Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Ich habe für die Fraktion – –

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Hochmut kommt vor dem Fall! – Anhaltende Zurufe von der CDU und der FDP)

Moment. – Herr Dr. Blechschmidt, zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, der Kollege von den GRÜNEN hat Herrn Rentsch gerade als den „Flegel von der Regierungsbank“ bezeichnet.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ich habe es auch ganz genau gehört!)

Anstand ist keine Einbahnstraße; ich zeige das dem Präsidium an.

Herr Dr. Blechschmidt, wir haben hier vorne nicht gehört, was da gerufen worden ist.

(Zuruf von der CDU: Dann fragen Sie ihn doch!)

Herr Präsident, ich bestätige noch einmal, dass Herr Wagner dies gesagt hat. Es war nicht nur von mir klar und deutlich zu vernehmen; es war hier rundherum vernehmbar.

(Wortmeldung des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Wagner, Sie haben sich gemeldet? – Bitte schön.

Herr Staatsminister Rentsch hat gegenüber dem Parlament erklärt, dass Abgeordnete erst einmal ihren Verstand einschalten sollen. Ich habe das als Unverschämtheit gegenüber dem Parlament verstanden und habe das kommentiert mit: Das gilt auch für den Flegel von der Regierungsbank. – Dazu stehe ich. Wenn das Konsequenzen hat, dann ertrage ich sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist unglaublich! Dazu wird auch noch geklatscht!)

Herr Bellino.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir hier zum wiederholten Male erleben, ist unerträglich. Das hat mit einem parlamentarischen Ablauf nichts mehr zu tun. Es setzt sich jetzt in den Reihen der Opposition fort. Das wird auch noch beklatscht; das zeigt, auf welch einem Niveau dieser Landtag in Teilen angekommen ist. Die Erwiderung des Kollegen Wagner ist unparlamentarisch. Wir beantragen sofort das Zusammentreten des Ältestenrats. Es kann dabei nicht bleiben. Das ist ein unerhörter Vorgang.

Es ist die Einberufung des Ältestenrats beantragt. Dann werden wir uns im Raum 103 A treffen.

(Unterbrechung von 15:15 bis 15:53 Uhr)

Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen und mir vielleicht einen Moment die Aufmerksamkeit zu schenken.

Als Erstes erteile ich sowohl Herrn Staatsminister Rentsch als auch Herrn Abg. Wagner einen Ordnungsruf.

Als Zweites möchte ich an uns alle, wirklich alle, appellieren, dass wir die Spielregeln, die wir uns selbst gegeben haben und die ich hier oben nur zu überwachen habe, einhalten, dass wir uns gemeinsam verabreden, in Zukunft diese Spielregeln einzuhalten, auch vor dem Hintergrund, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass dieser Hessische Landtag und seine Abgeordneten in der Öffentlichkeit ein Bild unserer Gesellschaft abgeben, auf das jeder Bürger dieses Landes am Ende stolz sein können sollte.

Dies sage ich auch vor dem Hintergrund, dass wir noch einige Plenarwochen vor den vor uns liegenden Wahlen haben. Ja, wir werben alle um die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger. Aber wir sollten das fair tun, fair in den Spielregeln. Wenn wir dann am Ende am Wahltag sehen, wie die Wahlbeteiligung ist, dann müssen wir uns vielleicht fragen, was wir dazu beigetragen haben, dass der Bürger sagt: Ich gehe nicht mehr wählen.

Ich bitte, dass jeder das in seinem Herzen bewegt und wir jetzt hier mit der parlamentarischen Arbeit fortfahren können.

(Allgemeiner Beifall)

In der Rednerliste hatte sich noch Frau Wissler für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Wissler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorab: Manchmal frage ich mich, was die vielen Besucherinnen und Besucher, die zu uns kommen und den Debatten zuhören, eigentlich denken, wenn sie den Landtag verlassen, und welchen Eindruck sie vom Hessischen Landtag mitnehmen. Das frage ich mich, ehrlich gesagt, am heutigen Tag ganz besonders. Ich frage mich, ob sie nicht den Eindruck gewinnen, dass es hier manchmal nicht um Politik geht, sondern um ganz viel Klamauk.

