Protokoll der Sitzung vom 22.05.2013

Hollande ist nun ja auch kein Vorbereiter des kapitalistischen Endes, sondern im Grunde genommen verwaltet er sozialdemokratisch die Situation in Frankreich, wie das andere auch hier bei uns getan haben. Von daher ist die Kritik – –

(Karlheinz Weimar (CDU): Dann ist es ja gerechtfertigt! – Anhaltende Unruhe)

Einen Moment, bitte. – Ich bitte um etwas mehr Ruhe; auch von den rückwärtigen Bänken muss man nicht so laut rufen.

(Zuruf von der CDU: Das ist ungeheuerlich!)

Herr Weimar und ich verstehen uns. Wir haben mit einer Besuchergruppe über die Spaltung der Gesellschaft diskutiert. Sie haben gesagt, das sei eines Ihrer Hauptprobleme. Das ist bei Ihrem Ministerpräsidenten leider noch nicht angekommen. Das finde ich bedauerlich.

(Beifall bei der LINKEN – Ministerpräsident Volker Bouffier: Was will der eigentlich da vorne?)

Ich will noch einmal auf einen Punkt eingehen, auf den die Oppositionsredner bisher noch nicht eingegangen sind, das Ehegattensplitting, das Sie hier so euphorisch in den Mittelpunkt der Ungerechtigkeitsstrategie gestellt haben. Das Ehegattensplitting fördert Familien und das Zusammenleben mit Kindern, sofern Ehen mit ungleich verteilten Einkommen vorhanden sind.

(Petra Fuhrmann (SPD): Am besten Ehen, wo einer kein Einkommen und der andere ein sehr hohes hat!)

Der Steuergewinn ist dann am größten, wenn ein sehr hohes Einkommen des einen allein verdienenden Partners auf zwei Personen verteilt wird. Die maximalen Splittingvorteile entstehen, wenn ein zu versteuerndes Einkommen von 500.000 € vorliegt, dann beträgt die durch das Ehegattensplitting gewonnene Geldmasse 15.600 €. Die bezahlen wir sozusagen über die Steuern dazu. Das kostet den Staat jährlich 20 Milliarden €.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Was? Das bezahlen Sie dazu?)

Nein, die kriegen das als Entlastung; die gewinnen natürlich im Grunde genommen 15.600 €. Es würden sich alle Hartz-IV-Empfänger darüber freuen, davon auch nur 10 % zu bekommen.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Greilich (FDP): Das ist Räubermentalität!)

Von daher wollen Sie – das ist nach wie vor Ihre Politik – die Armen ärmer und die Reichen reicher machen. Dafür wollen Sie im Grunde noch einmal die Verkleisterung der Opposition herbeiführen. Aber die Menschen draußen glauben Ihnen das einfach nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Doch? – Bitte schön, Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will doch noch auf einige wenige Aspekte der Debatte eingehen, weil ich den Eindruck habe, dass natürlich versucht wird, rhetorisch alles in die Waagschale zu werfen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Weil es dem Ministerpräsidenten nicht gelungen ist!)

Frau Wissler, lassen Sie mich den Satz vielleicht noch zu Ende führen, bevor Sie Ihre rhetorischen Zwischenrufqualitäten an den Tag legen. – Herr Al-Wazir, die heutige Forsa-Umfrage zeigt offenbar etwas: Für die GRÜNEN geht es nach der Diskussion um die Steuerpläne wieder einen Punkt runter, die Union steigt an der Stelle wieder. Aber das ist gar nicht mein Thema.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Bürgerinnen und Bürger entwickeln offensichtlich ein Gefühl dafür, dass die Steuerpläne, für die Sie mit dem Vortrag vorgeben, nur die da oben treffen zu wollen, ein sehr hohes Risiko aufweisen, dass es doch wieder die da unten trifft und sie die Suppe am Ende auslöffeln müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wie immer!)

Lassen Sie mich das an zwei Beispielen konkret machen:

Erstens. Die GRÜNEN fordern eine Vermögensabgabe. Interessant ist, dass das grün-regierte Land Baden-Württemberg im Deutschen Bundesrat trotz eindeutiger Mehrheitsverhältnisse und trotz mannigfaltiger Gesetzesinitiativen jedenfalls bisher keinen Gesetzentwurf zur Erhebung einer solchen Vermögensabgabe vorgelegt hat. – Aus gutem Grund, denn all diejenigen, die sich damit etwas detaillierter befassen, wissen ziemlich genau, dass es in diesem Land nur zweimal eine Vermögensabgabe gegeben hat, nämlich einmal nach dem Ersten Weltkrieg zur Finanzierung der Reparationen und einmal 1952 zur Finanzierung des Lastenausgleichs.

Wenn Sie sich dazu die Entscheidung des Bundeverfassungsgerichts anschauen, unter welchen Bedingungen es eine Vermögensabgabe für zulässig hält, dann werden Sie feststellen, dass das Korsett, in dessen Grenzen es überhaupt eine Regelung für denkbar erachtet, so eng ist, dass jedenfalls die grüne Regierung in Baden-Württemberg noch nicht den Mut gehabt hat, einen Gesetzentwurf vorzulegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zweitens. Stichwort: Vermögensteuer. Das ist noch interessanter. Die Vermögensteuer gibt es nicht erst seit vorgestern nicht mehr, sondern das Bundesverfassungsgericht hat sie, glaube ich, im Jahr 1995 für verfassungswidrig erklärt. Das Jahr 1996 war das letzte Erhebungsjahr, wenn ich mich richtig erinnere.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wegen der Politik von Herrn Kohl!)

