Frau Wolff, wenn Sie schon dafür sorgen, dass es für Kommunen so schwierig ist, Sportplätze zu erhalten, dann macht es keinen Sinn, dass es auch Sportler gibt; denn so existiert ein Mangel. Das ist genau das, was Ihre krachend gescheiterte Schulreform, bekannt unter dem Namen G 8, verursacht hat.
Eine Generation von Schülern hat keine Zeit mehr, sich im Sport zu engagieren – weder aktiv noch als Betreuerin oder Betreuer. Denn wer denselben Stoff in kürzerer Zeit bewältigen muss, der muss nicht nur nachmittags Unterricht besuchen, der muss auch erheblich mehr lernen – und das in jüngeren, aber sportlich entscheidenden Jahren. Wie die freiwilligen Leistungen der Kommunen bleiben bei den Kindern im Zweifel die freiwilligen Engagements insbesondere im Sportverein oder in der Musik auf der Strecke. – Meine Damen und Herren, G 8 war ein gigantischer Plan zur Vernichtung des Jugendlichensports.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Hermann Schaus (DIE LINKE) – Zuruf von der CDU)
Die Chance, schulische Nachmittagsangebote mit den Sportkreisen und -vereinen zu etablieren, sodass die Kinder wenigstens über solche die Möglichkeit haben, aktiv Sport zu treiben, hat Ihre Regierung auch nicht geschafft. Das haben Sie schön der lokalen Ebene überlassen: Wo es klappt, klappt es, und wo nicht – Pech gehabt.
Herr Minister, dass der Sport aber auch eine überragende soziale und ganz besonders integrierende Funktion hat, wissen Sie, das haben Sie gesagt. Dafür aber auch funktionierende Bedingungen zu schaffen, dazu sind Sie nicht bereit. Möglicherweise hat das viel weniger mit Ihnen selbst als vielmehr mit Ihrem Vorgänger, dem Herrn Ministerpräsidenten, zu tun.
Meine Damen und Herren, ich fiel fast vom Glauben ab, als Volker Bouffier der besten deutschen Fußballnationalmannschaft seit 20 Jahren – gespickt mit großartigen Spielern mit Migrationshintergrund – vorgeworfen hat, dass nicht alle die deutsche Nationalhymne singen würden bzw. nicht laut mitgesungen hätten.
Meine Damen und Herren, dass die siegreichen Spanier alle nicht laut mitgesungen haben, weil ihre Hymne gar keinen Text hat, das haben Sie wohl vergessen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Judith Lannert (CDU): Das ist etwas ganz anderes! – Minister Boris Rhein: Wir haben doch einen Text!)
Ja, Herr Rhein, wir haben einen Text, wir haben einen Hymnentext. – Aber das war eine der unbedachtesten und gefährlichsten Aussagen, die ich je in diesem Zusammenhang von einem führenden Politiker einer demokratischen Partei gehört habe.
In dieser Mannschaft haben deutsche Spieler mit Migrationshintergrund wie Mesut Özil oder Sami Khedira herausragende Rollen. Sie spielen schönen und erfolgreichen Fußball für Deutschland, weil sie sich dafür entschieden haben, für Deutschland zu spielen.
Keiner hat sie dazu gezwungen, Herr Reif, im Gegenteil. Es gibt viele andere Spieler mit Migrationshintergrund, die ihren Eltern und Familien zuliebe für deren Herkunftsländer und eben nicht für Deutschland spielen. Mesut Özil ist aber der erste türkischstämmige Fußballer, der eine herausragende Rolle in der deutschen Nationalmannschaft spielt. Er wird nicht der letzte sein; denn da werden noch viele folgen. Aber nur dann, wenn wir ihnen zeigen und sagen, dass sie dazugehören, und sie eben nicht ausgrenzen.
Denn genau das tut Herr Bouffier, wenn er in der Hoffnung auf Zustimmung von rechts Spieler mit Migrationshintergrund kritisiert, die die deutsche Hymne nicht laut mitsingen. Sie sagen denen: Ihr gehört nicht dazu, wenn ihr nicht genau das macht, was wir so machen. – Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass Sie sich weiterhin gegen eine Mehrstaatlichkeit für junge Deutsche mit Migrationshintergrund wenden, damit jeder Doppelstaatler, der nicht aktiv für den
deutschen Pass optiert, ihn verliert. Deutsch auf Zeit bedeutet das, und Sie rufen den Özils und Khediras von morgen zu: Ihr gehört nicht dazu, geht doch dorthin, wo ihr herkommt.
Meine Damen und Herren, Herr Bellino, das ist keine Integrationspolitik. Das ist auch keine gute Sportpolitik. Aber tatsächlich ist das Ausdruck der Sportpolitik dieser ideenlosen Landesregierung von gestern.
Immerhin fallen hier Ihr unsägliches Gerede und Ihre Politik nicht auseinander; denn nichts liegt Ihnen ferner, als Integration im Sport zu fördern. Ich möchte hier ein paar Zahlen sprechen lassen.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Holger Bellino (CDU): Damit wird der Unsinn nicht wahrer!)