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich einfach nicht stehen lassen möchte, was der Herr Minister zuletzt ausgeführt hat. Ich bin der Meinung, dass es nicht Aufgabe eines Ministers ist, sich hier zehn Minuten lang ans Rednerpult zu stellen und die Opposition zu beschimpfen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Eben!)

Ich finde, Sie hätten wirklich einmal zur Sache sprechen können. Sie hätten sagen können, was die Landesregierung in dieser Sache vorhat und welche Probleme es gibt.

Wenn Sie sich nur hier hinstellen und zurückweisen, was die GRÜNEN angeblich gesagt haben, möchte ich daran erinnern, dass wir heute Morgen auf Antrag der FDP eine Aktuelle Stunde erlebt haben, die zum Thema hatte, dass die Äußerungen der Abgeordneten Faeser angeblich die Sicherheit in Hessen gefährden. Wer so austeilt, der kann sich doch nicht beschweren, wenn man – was vollkommen logisch und legitim ist – fragt, welche Auswirkungen die Politik der Landesregierung in unterschiedlichen Politikfeldern auf die Sicherheit dieses Landes hat. Diese Frage ist legitim, und die Opposition in diesem Hause muss sie stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir leben im Jahr 2013. In Ihrem Redebeitrag haben Sie bei 2010 aufgehört. Es ist vollkommen unbestritten – das hat auch niemand anders behauptet –, dass die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2000 und 2010 zurückgegangen ist. Aber seitdem steigt sie das zweite Jahr in Folge wieder an. Da hätte ich schon erwartet, dass Sie als Minister sich hier hinstellen und sagen: Ja, wir haben uns das angeschaut. Wir haben analysiert, woran das liegen kann.

Jedoch einfach auszublenden, dass es diese zwei Jahre gibt, in denen die Zahlen nun einmal wieder angewachsen sind, sich nur hinzustellen und zu meinen, alles sei gut, und stattdessen die Opposition zu beschimpfen, Herr Minister, das geht so nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen hätte ich gerne Antworten von Ihnen gehört. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich vor zwei Monaten eine Kleine Anfrage gestellt habe. Sie haben sich beschwert, dass Frau Müller angeblich einen Zusammenhang hergestellt habe, den es so nicht gebe. Ich habe explizit gefragt, warum Sie nicht die Chance nutzen, diesen behaupteten Zusammenhang – wenn es ihn nicht gibt – zu widerlegen, Herr Minister.

Es wäre doch überhaupt kein Problem, zu sagen: Wir haben uns das angeschaut; die 20 zusätzlichen Todesopfer haben mitnichten etwas mit einer Aufhebung oder Anhebung des Tempolimits zu tun – es handelt sich um völlig andere Orte und Straßen. Das wäre doch eine Möglichkeit gewesen, wenn es keinen Zusammenhang gibt. Da frage ich mich, weshalb Sie seit zwei Monaten nicht in der Lage sind, meine Fragen zu beantworten, und warum Sie diese Fragen auch heute nicht beantwortet haben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau!)

Das Argument, dass es weniger Unfälle auf den Straßen gibt, wenn langsamer gefahren wird, ist auch keines, das sich die Opposition ausgedacht hätte. Dazu gibt es Studien und Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation, Herr Minister. Ich bin sicher, Sie kennen sie. Darin wird untersucht, wie Geschwindigkeiten und Tempolimits mit der Verkehrssicherheit zusammenhängen. Ich sage noch einmal: Wenn sogar der Beirat des Verkehrsministeriums auf Bundesebene zu dem Schluss kommt, dass ein Tempolimit sinnvoll wäre – gerade im Hinblick auf die Verkehrssicherheit –, dann können Sie das hier nicht einfach vom Tisch wischen und so tun, als sei das völlig indiskutabel.

