Protokoll der Sitzung vom 23.04.2013

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir brauchen mehr denn je alle jungen Menschen. Wir sind völlig verrückt, wenn wir sie der Drogenszene, der Prostitution, dem Diebstahl und der Gewalt ausliefern. Helfen Sie, den jungen Menschen in unserem Land mit diesem Gesetz eine neue Perspektive zu geben.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Das Wort hat Herr Abg. Honka, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede ächzt man eher, wenn man zugehört hat, was hier eben vorgetragen worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das hatte mit der Realität in unserem Land und mit dem Jugendarrest in Hessen relativ wenig bis gar nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als ich mir den Gesetzentwurf und Ihre Begründung durchgelesen habe, hatte ich bis zu dem Moment des Beginns Ihrer Rede das Gefühl, dass es Ihnen darum geht, eine sinnvolle gesetzliche Grundlage zu schaffen. Als ich eben Ihre Rede gehört habe, hatte ich nur noch das Gefühl, es geht Ihnen darum, irgendwelche Positionen vorzutragen und Wünsche zu äußern. Nebenbei haben Sie ganz vergessen, dass das, was Sie hier vortragen – Sie haben das so schön mit einer Expertenanhörung umschrieben –, in Nordrhein-Westfalen abgeschrieben ist. Von daher würde ich an der Stelle ein bisschen vorsichtig sein mit all dem, was Sie hier verkündet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Heike Hofmann (SPD): Sie können anscheinend nicht genau lesen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fakt ist, dass sich seit dem Sommer 2009 eine Arbeitsgruppe fast aller Bundesländer und des Bundesjustizministeriums mit dem Thema Rechtsgrundlage für den Jugendarrestvollzug in Deutschland beschäftigt. Die Federführung dieser Gruppe haben – man höre und staune – Hessen und Niedersachsen. Von daher ist es schon extrem dreist, wenn man so tut, als wäre der Jugendarrestvollzug in Hessen fernab jeglicher Realität. Das geht vollkommen an der Realität vorbei.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Es ist für mich und die Kollegen meiner Fraktion, und, ich glaube, auch für die der FDP nicht sonderlich erstaunlich, dass das, was in dieser Arbeitsgruppe seit dem Jahr 2009 ausgearbeitet worden ist, bereits im Jahr 2010 im ersten Muster vom Strafrechtsausschuss mit Mehrheit vollkommen gebilligt und angenommen worden ist. Das heißt, man arbeitet richtig am Problem. Ich glaube, das ist auch der richtige Weg.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist keine gesetzliche Regelung!)

Ja, das ist noch nicht die fertige gesetzliche Regelung. Frau Kollegin Faeser, das stimmt vollkommen. Aber eines hat es in den letzten Jahren doch gezeigt: Wir haben seit Beginn dieser Wahlperiode einige Strafvollzugsregelungen, auch für den Jugendstrafvollzug – wir reden in erster Linie über den Vollzug –, geschaffen. Diese sind nicht nur theoretisch am Anfang gut herübergekommen, sondern sie sind auch von der Praxis gut aufgenommen worden, weil sie richtige und ausgewogene Konzepte geboten haben. Für den Jugendarrest ist nämlich auch wichtig, dass wir ein Gesetz fertigstellen, das auch in der Praxis differenzierte Lösungen für alle Probleme anbietet, die im Vollzug bestehen können.

Auf den ersten Blick fällt uns auf – wir haben noch die Möglichkeit, im Rahmen der Anhörung, in zweiter, dritter und sonstiger Lesung darüber zu diskutieren –, dass Sie

vollständig auf Disziplinarmaßnahmen verzichten wollen. Das ist zumindest aus unserer Sicht nicht optimal, um nicht sogar zu sagen, das ist negativ. Dann fällt auch noch auf, dass Sie z. B. Behandlungsangebote für Warnschussarrestanten an der Stelle gänzlich ausblenden. Ich weiß, dass Sie das Projekt des Warnschussarrests nicht mögen. Das ist klar. Aber dass Sie so tun, als gäbe es Warnschussarrestanten nicht, ist vollkommen sträflich.

In diesem Sinne werden wir uns der Gesetzesberatung stellen, sehr kritisch, wie ich gleich anmerken darf. Ich freue mich auf die weitere Beratung bereits heute Abend im Ausschuss.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. May, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es sollte eigentlich unstrittig sein, dass der Jugendarrest zurzeit nur rudimentär geregelt ist. Ich verstehe auch nicht, wieso Sie, Herr Honka, die Ausführungen der Kollegin Hofmann kritisieren; denn Ihren Ausführungen war zu entnehmen, dass diese Landesregierung schon dabei ist, ein Jugendarrestgesetz zu entwerfen, und an einer Gesetzesvorlage arbeitet. Ihre Argumentation läuft an dieser Stelle ins Leere.

