Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Oder wollen Sie, dass jetzt der liberale Verkehrsminister in Hessen für die GRÜNEN in Berlin – so schreiben Sie in Ihrem Antrag – die Kohlen aus dem Feuer holen soll, weil Sie es selbst nicht geschafft haben, die Wahlversprechen in Baden-Württemberg einzuhalten und den Bau von Stuttgart 21 zu verhindern?

(René Rock (FDP): Jetzt wird es zu kompliziert!)

Das ist wirklich eine einzigartige Strategie, um von dem Wortbruch der GRÜNEN in Baden-Württemberg – die versprochen haben, den Bau zu verhindern – abzulenken. Meine Damen und Herren, das ist wiederum ein beispielloses Vorgehen, von mir aus politisch geschickt, aber Sie werden damit nicht durchdringen.

Dieses Beispiel zeigt, wie weit die GRÜNEN in Hessen von verantwortungsvoller Politik weg sind. Politik in Regierungsverantwortung hat sich an getroffene Vereinbarungen und Entscheidungen des Volkes zu halten und kann nicht nach Gutdünken politische Kampagnen fahren, um einen politischen Vorteil daraus zu ziehen. Das hat Herr Kretschmann eingesehen und erkannt. Deswegen sagt er, dass für ihn das Projekt steht und er sich auch dafür einsetzt, dass es umgesetzt wird.

Und was sagt die SPD in Baden-Württemberg dazu? Der Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel sagt:

Der Deutsche-Bahn-Aufsichtsrat hat mit der Entscheidung für den Weiterbau und die Aufstockung des Finanzrahmens ein wichtiges Signal für eine moderne Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg gesetzt.

Richtig. Er fügt hinzu:

Die Landesregierung von Baden-Württemberg ist nicht der Befehlsempfänger des GRÜNEN-Parteivorstands.

Meine Damen und Herren, auch da hat Herr Schmiedel vollkommen recht.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mein Gott!)

Trotz dieser inner-GRÜNEN Unstimmigkeiten passt dieser Antrag in das Gesamtbild grüner Politik in Hessen und in Deutschland. Denn bei diesem Projekt geht es um eine Zukunftsinvestition in ein Großprojekt. Ich finde aber kein einziges Beispiel, weder in Hessen, noch in Deutschland, in dem die GRÜNEN ein solches großes Zukunftsprojekt positiv begleitet hätten. Stattdessen stehen die GRÜNEN immer auf der Gegenseite. Sie versuchen, die Projekte zu boykottieren und zu stoppen. Sie kritisieren, wenn etwas nicht läuft wie geplant, und stellen dann fest, sie hätten es schon immer besser gewusst.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, es ist richtig: Wer nichts tut, kann auch nichts falsch machen. Das ist völlig korrekt. Aber Politik wird nicht gewählt, um nichts zu tun, sondern um die Zukunft für das Land und die Menschen zu organisieren. Meine Damen und Herren, dazu gehören aber ganz entscheidend große Infrastrukturprojekte.

(Beifall bei der FDP)

Sie werden die weiter bekämpfen, und wir werden weiter dafür sorgen, dass Investitionen in Deutschland getätigt werden können. Wir sind ohnehin schon dabei, durch die Unfähigkeit einiger in Berlin und Brandenburg, z. B. einen guten Flughafen zu bauen, den guten Ruf zu verlieren, den wir in der Welt mit unserer hervorragenden Ingenieursausbildung etc. haben. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass unsere Infrastruktur in einem guten Zustand gehalten wird und, wo nötig, weiter verbessert wird. Meine Damen und Herren, die Infrastruktur ist das Rückgrat unseres wirtschaftlichen Erfolges. Wenn wir ein Großprojekt nach dem anderen stoppen, anhalten, verteuern und verzögern, dann schaden wir damit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wohlstand sowie den Arbeitsplätzen in unserem Land.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass sowohl im Bereich Schiene als auch im Bereich Straße mehr Mittel nach Hessen fließen. Wir sind ein Transitland mit einer hohen Verkehrsbelastung und damit auch mit einem hohen Verschleiß. Das gilt für die Straße wie für die Schiene.

