun, was im Übrigen das zweite große Problem des Landes ist. Die Finanzkraft des Landes schwindet.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Das hat offensichtlich etwas mit der Finanzmarktkrise zu tun, mit ein paar Sondereffekten und unter Umständen auch mit Ihrem politischen Handeln. Deswegen ist Ihr Verweis auf mögliche Solidarleistungen und Sozialleistungen

in Rheinland-Pfalz, Stichwort: gebührenfreie Kitas, ein bisschen falsch, weil Rheinland-Pfalz nach Länderfinanzausgleich am Ende immer noch weniger Geld hat als Hessen.