Protokoll der Sitzung vom 22.05.2013

uns nur mit den wenigen Punkten, die von den Mediatoren angesprochen worden sind.“ In der Arbeitsgruppe war das letztlich eine politische Entscheidung. Ich habe mich der Mehrheitsentscheidung gefügt und mich innerhalb dieses Rahmens in die weitere Arbeit eingebracht.

(Günter Schork (CDU): Die Spitzenverbände waren auch dagegen!)

Es ist also nicht so, dass wir nicht gesagt haben: Wir müssen an der Finanzverteilung arbeiten. – Ich glaube, dass wir da sehr viele Chancen vergeben haben, an einer fundierten Lösung zur Finanzverteilung zu arbeiten und die Kommunen ins Boot zu holen. Ich glaube, der Urfehler ist gewesen, dass wir die Kommunen nicht so beteiligt haben, dass sie auch auf Augenhöhe dabei sind, wenn es um die Finanz- und Aufgabenverteilung geht. Der Knackpunkt bei dieser Sache ist doch, dass sich die Kommunen über den Tisch gezogen fühlen.

(Günter Schork (CDU): Die Spitzenverbände waren doch dagegen!)

Noch eine Anmerkung, Herr Kollege Noll. Sie haben gesagt, es habe niemand gewonnen. – Wenn man einfach einmal in das Urteil schaut, stellt man fest, dass es dort heißt: Der Staatsgerichtshof hat für Recht erkannt – die Nummern erspare ich Ihnen jetzt –: Es ist „mit Art. 137 … Abs. 5 Satz 1 der Verfassung des Landes Hessen unvereinbar“. Und: „Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.“

Die Kostenentscheidung ist immer die Entscheidung, die sozusagen zwischen dem Gewinnen und Verlieren entscheidet. Ich weiß nicht, wie man das klarer machen soll. Das Land Hessen hat hier ganz eindeutig verloren.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Wir alle haben viel Arbeit gewonnen; wir müssen nämlich schauen, dass wir eine vernünftige Finanzverteilung hinkriegen. Ich bin sehr gespannt, was der Finanzminister dazu zu sagen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Herr Noll, Sie haben zwei Minuten lang Zeit zur Erwiderung. Bitte schön.

Erster Punkt. Frau Kollegin Erfurt, es liegt mir absolut fern, Ihre Mitarbeit in der Arbeitsgruppe in irgendeiner Weise zu diskreditieren oder Ihre Vorschläge bzw. Ihre Anregungen zu verschweigen. Natürlich ist diese Diskussion geführt worden; natürlich gab es dazu Vorschläge. Aber diese Vorschläge, dass eine genaue Bedarfsberechnung erfolgen solle, wurden eben nicht als weiterhin zu verfolgen erkannt, und zwar auch durch die Kommunalen Spitzenverbände.

Frau Erfurth, das war zu einem Zeitpunkt, als keiner von uns die Dimension der Frage, wie genau eine Finanzbedarfsberechnung der Kommunen sein muss und was die verfassungsrechtlichen Aspekte betraf, abschätzen konnte. Das wissen wir erst jetzt durch das Urteil des Staatsgerichtshofs. Zumindest sollten wir so ehrlich miteinander umgehen, Frau Erfurth. Insofern sei das mal dahingestellt.

Zweiter Punkt. Zur Frage, ob wir verloren oder gewonnen haben. Frau Erfurth, die Stadt Alsfeld ist mit der Intention in dieses Klageverfahren gegangen, am Ende mehr Geld zu bekommen, nämlich auch in Geld rückgängig zu machen, was seitens der Landesregierung 2011 am Kommunalen Finanzausgleich verändert worden ist. Das hat der Staatsgerichtshof nicht entschieden. Er hat lediglich entschieden, dass er das Verfahren insgesamt als verfassungswidrig betrachtet, weil er den Verfahrensfehler, die Finanzbedarfsberechnung als solche, als verfassungswidrig anerkannt hat.

Deswegen hat sich die Frage erübrigt, ob Kommunen gut oder schlecht ausgestattet sind. Das hat der Staatsgerichtshof überhaupt nicht entschieden. Formal können Sie natürlich sagen: Klar, mit der Entscheidung über denjenigen, der die Chose am Ende bezahlen muss, steht auch der Verlierer oder der Sieger fest. – Ich frage mich nur, wie die Stadt Alsfeld, die zwar auf der einen Seite für das Verfahren nichts bezahlen muss, dasteht, wenn sie trotz allen Urteils kein Geld nach Hause tragen kann. Auch der, der nichts nach Hause trägt, hat am Ende verloren.