Ich habe es vorhin schon gesagt: Hören Sie endlich damit auf, die Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen. Der hessische Verkehrsminister Posch und der hessische Verkehrsminister Rentsch haben sich in Berlin intensiv für beide Seiten eingesetzt, sowohl für die Straßeninfrastrukturprojekte als auch natürlich ganz besonders für die Schieneninfrastrukturprojekte. Hören Sie auf, immer so zu tun, als ginge es immer nur um ein Projekt. Wir unterstützen und brauchen alle Verkehrsträger. Das ist die Politik von heute. Das, was Sie hier wieder zum Ausdruck gebracht haben, ist die Politik von gestern.

Gerade sind die Schienenprojekte für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet worden. Darin enthalten ist z. B. eine Alternativstrecke zur Entlastung des Rheintals vom Güterverkehr etc. All diese Projekte brauchen wir. Wir stimmen miteinander völlig darin überein, dass wir dafür sichere Finanzierungsgrundlagen brauchen, denn es kann nicht sein, dass diese Projekte in Hessen, wo sie wirklich gebraucht werden, über Jahre nicht finanziert werden, deswegen hintenanstehen und nicht umgesetzt werden. Da sind wir uns völlig einig.

Aber ich frage mich auch: Was haben denn die GRÜNEN sieben Jahre lang in der Bundesregierung getan? Sie haben weder Stuttgart 21 gestoppt – und damals wurden dafür die Grundlagen gelegt –, noch die Finanzierung auf die Reihe bekommen; auch das ist nicht geschehen.

Stellen Sie sich also nicht hierhin und tun so, als könnten Sie das ohne Weiteres umsetzen. Wir müssen als Verkehrspolitiker alle gemeinsam daran arbeiten, die Finanzpolitiker davon zu überzeugen, dass das wichtige Maßnahmen sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie dieses Thema schon auf die Tagesordnung setzen, dann sage ich Ihnen dazu ganz klar meine Meinung: Von Stuttgart 21 profitieren die Baden-Württemberger und insbesondere die Stuttgarter. Wenn die davon profitieren, dann sollen sie auch die entsprechenden Kosten mittragen. Das ist zumindest mein Verständnis von fairer Lastenverteilung.

Wenn sich aber die grüne Regierung in Stuttgart weigert, dann müssen wohl oder übel wahrscheinlich auch die Berliner, sächsischen und hessischen Bahnkunden dafür mit bezahlen. Deshalb wäre es nur fair, wenn das Land BadenWürttemberg und die Stadt Stuttgart einen Anteil an den Mehrkosten trügen. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern das ist auch die Formulierung aus einem „Spiegel“Artikel vom 15.03. dieses Jahres, aus „Spiegel-online“.

Vielleicht denken die GRÜNEN einmal darüber nach. Viel Hoffnung aber habe ich leider nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Müller. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Al-Wazir zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident! Herr Kollege Müller, Sie haben mich gefragt, ob wir ab und zu mit Ministerpräsident Kretschmann reden. Ich kann Ihnen sagen: natürlich.

Man muss dazu wissen: Winfried Kretschmann ist seit Jahrzehnten einer der größten Kritiker dieses Projektes gewesen, aber er hält sich an das Ergebnis der Volksabstimmung in Baden-Württemberg, weil das Volk nun einmal der höchste Souverän ist. Er respektiert die Volksabstimmung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Pe- ter Beuth (CDU): Ist es etwas besonderes, dass man sich an Recht und Gesetz hält, dass es hier eine solche Erwähnung finden muss? Was ist das für ein Demokratieverständnis bei den GRÜNEN?)