Sie haben dazu eine andere Meinung; das nehme ich zur Kenntnis. Aber Sie können sich nicht einfach hinstellen und behaupten, dass es da überhaupt keinen Zusammenhang gebe.

Das Tempolimit ist längst europäische Normalität. Die GRÜNEN sind dafür, DIE LINKE ist dafür, die SPD ist dafür. Warum führen wir dann kein Tempolimit ein?

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Weil Sie keine Mehrheit haben!)

Ich habe mich schon bei den Ausführungen von Herrn Frankenberger gewundert. 2007 haben Sie auf Ihrem Parteitag in Hamburg ein Tempolimit von 130 km/h beschlossen. Ich habe mir das noch einmal durchgelesen. Sie fordern ein Tempolimit von 130 km/h. Hier steht auch: Der Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Oskar Lafontaine, begrüßte den SPD-Beschluss.

(Günter Rudolph (SPD): Wer war das? Den kenne ich nicht mehr! Dann ist das jetzt auch kein Argument!)

Ich hoffe, dieses Lob hat nicht dazu geführt, dass Sie den Beschluss zurückgenommen haben. Jedenfalls habe ich gelesen, dass Sie das beschlossen haben. Deshalb war ich der Meinung, dass die SPD nach diesem Parteitagsbeschluss ebenfalls Anhänger eines Tempolimits ist.

Ich denke, es ist vollkommen legitim, diese Fragen zu stellen, Herr Minister. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie sie beantwortet hätten. Vielleicht tun Sie es noch; das würde mich freuen. Ich glaube, das ist die Aufgabe eines Ministers – nicht jedoch, hier wiederholt die Opposition zu beschimpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Wissler. – Herr Staatsminister Rentsch.

Herr Präsident, Frau Kollegin Wissler, ich bin völlig Ihrer Meinung, dass das Thema Verkehrstote definitiv ein Thema ist, um das sich eine Landesregierung kümmern muss. Wir sind uns auch einig, dass Fragen, die die Opposition stellt, zu beantworten sind. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihre Kleine Anfrage diese Woche beantwortet – leider zu spät; dafür entschuldige ich mich. Die Antwort müsste nächste Woche beim Hessischen Landtag eingehen.

Zwischen einer Frage und einer Feststellung gibt es jedoch einen qualitativen Unterschied. Frau Kollegin Müller hat eine Feststellung getroffen. Diese Feststellung, die gegenüber dem Kollegen Posch und mir – das sage ich noch einmal – alles andere als angemessen ist, lautete, dass durch die Aufhebung von Tempolimits auf Autobahnen in Hessen mehr Menschen sterben. Das können wir so nicht stehen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn die Zahlen belegen das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb, denke ich, ist es natürlich immer ein schmaler Grat zwischen Feststellung und Fragestellung. Aber ich glaube, dass wir alle in der Lage sein sollten. Dann sage ich auch: Ja, es ist vielleicht auch angemessen, wenn man einen Vorwurf erhebt, der so in das Persönliche geht, dass man gelegentlich auch etwas emotionaler wird. Alles andere wäre relativ unwahrscheinlich, dass man so etwas einfach an sich abtropfen lässt.

Dann muss man aber auch über die Frage sprechen, warum in Hessen auf den Autobahnen deutlich weniger Verkehrstote vorhanden sind. Dazu kann ich Ihnen sagen: Wir haben gemeinsam mit Hessen Mobil festgestellt, dass wir gerade in den Bereichen, wo wir mit Telematiksystemen arbeiten – ich habe gerade mit dem Kollegen Posch gesprochen, ca. zwei Drittel unserer Autobahnen werden mit elektronischen Systemen tempogesteuert –, wenn diese Systeme alle aktiv sind, wahrscheinlich auf zwei Dritteln unserer Autobahnen eine Tempobeschränkung haben.