Protokoll der Sitzung vom 21.05.2013

Die Hessische Landesregierung führt seit dem Jahr 2004 – also alles langfristige Maßnahmen – eine Kongressreihe zum Thema „Vereinbarkeit Familie und Beruf“ in Kooperation mit der „Hessenstiftung – Familie hat Zukunft“ durch, um den Dialog mit den gesellschaftlichen Kräften, insbesondere der Wirtschaft, zu vertiefen. Themen waren unter anderen: „Kinder bilden – Zukunft schaffen“, „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ von 2008 und zuletzt „Zukunft der Arbeits(zeit)gestaltung: zwischen Fachkräftebedarf und Familienorientierung“.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Hessische Landesregierung hat schon viele Anstrengungen unternommen, Hessen zu einem attraktiven Land für Familien zu machen. Und die Familien bestätigen, dass Hessen ein attraktives Land ist.

Hierzu gehört auch, gute Lebensbedingungen für alle Generationen in Hessen zu schaffen. So ist die Hessische Landesregierung im Rahmen ihrer seniorenpolitischen Initiative den gravierenden Veränderungen, mit denen unsere Gesellschaft künftig konfrontiert sein wird, mit nachhaltigen politischen Lösungen und neuen Handlungsstrategien begegnet.

Vor allem aber wollen wir einem sich wandelnden gesellschaftlichen Bild des Alters Rechnung tragen. Die Lebensphase des Alters ist nicht mehr allein mit Krankheit und Pflege zu identifizieren, sondern umfasst zahlreiche Facetten, die es bei der Weiterentwicklung der Seniorenpolitik in Hessen zu berücksichtigen gilt – Seniorenpolitik als Teil der Familienpolitik.

So fördert Hessen als einziges Bundesland den Auf- und Ausbau von Seniorenbegegnungsstätten, in denen es nicht nur um Information und Beratung geht, sondern um das Miteinander, um Freizeit, Kultur und Weiterbildung. Auch das Modellprojekt Koordinierungsstellen für Senioren- und Generationenhilfe wird mit Landesmitteln nachhaltig unterstützt.

Für Sanierung, Modernisierung, Neu- und Ersatzneubaumaßnahmen im Bereich der Altenhilfe stellt das Land darüber hinaus seit 2012 jährlich 25 Millionen € an Zuschüssen und Darlehen zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, alle diese Anstrengungen zeigen, dass die Hessische Landesregierung seit Jahren kontinuierlich Familienpolitik zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht hat, dass wir Familien insgesamt Unterstützung geben. Wir wollen darauf achten, dass wir die Rückkehr in den Beruf jederzeit ermöglichen und auch Wahlfreiheit garantieren. Gerade durch den Ausbau der Kinderbetreuung, aber auch durch Verbesserungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird der Grundstein zur Bewältigung der zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen gelegt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine moderne Familienpolitik gibt auch eine Antwort auf die Frage der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Denn viele im Erwerbsleben Stehende befinden sich in einer Situation, in der sie sich einerseits um ihre Kinder und andererseits um ihre Eltern oder weitere Angehörige kümmern müssen. Diese Doppelbelastung führt häufig dazu, die eigenen Interessen und das eigene Wohl hintenanzustellen.

Hier müssen wir Unterstützung und Hilfe geben. Wir müssen die verschiedenen Herausforderungen in Einklang bringen. Wir müssen anerkennen, dass Eltern ihre Kinder zu Hause großziehen wollen und dass die Kinder ihre Eltern zu Hause pflegen möchten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Für all das muss ein Bewusstsein geschaffen werden. Das sind Herausforderungen, denen wir letztendlich – –

Herr Staatsminister, ich erlaube mir den Hinweis, dass die für die Fraktionen vorgesehene Redezeit erreicht ist.