Ich weiß nicht, ob der Jugendarrest tatsächlich danach lechzt, dass wir ein neues Gesetz machen. Ich kann aber berichten, dass zumindest im Gespräch mit den Praktikern dem Kollegen Bocklet und mir in der Jugendarrestanstalt in Gelnhausen doch sehr deutlich gemacht wurde, dass eine eigene gesetzliche Grundlage erforderlich wäre, weil es dort in der täglichen Praxis immer wieder zu Behinderungen kommt – beispielsweise, was die Arbeit mit externen Bildungs- und Kooperationspartnern oder was die Ausführungen angeht. Das ist ein Problem, weswegen wir uns nicht darüber streiten sollten, ob das Gesetz sinnvoll ist oder nicht – es ist sinnvoll. Der Aufschlag, es einzubringen, ist daher richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir als GRÜNE haben den Jugendarrest in der Vergangenheit auch kritisch betrachtet. Man muss ihn auch kritisch betrachten, wenn man bedenkt, dass die Rückfallquote – je nachdem, welche Untersuchung man sich anschaut – zwischen 60 % und 70 % liegt. Damit ist der Jugendarrest, wie er aktuell betrieben wird, kein Erfolgsmodell.

(Nancy Faeser (SPD): So ist es!)

Grundsätzlich sage ich aber, dass wir zum Jugendarrest stehen und ihn – wenn er richtig ausgestaltet ist – für eine vernünftige Sanktionsmaßnahme, eine Zwischenstufe für Jugendliche halten, um ein direktes Signal zu setzen. Wie gesagt, kommt es dabei aber auf seine Ausgestaltung an. Deswegen ist es nicht verkehrt, hier einen Aufschlag zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Abgeordnete haben es so gesehen, nachdem wir die Anstalt in Gelnhausen besucht haben. Erfahrungsgemäß haben wir aber erst einmal bei der Landesregierung angefragt, ob es etwas geben würde, was sie auf den Weg gebracht haben könnte, und ob sie bestimmte Ziele habe. Darauf wurde erwidert, dass es eine Arbeitsgruppe gebe, und in der Antwort wurden uns die Ziele des Jugendarrestgesetzes, wie es ungefähr ausfallen sollte, beschrieben. Mit diesen Zielen waren wir im Grunde einverstanden; die gingen in die richtige Richtung. Daher haben wir als Fraktion erst einmal keinen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, weil wir darauf gebaut haben, dass zu diesem Thema ein Entwurf von der Landesregierung kommen würde und es vielleicht eine Verständigung über die Parteigrenzen hinweg geben könnte.

Ich erinnere an die Arbeitsgruppe der Länder. Da andere Länder schon so weit sind, eigene Gesetzentwürfe in ihre Parlamente einzubringen, verstehe ich nicht, wieso es in Hessen länger dauern soll. Ich finde es darum nicht zu kritisieren, dass sich die SPD-Fraktion an Nordrhein-Westfalen orientiert und einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht hat. An diesem können wir uns jetzt orientieren und damit die Schaffung eines hessischen Jugendarrestgesetzes beschleunigen. Daher ist dies nicht zu kritisieren.

Für uns GRÜNE ist klar, dass der Jugendarrest gleichermaßen Erziehung und Repression vereinen muss. Das ist kein Widerspruch, vielmehr sind das zwei Seiten einer Medaille. Der Jugendarrest muss dazu in einer zeitlichen Nähe zu der Tat stehen, für die der Jugendliche den Arrest erhält, damit er es auch versteht. An sich bedeutet die Arrestierung für uns schon eine sinnvolle Maßnahme, auch um den Jugendlichen einmal etwas zur Ruhe kommen zu lassen, ihm die Zeit zur Reflexion zu geben und damit zugänglicher für Bildungs- und Beratungsangebote zu machen. Daher geht der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion grundsätzlich in die richtige Richtung.