Herr Kollege Noll, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Ich bin punktgenau am Ende. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dann vielen Dank, Herr Kollege Noll. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Dr. Schäfer. Bitte schön.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will zunächst aus einem Umstand, der in der gesamten Debatte nahezu nur am Rande eine Rolle gespielt hat, gern die Konsequenz ziehen, dass zu den Inhalten dessen, über das wir zu debattieren haben, jenseits der Frage, ob man das formal noch in ein jetzt eigentlich für verfassungswidrig erklärtes Gesetz einbringen kann oder nicht, keine Einwände bestehen. Diese habe ich in der Debatte jedenfalls nicht vernommen. Natürlich liegt es nahe, die Diskussionen um den Kommunalen Finanzausgleich dazu zu nutzen, auch über die Entscheidung des Staatsgerichtshofs von gestern zu diskutieren.

Ich darf an das anknüpfen, was Kollege Noll vorgetragen hat. Die Stadt Alsfeld und andere Kommunen sind mit der Absicht, mit der Intention vor den Staatsgerichtshof gezogen, dass der bitte erklären möge: Das Land gibt uns zu

wenig Geld, um unsere Aufgaben zu erfüllen. – Diesem Ansinnen hat der Staatsgerichtshof gerade nicht entsprochen. Der Staatsgerichtshof hat zu den Fragen, ob die kommunale Finanzausstattung angemessen sei, ob die zu wenig oder gar zu viel bekämen, nämlich ausdrücklich gesagt: Dazu äußern wir uns nicht, sondern wir äußern uns nur zu der Frage des Zustandekommens der Berechnungsparameter.

Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich Ihnen das wörtlich, Seite 34 der Entscheidung:

Diese Bedarfsanalyse

das ist das, was Sie fordern –

kann zu dem Ergebnis führen, dass die angegriffene Änderung der Steuerverbundmasse gerechtfertigt ist. Nicht auszuschließen ist, dass auch weitere Kürzungen sachgerecht wären. Denn der Staatsgerichtshof beanstandet nicht die Höhe der Mittelzuweisungen, sondern ausschließlich die fehlende Bedarfsanalyse.

Insofern hat sich der Staatsgerichthof nur mit der Frage befasst, welcher vorbereitenden Handlungen es bedarf, um denn am Ende fehlerfrei zu einer Gesetzesfassung zu kommen. Darauf ist hingewiesen worden.

In den letzten 60 Jahren war die Steuerverbundquote von 23 % parteiübergreifend immer die gesetzte Grundlage. Wir können sicherlich in die Archive des Hessischen Landtags gehen, um viele Zitate von Rednern aller Fraktionen mit dem Bekenntnis zu diesen 23 % zu finden, die vermeintlich sakrosankt sein müssen. Aber die Festlegung dieser 23 % an der Steuerverbundmasse ist exakt das, was der Staatsgerichtshof nun kritisiert. Deshalb stehen wir jetzt vor der Aufgabe, uns auf den Weg zu machen, diese Fragestellung zu diskutieren und neu zu entscheiden.

Trotz aller verständlichen Erklärungen des gestrigen Tages, einen Prozess gewonnen zu haben: Wenn Sie am heutigen Tage mit den Vertretern der kommunalen Familie sprechen, dann wird Ihnen das eine oder andere nachdenkliche Gesicht begegnen, weil die Beteiligten natürlich wissen, dass ihrem ursprünglichen Ansinnen, vom höchsten hessischen Gericht bestätigt zu bekommen, dass ihre Auffassung, sie bekämen zu wenig Geld, richtig sei, nicht entsprochen worden und die Diskussion in der Sache völlig neu eröffnet worden ist. Und das wird sicherlich kein einfacher Prozess;

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wohl wahr!)

denn eines ist doch auch klar: Allein die in kommunalen Interessengruppen behandelte Frage, ob die Landkreise glauben, dass die kreisangehörigen Gemeinden zu viel oder zu wenig hätten oder die kreisangehörigen Gemeinden sich über die Frage Gedanken machen, ob die Kreise vielleicht zu viel oder zu wenig haben, ebenso wie die kreisfreien Städte und zum Schluss die Sonderstatusstädte im Paket – das wird eine muntere Debatte.

Eine unserer Aufgaben wird es dabei sein, zu versuchen, diesen Prozess so zu strukturieren, dass sich die Kommunalen sozusagen nicht wieder wechselseitig mit Begehrlichkeiten beschimpfen, wir am Ende aber zu keinem konsensualen Ergebnis kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist wahrscheinlich eines der größeren Risiken der Debatte der nächsten Monate, die unweigerlich zu führen sein wird.

