Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Die Menschen wollen keine dioxinverseuchten Eier. Sie wollen, dass auch die Biolandwirte kontrolliert werden.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Sie wollen keine Tierquälerei, sie wollen kein BSE, und sie wollen kein Pferdefleisch in der Billiglasagne. Das alles sind doch die Ergebnisse der Art und Weise, wie im Lebensmittelbereich produziert wird. Es wird in hohem Maße Schrott produziert, der nachher weggeworfen wird.

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Davon, dass Sie dazwischenschreien, wird die Qualität Ihrer Zwischenrufe auch nicht besser.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Schott, Sie haben noch das Wort. Bitte seien Sie alle ein bisschen ruhig. Frau Schott, Sie müssen dann aber zum Schluss kommen.

Wir wollen vernünftig produzierte Lebensmittel, die gesund sind und die Menschen nicht krank machen. Wir wollen, dass die Produzenten im Zweifelsfall gestützt werden. Wir stützen in der Landwirtschaft insgesamt. Da muss man überlegen, wie man das verteilt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Staatsministerin Puttrich.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Um die Worte von Frau Schott aufzugreifen: Selbstverständlich wollen wir alle gesunde Lebensmittel. Wir wollen alle gute Lebensmittel. Das muss man einmal klarstellen. Wenn jetzt der Eindruck erweckt wird, dass nur ökologisch produzierte Lebensmittel gesund seien und konventionell produzierte Lebensmittel nicht gesund seien, dann wäre das ein Angriff auf die Landwirtschaft, der wahrscheinlich so auch nicht gemeint ist. – Das vorweg.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Martina Feld- mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat keiner gesagt! – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das hat niemand gesagt!)

Zweitens. Im Moment beschäftigen wir uns alle mit der Zukunft der Landwirtschaft. Das ist selbstverständlich. Das liegt an der Zeit. Wir unterhalten uns auch auf europäischer Ebene über die Zukunft der Landwirtschaft und fassen Beschlüsse. Gestern haben sich die Landwirtschaftsminister Europas in einer sehr schwierigen Situation geeinigt. Das Ganze fiel unter das Stichwort: eine grünere Landwirtschaft, öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. Ich kann an der Stelle nur begrüßen, dass man sich im Hinblick auf die Vorrangflächen dahin gehend geeinigt hat, dass man nun zugelassen hat, dass es einerseits ökologische Vorrangflächen geben soll, dass andererseits auf diesen ökologischen Vorrangflächen aber auch Eiweißpflanzen angebaut werden können. Insofern wird die europäische Landwirtschaft zukünftig ein Stück grüner werden. Deshalb wird meines Erachtens diese Diskussion, die teilweise grabenartig zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft geführt wird, in dieser Schärfe nicht mehr geführt werden müssen. Ich habe den Eindruck, dass hier Glaubenskriege geführt werden: das eine sei gut, das andere sei schlecht.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Ich sage ganz klar: Beides hat seine Berechtigung, sowohl die konventionelle als auch die ökologische Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte auch wirklich davor warnen, so zu tun, als sei die eine nur gut und die andere nur schlecht.

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

Wenn wir von Landwirtschaft sprechen, dann von nachhaltiger Landwirtschaft. Nachhaltige Landwirtschaft gilt sowohl für die konventionelle als auch für die ökologische Landwirtschaft. Dennoch ist für die Hessische Landesregierung auch ganz klar, dass die ökologische Landwirtschaft einen besonderen Stellenwert hat.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das wird in dem ausgedrückt, was wir getan haben, in dem, was wir tun, und auch in dem, was wir tun werden. Nicht ohne Grund haben wir in den letzten Jahren einen Anstieg der Anbauflächen in der ökologischen Landwirtschaft. Wir haben flächenmäßig den größten Anteil innerhalb Deutschlands: 10 % der Flächen sind für den ökologischen Landbau verwendet.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Daran kommt man nicht vorbei. Das begrüßen wir auch. Das ist selbstverständlich auch das Verdienst dessen, was in den vergangenen Jahren getan wurde. Das ist auch die Antwort darauf, dass wir durchaus sehen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine höhere Nachfrage nach Bioprodukten haben. Selbstverständlich ist es besser, wenn die Bioprodukte aus Hessen kommen und nicht importiert werden müssen.