Im Detail haben wir da sicherlich noch mehr zu debattieren. Auch wir haben den Warnschussarrest in der Vergangenheit kritisch diskutiert; ihn ganz herausfallen zu lassen, fänden wir aber ungünstig. Da muss im Detail noch etwas nachgesteuert werden. Auch wenn sich das, was die SPDFraktion hier vorgelegt hat, an der Arbeit anderer Landesparlamente orientiert, ist es grundsätzlich ein richtiger Aufschlag, dieses Thema hier auf die Tagesordnung zu bringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich erteile Herrn Abg. Müller von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPDFraktion, wenn Sie den Jugendarrest verbessern wollen, ist dieser Gesetzentwurf jedenfalls nicht der richtige Weg. Dazu müssten erheblich mehr und konkretere Forderungen hinein. Genau das ist das Problem. Es müsste zum Warnschussarrest, der dort als pauschale Regelung ohne jegliche Ausgestaltung aufgeführt ist, gesagt werden, dass dieser anders als beispielsweise der Dauerarrest und andere Ar

restformen ausgestaltet werden müsste. Dazu fehlen jegliche Formulierung und jeglicher Ansatz.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Wo ist denn Ihr Entwurf?)

Sie wollen ihn nicht; das ist in Ordnung. Aber es gibt ihn, weswegen er auch geregelt werden muss. Das ist ein erhebliches Defizit an diesem Gesetzentwurf, das wir in der Tat aufzeigen müssen. Hier bestehen einfach Mängel.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Die GRÜNEN haben sich klar zum Arrest bekannt. Bei der SPD war das nicht so ganz genau erkennbar. Ich glaube, wenn alle, die bei der Einweihung der Jugendarrestanstalt in Gelnhausen anwesend waren,

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Eine schöne Stadt!)

auch zugehört haben, konnten sie den Ausführungen in dieser sehr schönen Stadt entnehmen, welche Bedeutung der Jugendarrest hat. Von den Experten vor Ort ist sehr eindrucksvoll dargelegt worden, dass auch die Arrestformen sehr wohl eine sehr wichtige Bedeutung haben, dass dort zum Teil Grenzen aufgezeigt werden und dass – wie gerade schon bemängelt wurde – unter Umständen der Arrest auch schon zu spät verhängt worden ist. All diese Punkte sind zu besprechen und zu regeln.

Es kommt ein bisschen so rüber – ich habe eben den Zwischenruf vernommen –, dass Sie den Gesetzentwurf eingebracht haben, aber so richtig begeistert sind Sie vom Jugendarrest insgesamt nicht, vom Warnschussarrest schon gar nicht.

(Zuruf von der SPD)

Deswegen sind die Ausführungen und die Formulierungen, dass das eigentlich alles zu kurz sei und viel länger dauern müsste, weil man in dieser kurzen Zeit gar keine pädagogischen Maßnahmen umsetzen könne, nicht so richtig nachzuvollziehen. Da hat sich Herr May schon deutlich konkreter und sinnvoller eingelassen, als es bei Ihnen der Fall gewesen ist, Frau Hofmann.

(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Was ist denn der logische Schluss aus Ihren Formulierungen? Dass man den Arrest noch einmal verlängern sollte, damit man mehr Zeit hat, um entsprechend auf die Jugendlichen einzuwirken? Das kann doch nicht der logische Schluss sein, den Sie eben hier gezogen haben.

Ich glaube, dass, wie schon bei den Vorhaben, bei der Sicherungsverwahrung und den anderen Vollzugsgesetzen in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit den anderen Bundesländern einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen – und Hessen ist mit dem Justizministerium dort federführend dabei –, die Abstimmung der Bundesländer untereinander abgewartet werden muss, um die Erkenntnisse aus den vielen Diskussionen zu berücksichtigen und dann einen wirklich sinnvollen und guten Entwurf in Hessen auf den Weg zu bringen, in dem all die Dinge stehen, die ich vorhin angedeutet habe und die in dem vorliegenden Entwurf fehlen. Das wird unser Weg sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dennoch sind wir gespannt auf eine Anhörung. Ich kann allerdings sagen, dass dieser Gesetzentwurf sehr viel Theo

rie ist und wenig Praxisbezug zu Hessen hat. Wir müssen schauen, ob das ausgemerzt werden kann, wobei ich nicht weiß, ob wir es bei diesem Gesetzentwurf schaffen; denn das würde sehr viel Änderungsbedarf bedeuten. Vor allem würde es nicht funktionieren, die entsprechenden Abstimmungen der Bundesländer und die daraus gewonnenen Erkenntnisse einzubeziehen.

Deswegen ist dieser Gesetzentwurf – Frau Hofmann, Sie haben völlig recht, wenn Sie das gerade gesagt haben – ein Schnellschuss, und das machen wir nicht mit.

(Heike Hofmann (SPD): Das habe ich nicht gesagt!)