Von 1998 bis 2005 regierten in diesem Land SPD und GRÜNE. Sie hätten sieben Jahre lang die Gelegenheit gehabt, die Vermögensteuer auf neuer rechtlicher Grundlage wieder einzuführen. – Meine Damen und Herren, Sie haben es nicht getan. Danach finden wir diese Debatte in nahezu jeder wahlkampfplakatmotivierten Diskussion, aber niemals in einem realen Gesetzentwurf.

Warum haben denn die rot-grünen Länder im Deutschen Bundesrat noch keinen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Vermögensteuer eingebracht? – Das ist doch relativ eindeutig, weil die gleiche Studie, die Herr Schmitt vorhin zitiert hat, deutlich gemacht hat, wo die Risiken liegen.

Wenn Herr Steinbrück sagt, alles, was betriebliches Vermögen sei, solle nicht vermögensbesteuert werden, und Sie nur noch das private Vermögen besteuert wissen wollen, dann wissen Sie genauso gut wie ich, dass dann die Verfassungsgerichtsentscheidung von 1995 wieder zuschlägt und Sie im Bereich der eklatanten Verfassungswidrigkeit sind

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Noch ein drittes Argument, meine Damen und Herren. In der gleichen Studie des DIW ist die Frage gestellt worden: Wie wirkt sich denn eine Vermögensbesteuerung am Ende auf konkrete Sachverhalte aus? – Dann nehmen wir einmal einen solchen Fall. Ein Bäckermeister betreibt seine Bäckerei in der Rechtsform einer GmbH. Am Ende des Jahres hat er einen Gewinn von 50.000 € in der Kasse. Das ist für das Arbeitspensum eines Bäckermeisters wahrlich nicht viel. In der Rechtsform der GmbH zahlt er nach den Plänen, die das DIW analysiert hat und die Sie sich zu eigen gemacht haben, 5.000 € Vermögensteuer. Ist das einer der Superreichen von „da oben“? – Nein, das ist einer wie Sie und ich aus dem deutschen Mittelstand, den Sie an der Stelle – –

(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nicht in unserem Modell!)

Dann legen Sie doch endlich einmal Konkretes vor. Legen Sie im Bundesrat doch einmal einen Gesetzentwurf vor. Mehr als Thesenpapiere haben Sie bisher noch nicht hingebracht, weil Sie genau wissen, dass Sie, wenn Sie konkret an die Gesetzesformulierung gehen müssen, sofort wieder dort landen, wo 1995 die Vermögensteuer gelandet ist, nämlich beim Bundesverfassungsgericht, das gesagt hat: Wenn ihr die einen besteuert, dann müsst ihr die anderen auch so besteuern.

Da Sie bestimmte Ausnahmen machen wollen oder sollen, ist die Geschichte relativ klar: Eine verfassungsgemäße Vermögensbesteuerung werden Sie nicht hinbekommen, das wissen Sie genau. Sie wollen allein mit dem Begriff Wahlkampf machen. Wie das bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, sieht man in der heutigen Forsa-Umfrage. Machen Sie ruhig so weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Schäfer. – Als nächsten Redner habe ich Herrn Kollegen Wagner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Fünf Minuten Redezeit. Bitte schön.

(Manfred Pentz (CDU): Ein ausgewiesener Steuererklärer!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Finanzpolitik reden wir über Zahlen, und die sind ja eindeutig, Herr Finanzminister. In der von der CDU selbst in Auftrag gegebenen Umfrage – fangen wir einmal mit diesen Zahlen an – steigt die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wenn Sie Ihrer eigenen Umfrage nicht glauben, sagt das sehr viel über die Redlichkeit Ihrer Argumentation.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf von der CDU – Anhaltende Unruhe – Glocken- zeichen der Präsidentin)

Sprechen wir einmal über die Zahlen des Landeshaushalts und vor allem über Ihre Konzepte, Herr Finanzminister. Dazu hat diese Regierung nämlich den gesamten Vormittag über nichts gesagt. Wir haben laut Ihrem Haushaltsentwurf in diesem Haushalt eine offizielle Deckungslücke von 1,3 Milliarden € im laufenden Haushalt.

(Minister Dr. Thomas Schäfer: Vielleicht noch mehr!)

Jetzt sagten Sie, vielleicht seien es noch mehr. Ja, es sind noch mehr. Es kommen Haushaltsrisiken in Höhe einer halben Milliarde Euro hinzu. Sagen wir es einmal ganz freundlich: Wir haben eine Deckungslücke von 1,5 Milliarden € im laufenden Haushalt. – Was ist die Antwort des Finanzministers dieses Landes auf diese Situation, Herr Schäfer?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

In der Finanzpolitik gelten ja die Grundrechenarten; das ist gut. Wenn man eine Deckungslücke von 1,5 Milliarden € hat, gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie man diese Deckungslücke schließen kann: Entweder man sorgt für bessere Einnahmen, oder man nimmt dramatische Kürzungen im Landeshaushalt vor. Wir entscheiden uns für bessere Einnahmen durch die Leistungsfähigen in dieser Gesellschaft. Wollen Sie dramatische Kürzungen im Haushalt, Herr Finanzminister, dann müssen Sie das auch endlich sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie gegen Einnahmeerhöhungen sind, sind Sie für dramatische Kürzungen.

Damit wir wissen, worüber wir reden, Frau Kultusministerin: Eine Deckungslücke in Höhe von 1,5 Milliarden € entspricht eigentlich wie vielen Lehrerstellen?

(Zurufe von der CDU)

Das entspricht dem Gegenwert von 30.000 Lehrerstellen. Wenn man keine Einnahmeverbesserungen will, dann muss man Einsparungen bei den Stellen vornehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))