Jawohl, ich komme gleich zum Schluss der Rede. – Wir leben heute in der Tat in einer hoch technisierten Dienstleistungsgesellschaft. Sie fordert ein Höchstmaß an Mobilität und Flexibilität. Gleichzeitig müssen wir aber Zuwendung geben können. Wir müssen den Raum für Zuwendungen ermöglichen. Wir müssen das erleichtern. Das tun wir mit der Unterstützung und Stärkung der Familie als dem Kristallisationspunkt unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ohne Zweifel sind die Familien und insbesondere Kinder die Grundpfeiler für den Fortbestand unseres Gesellschaftsmodells. Daher ist es folgerichtig, dass die Politik die Menschen in ihrem Wunsch nach Kindern unterstützt und die geeigneten Rahmenbedingungen zur Erfüllung dieses Wunsches zur Verfügung stellt und im weiteren Verlauf die Familie schlicht und einfach stärkt und unterstützt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Die Hessische Landesregierung richtet ihre Familienpolitik konsequent an diesen Erfordernissen aus und trägt dabei den Wünschen und Vorstellungen der Betroffenen Rechnung. Dabei wird sie die Familienpolitik in all ihrer Vielfalt und Breite weiterhin modern gestalten. Der Schutz und die Unterstützung der Familie stellen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb besteht unser Anspruch darin, die qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in Hessen durch eine bedarfsgerechte Versorgung in der Kinderbetreuung, auch für Kinder unter drei Jahren, weiter zu verbessern, die Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Pflege weiter auszubauen, insbesondere durch noch gezieltere Unterstützung der Unternehmen, die Maßnahmen zu fördern, die pflegende Angehörige entlasten. Denn wir haben das Ziel, unser familienfreundliches Klima in Hessen Hand in Hand mit allen gesellschaftlichen Akteuren nicht nur zu erhalten, sondern weiter auszubauen.

Lassen Sie uns gemeinsam die Chancen nutzen, die mit einer familienorientierten Politik verbunden sind, und lassen Sie uns gemeinsam für ein familienfreundliches Hessen einstehen. Denn Hessen hat Familiensinn.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister Grüttner, vielen Dank. – Den Oppositionsfraktionen ist jeweils eine Minute Redezeit zugewachsen.

Bevor ich die Aussprache eröffne und Herrn Merz für die SPD-Fraktion ans Mikrofon bitten darf, erlaube ich mir, den früheren Staatssekretär, Herrn Karl-Winfried Seif, zu begrüßen. – Herr Seif, seien Sie uns auf der Besuchertribüne herzlich willkommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Merz, Sie haben das Wort. Möglich sind bis zu 31 Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Trotz des leicht aggressiven und auch etwas wirren Beginns der Rede des Herrn Staatsminister Grüttners – vielleicht komme ich bei Gelegenheit noch darauf zurück – will ich, eigentlich wie immer, zu Beginn meiner Ausführungen mit etwas Positivem beginnen, und zwar damit, dass – –

Herr Merz, eine Sekunde noch. – Ich möchte Sie bitten, die Plätze einzunehmen oder das Gespräch nach außen zu verlegen. – Herr Merz, bitte schön.

Herr Minister Grüttner, ich möchte sagen, dass ich mich gefreut habe. Gleichzeitig war ich ein wenig darüber erstaunt, dass es diese Regierungserklärung überhaupt gegeben hat.

Herr Minister, ich war erfreut, weil ich schon begonnen hatte, mir darüber Sorgen zu machen, dass Sie bei diesem nicht enden wollenden Los-Wochos-Reigen, den die Landesregierung seit Monaten über Gerechte und Ungerechte hereinbrechen lässt, vergessen gegangen wären. Allerdings wäre das angesichts des Zustandes der hessischen Familienpolitik auch nicht wirklich verwunderlich gewesen. Denn es gibt nichts, was man leichter als die hessische Familienpolitik vergessen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marcus Bocklet und Daniel May (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Vom Standpunkt der Plausibilität aus hätte man übrigens eher annehmen können, dass man das Thema Familienpolitik angesichts des vollständigen Kommunikations- und Marketingdebakels mit dem Entwurf des Kinderförderungsgesetzes erst einmal auf Eis legt und den Mann, der für dieses Debakel in allererster Linie verantwortlich ist, aus dem Verkehr zieht. In diesem Land mussten schon Ministerinnen und Minister aus geringerem Anlass zurücktreten.

Herr Minister Grüttner, Sie haben es immerhin fertiggebracht, mit einer einzigen Gesetzesvorlage, die Sie dazu gar nicht selbst eingebracht haben, das ganze Land rebellisch zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn in diesem Land irgendetwas die Bezeichnung Aktionswoche verdient hätte, dann ist es doch das, was Sie mit diesem Gesetzentwurf ausgelöst haben. Dazu sage ich herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank von meiner Seite aus. Denn das wird Ihr wesentliches familienpolitisches Verdienst bleiben. Denn Sie haben uns, allerdings mit den falschen Mitteln, immerhin eine intensive Debatte über die Frage der frühkindlichen Bildung beschert.