Trotzdem muss man an der Stelle auch sagen, es gibt Gesetze des Marktes. Es kann nicht dauerhaft oder langfristig die Antwort sein, etwas mit öffentlichen Mitteln zu fördern, was der Verbraucher nicht bezahlen will. Wir müssen uns an bestimmten Stellen schon einmal darüber unterhalten, was ein Verbraucher bereit ist, zu bezahlen, um das zu vergüten, was die Landwirtschaft leistet, was auch die ökologische Landwirtschaft leistet. Wenn wir das ein bisschen weniger ideologisch diskutieren, sondern wenn wir darüber diskutieren: „Wo ist die Nachfrage, was wird produziert, wo sehen die ökologischen Bauern z. B. ihre Zukunft und ihre Chancen?“, dann wird das der Sache eher gerecht.

Selbstverständlich wissen wir, dass die ökologische Landwirtschaft gerade für den ländlichen Bereich eine besondere Chance ist. Gerade in den Bereichen, in denen die Agrarstruktur, die landwirtschaftliche Struktur benachteiligt ist, ist die ökologische Landwirtschaft eine Chance für diejenigen, die dort Landwirtschaft betreiben. An der Stelle gibt es doch gar keinen Unterschied. Darüber gibt es doch gar keine Diskussion und auch gar keinen Streit.

Deshalb möchte ich noch einmal deutlich vermerken, dass die Hessische Landesregierung ein Interesse daran hat, dass unsere bäuerlichen Betriebe mehrere Dinge tun können, dass sie selbstverständlich möglichst von dem leben können, was sie erarbeiten, dass sie innovationsfähig sind und dass sie vor allem auch die Chance haben, dass diejenigen, die die Betriebe übernehmen wollen, die Betriebe letztendlich auch übernehmen. Das muss der Ansatz für die Landwirtschaftspolitik sein, sowohl im ökologischen als auch im konventionellen Bereich.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, deshalb glaube ich, wir sollten die Diskussion nicht immer auf die finanziellen Mittel fokussieren. Die Diskussion wird im Moment auf europäischer Ebene geführt. Wir haben immer kofinanziert. Wir werden es auch weiterhin tun. Was die EU zur Verfügung stellt, werden wir den Landwirten weiterhin zur Verfügung stellen. Das gilt für die konventionelle, und das gilt auch für die ökologische Landwirtschaft. Das ist vollkommen klar. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Trotzdem muss man darüber nachdenken: Wie sieht die Landwirtschaft in Zukunft aus? Trotzdem muss man darüber nachdenken: Was müssen wir den Betrieben bieten, damit sie existieren können? – Das gilt übrigens für beide Produktionsformen. Es geht nicht nur um öffentliches Geld. Es geht auch um die Leistungen, die ein Land den Landwirten bieten kann, z. B. die gezielte und qualifizierte Beratung, die für beide Bereiche erfolgt, die Unterstützung von Erzeugergemeinschaften, ausgesprochen wichtig, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit oder der beruflichen Qualifizierung und eine überzeugende Marketingstrategie.

Wenn wir über Landwirtschaftspolitik reden, dann ist deshalb nicht nur ein Element der besonderen Förderung für das ausschlaggebend, was wir an ernsthafter Unterstützung der Landwirtschaft leisten, sondern es ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen.

Ich möchte an der Stelle deshalb noch einmal besonders darauf hinweisen: Wir haben in den vergangenen Jahren einen Anstieg – den begrüße ich – der Anbauflächen für die ökologische Landwirtschaft zu verzeichnen. Wir sind im Moment dabei, den entsprechenden Entwicklungsplan für den ländlichen Raum für die Zeit bis 2020 auszuarbeiten. Wir sind in den Gesprächen mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern. Die sind eingeleitet worden. Wir wissen und sind uns darüber mit allen Gesprächspartnern einig, dass auch der ökologische Landbau weiter gefördert wird. Aber eines muss man immer berücksichtigen: Wenn wir fördern, dann muss man selbstverständlich immer auch die Erfordernisse des Marktes im Auge haben.

Insofern möchte ich die Worte des Herrn Abg. Lotz aufgreifen, die an der Stelle passend gewesen sind. Er hat gesagt, staatliche Förderungen sind keine Erbhöfe, weder Erbhöfe für die konventionelle noch für die ökologische Landwirtschaft. Insofern sind wir gefordert, zukunftsorientiert zu sehen, wo das Geld hinfließt, um entsprechende Zukunftschancen zu geben. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Puttrich. – Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 45 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Mehr Geld für Kinderbetreuung auch in Hes- sen – Mittelverschwendung durch Betreuungsgeld stop- pen) – Drucks. 18/7150 –

mit dem Tagesordnungspunkt 56:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend mehr Geld für Kinderbetreuung auch in Hessen – Mit

