Frau Schulz-Asche, ich sage Ihnen einmal eines: Sie und auch der Kollege Siebel haben sich hier mit hoch erhobenem moralischen Zeigefinger hingestellt und gesagt, die
Es war besser? Na gut. – Ich habe hier eine Meldung aus dem „Focus“ vom Mai 2011, als die erste Empörung über die Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien hochkam. Da ist nachzulesen:
Bei ihrer Empörung über das Panzergeschäft mit den Saudis leiden manche rote und grüne Politiker offensichtlich an Gedächtnisschwächen: Gleich im ersten rot-grünen Regierungsjahr 1999 hatten Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und sein Vize Joschka Fischer (GRÜNE) die deutschen Rüstungsexporte mehr als verdoppelt.
Oh, das ist aber etwas ganz Neues: nämlich auf fast 1,5 Milliarden €, von ungefähr 600 Millionen € unter der letzten Regierung Schwarz-Gelb.
Ich kann nicht verstehen, dass die GRÜNEN hier mit erhobenem Zeigefinger sagen: Saudi-Arabien – alles ganz schlecht. Ich sage Ihnen: Ja, es gibt Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. Ich sage Ihnen aber auch: Diejenigen, die die Menschenrechtsverletzungen begehen, sind nicht diejenigen, die die Waffen liefern, sondern immer die, die den Finger am Abzug haben oder die gegebenenfalls am Gaspedal des Panzers sitzen.
Dazu sage ich Ihnen noch etwas: Richtigerweise haben Sie selbst vorhin gesagt, Sie würden es nie infrage stellen, dass wir Waffen an Israel liefern, um seine Sicherheit zu gewährleisten, als ein wichtiger Partner in der Region neben Saudi-Arabien. Aber ich sage Ihnen sehr klar: Zu dem, was mit unseren Waffen in den besetzten Gebieten dort passiert, sagen Sie nichts. Das muss man schon einmal sehr kritisch anmerken. Daher kann man jetzt nicht einseitig den Finger gegen Saudi-Arabien erheben.
In der Tat ist das eine der schwierigsten Regionen, die wir in der Welt haben. Dort sind sowohl Saudi-Arabien als auch Israel für uns ganz wichtige strategische Partner. Die sollten wir in der Tat stärken.
Übrigens, Herr van Ooyen, Sie haben sich auch dagegen gewendet, dass man im Irak Aufbauhilfe betreibt.
Da frage ich mich nur: Wie soll im Irak eine funktionierende Staatsstruktur entstehen, wenn wir die Staatsorgane, die demokratischen Kräfte dort nicht in die Lage versetzen, sich überhaupt gegen Gewalt von innen und außen zu verteidigen? Das müssen Sie mir doch erklären.
Sie haben in Ihrem Antrag mehrfach den hessischen Beitrag erwähnt, namentlich hessische Firmen in der Region Kassel. Es gibt von Ihrer Fraktion, DIE LINKE, den sogenannten „Rüstungsatlas“. Der ist ganz interessant. Darin werden unter anderem alle Bundeswehrstandorte in Hessen aufgelistet. Darin kann man auch nachschauen, was wir an Rüstungsindustrie in Hessen haben. Die Zahlen, die Sie dort angeben, sind lediglich geschätzt. Sie schätzen angesichts der aktuellen Entwicklungen in diesem Segment, dass wir in der Region Kassel etwa 5.000 Beschäftigte in der Rüstungsindustrie haben. Weiter wird dazu ausgeführt: Volkswirtschaftlich gesehen, ist das eine vernachlässigbare Größe. – Dazu sage ich Ihnen Folgendes. Für die FDPFraktion in diesem Hause ist es unerheblich, ob es 5.000 oder 4.999, oder 5.010 Beschäftigte sind. Für uns ist kein Arbeitsplatz in Hessen eine volkswirtschaftlich vernachlässigbare Größe.
Das ist blanker Zynismus gegenüber den Beschäftigten in der Rüstungsindustrie. Ich bin mir sicher, dass sich die Region Kassel auf dem Hessentag industriell entsprechend darstellen wird.
Es ist interessant, dass in der SPD-Fraktion jetzt so große Unruhe herrscht. Sonst kämpfen Sie immer für die Belange von Nordhessen. Jetzt höre ich aber kein Wort zu den Beschäftigten in diesem Bereich.