Das ist der Punkt, weshalb ich dann am Ende doch erstaunt war, als ich von der Absicht hörte, dass dem endlosen Reigen der Pseudoaktionswochen und der darauf folgenden substanzlosen Regierungserklärungen, die wiederum von noch substanzloseren Anträgen der Koalition begleitet werden, nun dieses folgt.

(Zuruf von der FDP: Oppositionsanträge!)

Ich war allerdings nicht wirklich auf das gespannt, was kommen würde. Meine Erwartungshaltung wurde auch in vollem Umfang erfüllt. Denn es war an weniger als an fünf Fingern abzählbar, dass Sie sich mit den Leistungen Dritter, vor allem denen der Kommunen und der freien Träger, brüsten würden. Sie haben erneut versucht, Ausgaben für sich zu reklamieren, die von anderen und insbesondere mit anderer Leute Geld getätigt werden. Sie haben die vereinzelten Modellversuche und Förderlinien, die tatsächlich mit Landesgeld bestritten werden und die sich dann auch allesamt im Entschließungsantrag der Koalition wiederfinden – so viele sind es am Ende auch nicht –, hier zu revolutionären Taten aufgeblasen. Sie haben die im Grunde nach wie vor alberne Geschichte mit der Familienkarte hier noch einmal zelebriert.

(Holger Bellino (CDU): Der Erfolg spricht eine andere Sprache!)

Da ich jetzt gerade bei der Familienkarte bin, möchte ich anmerken, dass Ihnen im Zusammenhang mit dem Versuch, das noch einmal mit den vorausgegangenen Aktionswochen zu vermarkten, ein paar Meisterstücke der Selbstentlarvung gelungen sind. Ich will jetzt gar nicht die berühmten Beispiele, die wir alle kennen, wiederholen. Doch, das eine möchte ich wiederholen. Das ist das mit dem günstigeren Einkauf des Öko-Katzenstreus und das mit dem leichteren Zugang zu den pädagogisch wertvollen Angeboten von Super RTL. Das war mir neu. Das finde ich schon „beeindruckend“.

(Heiterkeit des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ihnen sind also bei dem Versuch, das noch einmal zu vermarkten, doch ein paar sehr entlarvende Kabinettstückchen gelungen. Mit einer der ersten Presseerklärungen zu dieser Aktionswoche hat Frau Staatssekretärin Müller-Klepper darauf hingewiesen, dass man bei einem bestimmten Träger mit der Familienkarte Selbstverteidigungskurse kostengünstiger besuchen kann. Das tut dieselbe Landesregierung, die mit der „Operation düstere Zukunft“ alle Landeszuschüsse für Projekte gegen Gewalt in Familien und vor allem gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder drastisch gekürzt bzw. gestrichen hat. Sie lässt bis jetzt bei der Umsetzung des Landesaktionsplans gegen sexuellen Missbrauch jeden Ehrgeiz vermissen. Deshalb hat sie sorgfältig vermieden, auch nur einen konkreten Punkt in diesen Landesaktionsplan zu schreiben.

Herr Minister, hier haben Sie die Antwort auf die Ausfälligkeiten vom Anfang Ihrer Rede. Sie haben gefragt, was Punkt 10 unseres Dringlichen Entschließungsantrags mit der Familie zu tun habe. Das hat er damit zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zweiter Punkt. Herr Minister, vielleicht war es deshalb nur konsequent, dass einer der Preise, die man bei der Osteraktion der Familienkarte Hessen gewinnen konnte, ein Besuch im Senckenbergmuseum war, und zwar einer gemeinsam mit Ihnen. Wahrscheinlich wurde das deswegen gemacht, damit die Menschen einmal sehen, dass es tatsächlich noch lebende Dinosaurier gibt

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

und dass Sie als Familienpolitiker in der hessischen CDU allen frauen- und gleichstellungspolitischen Kometeneinschlägen getrotzt haben. Denn das ist das tiefer gehende Geheimnis der Familienpolitik der hessischen CDU.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie wird von Leuten gemacht, die erst jemanden wie Kristina Schröder zur Bundesfamilienministerin machen, die sie dann bei der Aufstellung der Liste zur Bundestagswahl abmeiern und sie dann schon vorsorglich einmal als Bundesfamilienministerin demontieren, und zwar mit der sprechendsten aller Begründungen, nämlich der, dass ausgerechnet die Bundesfamilienministerin mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf überfordert sei.

Ich beschäftige mich hin und wieder mit Satire. Vom Standpunkt der Satire aus will ich Ihnen sagen: Ich hätte das nicht erfinden können.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)