Sie müssen aber auch wissen: Diese Volksabstimmung hatte zwei Teile, erstens ein Pro oder Kontra zu Stuttgart 21 und zweitens eine Deckelung der Kostenbeteiligung des Landes Baden-Württemberg. – Deswegen respektiert Winfried Kretschmann auch an diesem Punkt die Volksabstimmung und sagt – ich drücke es einmal so aus –: „Mir gebet nix mehr.“

An der Stelle wird es ein eminent hessisches Problem. Wenn das Land Baden-Württemberg qua Volksabstimmung nämlich nichts zusätzlich gibt, aber die Kosten um 2 Milliarden € förmlich explodieren – meine Prognose ist, das wird noch mehr werden –, dann heißt das, das Geld muss von irgendwo anders kommen: vom Bund, aus dem Bundesverkehrswegeplan, im Zweifel aus Eigenmitteln der Bahn AG. Dann kann es aber nicht mehr woanders ausgegeben werden. Dass man auf diesen Punkt hinweist, ist doch völlig logisch, Herr Müller.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Winfried Kretschmann würde sagen: „Des isch eine Tatsache.“

Zum Stichwort Großprojekte. Sie sind ein Opfer Ihrer Vorurteile geworden. Die hessischen GRÜNEN waren der erste Landesverband in der grünen Partei überhaupt, der sich im Jahre 1989 für eine Neubaustrecke im Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn ausgesprochen hat, nämlich für die Strecke Frankfurt – Köln. Sie werden von uns niemals gehört haben, dass wir irgendetwas gegen den Lückenschluss der A 66 zur A 7 haben. Das Problem ist: Auch das dauert ziemlich lange, wenn die FDP die verantwortlichen Verkehrsminister stellt. – Das ist aber ein anderes Thema.

Lassen Sie sich nicht von Ihren Vorurteilen lenken, sondern denken Sie darüber nach, was Ihre Aufgabe als hessischer Landespolitiker ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Zur Gegenrede, Herr Müller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist in der Tat wieder der Versuch, etwas zu verdrehen. Die Volksabstimmung steht. Sie steht zu den 4,5 Milliarden €, keine Frage. Sie ist eine klare Willensbekundung der Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs und Stuttgarts.

Sie von den GRÜNEN fordern die Hessische Landesregierung aber auf, diese Entscheidung zu konterkarieren und das gesamte Projekt zu stoppen – gegen die Entscheidung der Bürger. Das ist ein Demokratieverständnis, das ich nicht teilen kann.

(Beifall bei der FPD und bei Abgeordneten der CDU)

Dann stellen Sie sich noch hierhin und sagen, dass sehe auch der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann so. Die Hessische Landesregierung soll sich über eine Volksabstimmung in Baden-Württemberg hinwegsetzen?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Genau das fordern Sie. – Sie fordern von uns, dass wir das Projekt stoppen sollen. Das ist ein Grundverständnis, das ich schlicht und einfach nicht teilen kann. Damit kommen Sie auch nicht durch. Die Rechnung, die Sie hier aufmachen, hält von vorne bis hinten nicht. Deshalb wird Stuttgart 21 sicherlich kein hessisches Thema werden, da

können Sie hier versuchen, was Sie wollen. Damit werden Sie nicht durchdringen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Frankenberger zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Frankenberger.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, es tut mir leid, aber mit Ihrem Antrag, den Sie zu Stuttgart 21 gestellt haben, haben Sie ein klassisches Eigentor geschossen, denn der Ball liegt nicht hier im Hessischen Landtag, sondern entweder in Berlin oder in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Insofern halten wir es auch nicht für richtig, dass der Hessische Landtag den Bürgerinnen und Bürgern unseres Nachbarlandes sagt, was sie zu tun und zu lassen haben.

Meine Damen und Herren, es gibt für die Sozialdemokraten im Wesentlichen zwei Gründe, warum wir uns dem Antrag der GRÜNEN nicht anschließen können. Wir haben uns in der Vergangenheit – und zwar immer an der Seite von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – mit guten Gründen und klaren Argumenten stets dagegen gewehrt, wenn es insbesondere vonseiten des FDP-Teils der Hessischen Landesregierung darum ging, Rheinland-Pfalz Vorschriften zu machen, für was man dort Geld ausgeben und welche politischen Schwerpunkte man setzen sollte. Manchmal war es sogar so, dass wir den Eindruck hatten, dass von der Landesregierung, insbesondere von deren FDPTeil, hier mehr über Rheinland-Pfalz als über hessische Themen geredet wurde. Wir haben immer gesagt: Diese Einmischung ist für uns nicht akzeptabel. – Was für Rheinland-Pfalz gilt, gilt für uns auch für Baden-Württemberg.