Bei Ihnen sind einige Dinge schwer durcheinandergegangen. Sie haben beispielsweise einen merkwürdigen Anschein erweckt, indem Sie auf die USA zielten, wo ein Verbot für den Verkauf von Sturmgewehren angestrebt wird. Das ist ein Anliegen, das würde ich voll und ganz unterschreiben. Aber so, wie Sie es dargestellt haben, hörte es sich an, als könne man in Deutschland ein Sturmgewehr kaufen. Das ist mitnichten der Fall. Wir haben zu Recht die strengsten Waffengesetze in der Welt. Das ist eine gute Sache, und was das angeht, sollten wir unseren Verbündeten auffordern, sich an dieser Stelle ein Beispiel an uns zu nehmen.
Es muss die Doktrin unserer Sicherheitspolitik sein, dass man Wandel durch Annäherung erreicht. Willy Brandt hat schon in den Siebzigerjahren erkannt, dass man so dazu kommt, die Demokratie in diesen Ländern zu befördern.
Man erreicht das nicht, indem man mit der moralischen Keule und dem moralischen Zeigefinger versucht, diese Länder zu belehren.
Wenn Sie sich hier schon als Verteidiger der Menschenrechte gerieren wollen, dann muss man auch klar sagen: Ich habe von Ihnen kein Wort zu einem unserer wichtigsten Wirtschaftspartner gehört, der sehr wichtigen Wirtschaftsnation China. Kollege Siebel von der SPD hat von einer Außenhandelsstrategie gesprochen. China ist für Hessen ein sehr wichtiger Partner, und ich bin mir sicher, die Hessische Landesregierung weist – genauso wie die Bundesregierung – dort immer wieder auf die Menschenrechtslage hin, denn die ist in China alles andere als befriedigend.
Als Herr Schäfer-Gümbel im letzten Jahr seine Chinareise gemacht hat, habe ich aber kein einziges Wort in der Zeitung gelesen, dass er in dieser Sache vorstellig geworden wäre. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN, so geht es nicht, mit dem moralischen Zeigefinger zu drohen und selbst unglaubwürdig zu handeln, wie ich eben dargelegt habe.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir während der Debatte Folgendes überlegt. Wenn Willi van Ooyen damals, als er häufig in der DDR war und Geheimgespräche geführt hat,
und, wie man hört – Herr van Ooyen, das wissen Sie besser –, Geldkoffer wieder mit nach Westdeutschland genommen hat, so intensiv für die Menschenrechte in der DDR gekämpft hätte, dann wäre das eine gute Sache gewesen. Sich heute aber hierhin zu stellen, auf eine bestimmte Seite der Welt zu schauen – darüber kann man durchaus diskutieren –, aber die eigene Vergangenheit komplett auszublenden, das ist schon eine besondere Form der Moral. Die gibt es nur bei den LINKEN.
Herr Kollege Siebel, an einigen Stellen Ihrer Rede war ich definitiv Ihrer Meinung. Ich glaube, dass vieles von dem, was Kollege Siebel gesagt hat, richtig ist, z. B. bei der Frage: War es richtig, die Exportvorschriften in der Vergangenheit gemäß den gesetzlichen Normen zu verschärfen, die wir haben?
Sie haben aber an einer Stelle das Thema Menschenrechte angesprochen. Da will ich Ihnen konkret widersprechen. Die Menschenrechte sind ein Aspekt, der bei der Frage der Exporte geprüft wird, sie sind aber nicht der alleinige Faktor. Gerade bezüglich der Rolle von Saudi-Arabien hört man, wenn man mit den Außenpolitikern der verschiede
nen Bundestagsfraktionen spricht, unterschiedliche Einschätzungen. Saudi-Arabien erfüllt aber, das hat Herr Kollege Schork aus meiner Sicht zu Recht gesagt, im Nahen Osten eine besondere Funktion für die Stabilität. Das mag einem bei diesem Regime nicht gefallen, es ist aber so. Auch das gehört in dieser Debatte zur Wahrheit. Deshalb kann man über die Entscheidung diskutieren, man kann sie kritisieren, aber man kann es sich nicht so einfach machen, zu sagen, die Entscheidung sei nur schwarz oder weiß zu fällen. Dafür ist das Thema viel zu heikel. Gerade auch die Bedeutung Saudi-Arabiens für die Sicherheit Israels sollte für uns Deutsche immer ein wichtiger Punkt in unseren Debatten sein.
Insgesamt gesehen, teilen wir als Landesregierung den Antrag der LINKEN nicht. Der Antrag ist weder zielführend, noch nimmt er die Realität, die wir in der Welt haben, in Augenschein. 70 % der Waffenexporte gehen an NATOPartner oder gleichgestellte Partner.