telverschwendung durch Betreuungsgeld stoppen – Drucks. 18/7168 –

Das Wort hat der Kollege Merz, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt gute Gründe, und es gibt vor allem einen konkreten Anlass, die Frage des Betreuungsgeldes erneut auf die Tagesordnung des Hessischen Landtags zu setzen. Es gibt auch Gründe dafür, einen Antrag vorzulegen. Die Gründe haben wir in Punkt 1 des Antrags zusammengefasst, nämlich dahin gehend, dass wir der Überzeugung sind, dass die Einführung des Betreuungsgeldes aus bildungspolitischen, aus sozialund jugendpolitischen, aus frauen- und gleichstellungspolitischen und nicht zuletzt aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen verfehlt ist und zudem in der gegenwärtigen Situation der Unterfinanzierung der frühkindlichen Bildung in Einrichtungen und in der Tagespflege eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen darstellt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der konkrete Anlass, dies noch einmal festzustellen und zur Umkehr aufzufordern, ist die Tatsache, dass die SPDund grün geführten Bundesländer eine Initiative in den Bundesrat zur Aufhebung des Betreuungsgeldgesetzes eingebracht haben, das morgen im Bundesrat zur Abstimmung steht. Insofern besteht die Möglichkeit, einen schwerwiegenden politischen Fehler zu korrigieren, bevor das Gesetz am 01.08.2013 in Kraft tritt. Das ist ironischerweise oder vielleicht beabsichtigterweise genau der Tag, an dem auch der Rechtsanspruch auf einen U-3-Betreuungsplatz in Kraft tritt und in der Realität faktisch eingelöst werden muss. Meine Damen und Herren, damit ist auch schon das Spannungsverhältnis markiert, in dem sich die Debatte um das Betreuungsgeld realiter abspielt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Es ist nämlich das Spannungsverhältnis zwischen dem Rechtsanspruch und den realen Bedarfen von Familien auf der einen Seite und dem in vielerlei Bereichen mangelhaften realen Angebot auf der anderen Seite. Oder es ist, anders ausgedrückt, das Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf Wahlfreiheit und der derzeitigen Realität. Das wird von den antragstellenden Bundesländern in der Begründung ihres Gesetzesantrags, wie ich finde, sehr gut zusammengefasst. Ich möchte das zitieren:

Das Betreuungsgeld folgt nicht dem Gebot der Wahlfreiheit, ein Kind zu Hause selbst zu betreuen oder in einer Einrichtung betreuen zu lassen, solange nicht für alle, die es möchten und benötigen, ein Betreuungsplatz in einer Einrichtung entsprechend dem von den Eltern angegebenen Bedarf zur Verfügung steht und Eltern hierdurch gezwungen werden, länger als gewünscht vom Beruf auszusetzen. Vielmehr besteht daher eine echte Wahlfreiheit für Familien erst dann, wenn ein bedarfsdeckendes Angebot an Kindertageseinrichtungen hinsichtlich Anzahl der Plätze und der Dauer der Betreuung zur Verfügung steht und sie tatsächlich auch auswählen können.

Meine Damen und Herren, in einer Situation, wo es mehr als zweifelhaft ist, dass der Rechtsanspruch auf einen U-3-Betreuungsplatz in jedem Fall eingelöst werden kann, wo wir nach wie vor kein bedarfsdeckendes Angebot zur Betreuung von Schulkindern haben, wo vielmehr zu befürchten ist, dass das Angebot in Hessen vor dem Hintergrund des Auslaufens der Förderung für die Hortkinder durch das KiföG noch verschlechtert wird, wo also insgesamt Sorge besteht, dass ein flächendeckendes, wohnortnahes und bezahlbares Angebot über alle Stufen und Betreuungsangebote hinweg, insbesondere im Ganztagsbereich, aufrechterhalten werden kann, verbietet es sich von selbst, Geld in Milliardenhöhe für eine Pseudofamilienförderung auszugeben, die schon in ihren Begründungen fragwürdig, in ihren tatsächlichen Wirkungen aber zweifellos schädlich ist.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt ganz besonders in der aktuellen Situation für Hessen. Es ist in diesem Landtag schon darauf hingewiesen worden, dass Hessen, wenn man Kosten von 1,5 Milliarden € unterstellt und diese nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt würden und für die Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt werden könnten, 120 Millionen € mehr für die Förderung der frühkindlichen Bildung zur Verfügung hätte.

(Günter Rudolph (SPD): Mindestens!)

Das ist mehr als die Mittel, zu deren Zahlung das Land durch den Staatsgerichtshof gezwungen werden musste. Hier verschenkt das Land, wenn man so will, 120 Millionen €. Auf der anderen Seite musste es sich zwingen lassen, überhaupt einen nicht ganz so hohen, aber ähnlich hohen Betrag einzustellen.