Die Gesamtaufwendungen der Hessischen Landesregierung für den Sport betrugen im Haushaltsjahr 2011 ca. 51 Millionen €.
(Holger Bellino (CDU): Wer hat Ihnen den Unsinn denn aufgeschrieben? Reden Sie einmal frei, vielleicht wird es dann besser! – Gegenrufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Im Jahr 2012, Herr Bellino, waren es 48 Millionen € einschließlich der Aufwendungen anderer Ressorts, beispielsweise beim Kultusministerium für den Schulsport und beim Wissenschaftsministerium für den Hochschulsport.
Herr Bellino, von den 51 Millionen € wurden für besondere Programme, also Sport und Gesundheit, Soziales und Integration, ganze 600.000 € im Jahr 2011 zur Verfügung gestellt. Wenn man aus den Reihen der Regierung noch einmal hört, der Sport leiste einen wichtigen Beitrag zur Integration, weiß man nicht, ob man lachen oder ob man weinen soll.
Immerhin ist es bei denen, die sich kompetent mit Sport befassen, bekannt. Ich zitiere aus der öffentlichen Anhörung der Enquetekommission „Migration“ Herrn Frank Eser von der Sportjugend Hessen:
Um auf die Mittel zurückzukommen...: Das Programm „Integration durch Sport“ ist ein Bundesprogramm … und wird zu 100 % aus Mitteln des BMI gefördert. Die Mittel, die wir aus dem erhalten, was die Hessische Landesregierung für die Integration von Kindern und Jugendlichen bereitstellt, sind eher bescheiden – um nicht zu sagen: nicht vorhanden.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich frage mich auch, wo die Kampagne des Landes Hessen gegen Homophobie im Sport ist.
Ich frage mich, wo diese Kampagne ist. Das fängt bei den Vorbildern im Spitzensport an; denn die Beispiele von sich outenden aktiven Sportlerinnen und Sportlern kann man an einer Hand abzählen. Zur Fußball-WM der Frauen im vorletzten Jahr wurde eine repräsentative Umfrage
wir wollen niemanden zwingen – veröffentlicht mit dem Ergebnis: 86 % ist es egal, ob eine Spielerin der deutschen Nationalmannschaft homosexuell ist. – Tatsächlich ist das auch Ausdruck der zeitgenössischen Fankultur, die Sie niemals als kreativen Teil des deutschen Sports erleben, sondern in Ihrer Panikmache nur als Sicherheitsrisiko wahrnehmen können, und der Sie mit den Mitteln des Zwangs begegnen statt mit Deeskalation und mit Mitteln des Dialogs.
Herr Müller, ich weiß, dass das nicht einfach ist. Aber ich weiß auch, dass die Kosten der Polizeieinsätze bei Profispielen in den vergangenen Jahren um 2,5 Millionen € gestiegen sind.
Ich weiß auch, dass ein Fanprojekt im Profifußball mindestens drei Personalstellen benötigt, aber dass die von Ihnen groß verkündete finanzielle Verbesserung der Fanprojekte dies nicht leistet, sondern ein Tropfen auf den heißen Stein ist.
Denn statt Prävention lassen Sie lieber Ganzkörperkontrollen durchführen, Intimkontrollen, bei denen nichts gefunden wird, stattdessen die Demütigung und Radikalisierung jugendlicher Fußballfans erreicht wird, wenn sie in Polizeizelten die Hosen runterlassen müssen.
Meine Damen und Herren, ich habe keine Lust, in der „Frankfurter Rundschau“ von Analkontrollen bei Fußballfans in Hessen lesen zu müssen.
(Jürgen Lenders (FDP): Das wird langsam unerträglich! – Judith Lannert (CDU): Das ist eine Ausdrucksweise!)
Ich habe aus der „Frankfurter Rundschau“ zitiert, Frau Kollegin Lannert. – Wenn es darin steht, ist es ein sehr trauriger Fakt, obwohl in Wirklichkeit gerade einmal 1 % der Fußballfans überhaupt potenziell gewalttätig ist. Das ist 1 % zu viel, aber auch eine Quote, die beim Oktoberfest locker getoppt wird. Aber da ist die Hauptdiskussion bei Ihnen zur Sicherheit im Stadion.
Meine Damen und Herren, nichts gegen Meinungswettstreit – aber wo soll es nun in der hessischen Fanpolitik langgehen? Sind wir uns nicht einig, dass die 6,2 Millionen € für die Polizeieinsätze im Rahmen von Fußballspielen zu hoch sind? Wollen Sie diese noch einmal erhöhen, damit jetzt überall Zelte für Ihre Nacktuntersuchungen aufgestellt werden können?
Waren die Intimkontrollen in Darmstadt nur ein Test in der 3. Liga? Soll es das demnächst auch bei Spielen von Eintracht Frankfurt geben?