Ich jedenfalls werde in den nächsten Wochen die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände zu einem ersten Gespräch einladen, um darüber zu reden, wie wir strukturell auf den Weg einer Beratung eines solchen neuen Weges kommen, damit am Ende zumindest die Chance auf eine Neuregelung besteht, die nicht nur verfassungsfest ist, sondern die eventuell auch mit einer weitestgehenden Chance versehen ist, an dieser Stelle möglichst viele inhaltlich mitzunehmen. Wie schwierig das sein wird, haben wir in der gemeinsamen Facharbeitsgruppe zum Thema KFA-Strukturreform erleben dürfen, weil am Ende doch sehr stark auf Partikularinteressen geschaut wurde.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem heute konkret in der Beratung befindlichen Gesetzentwurf machen und dabei auf die Stadt Alsfeld replizieren. Die Stadt Alsfeld ist mit dem Vortrag vor den Staatsgerichtshof gezogen – ich habe ihn nicht überprüft, unterstelle aber, dass er richtig war –, dass die Korrektur der 344 Millionen € die Stadt Alsfeld im Jahr 400.000 € gekostet habe. Die Umsetzung dieser kleinen ersten Stufe der KFA-Strukturreform bringt der Stadt Alsfeld, bereinigt um die Steuersteigerungseffekte, strukturell jedes Jahr 600.000 € Mehreinnahmen. – 400.000 € Mindereinnahmen, deretwegen sie vor den Staatsgerichtshof gezogen sind, stehen 600.000 € Mehreinnahmen strukturell und dauerhaft für die Stadt Alsfeld als Mittelzentrum im ländlichen Raum gegenüber, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Vielleicht nehmen sie das Geld nicht an!)

Dazu haben wir in der Zwischenzeit die Stadt Alsfeld mit etwas über 18 Millionen € aus dem Landeshaushalt entschuldet, meine Damen und Herren. Das ist praktische Politik zugunsten der Kommunen, jenseits aller Rechtsfragen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU: Und jetzt hat Alsfeld doch glatt gewonnen!)

Deshalb glaube ich, dass – unabhängig von der Frage, ob dieser Gesetzentwurf heute in zweiter Lesung zum Gesetz erhoben wird oder ob eine dritte Lesung beantragt wird; so hatte ich Frau Erfurth verstanden – die Gelegenheit besteht, im Ausschuss noch einmal das eine oder andere zu diskutieren. Dieser erste Schritt einer KFA-Strukturreform auf der horizontalen Verteilungsebene ist ein richtiger Schritt. Nicht erst seit heute wissen wir, dass ein zweiter – und seit gestern, dass ein dritter – Schritt dem werde folgen müssen. Dazu werden wir uns an die Arbeit machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Vielen Dank, Herr Staatsminister Dr. Schäfer. – Es liegt mir eine Wortmeldung von Herrn Kollegen Schmitt von der SPD-Fraktion vor. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren! Nach dem Beitrag von Herrn Minister Dr. Schäfer kann ich nur sagen, ich weiß schon, wie der nächste Abgeordnetenbrief Nr. 8 heißen wird: Kommunalfreundliche Landesregierung siegt gegen Kom

mune vor Staatsgerichtshof. – Das war der Eindruck, den Sie hier ein bisschen vermittelt haben.

An Herrn Kollegen Noll, der in seiner Rede davon gesprochen hat, im Gesetz habe sich ein Verfahrensfehler eingeschlichen: Als hätte der Fehlerteufel dazu geführt, dass hier ein verfassungswidriger Kommunaler Finanzausgleich vorgelegt worden ist – das ist die Verniedlichung eines Urteils, das natürlich große Folgen für die nächsten Jahre haben wird.

(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

Da hätte ich an dieser Stelle ein paar tiefer greifende Worte und auch Konzepte des Finanzministers erwartet. Diese sind aber leider nicht gekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir hätten nach diesem Urteil schon erwartet, dass Sie einige Punkte wie beispielsweise diese Bedarfsanalysen in anderen Ländern – die werden in anderen Ländern praktiziert, leider meist auch nach Urteilen von oberen Verfassungsgerichten der Länder – ansprechen, und ob Sie da schon Vorstellungen entwickelt haben. Ich glaube nicht, dass die Kommunalen Spitzenverbände – wir haben nach gestern natürlich auch mit den einen oder anderen geredet – damit zufrieden sein werden, wenn man einfach mit einem Papier hineingeht, auf dem steht: Was wollt ihr denn nun, und wie soll es weitergehen?

Ich glaube schon, dass die Landesregierung auch in Ihrer Person gefordert sein wird, darzulegen, nach welchen Konzepten, nach welchen Kriterien und vor allem mit welchem Zeitplan sie die Auflage des Gerichts – dass nämlich bis zum Jahr 2016 mit Inkrafttreten des Finanzausgleichsgesetzes auch ein verfassungsgemäßes Gesetz vorgelegt wird – umzusetzen gedenkt. Da können Sie sich nicht herausreden: „Wir werden jetzt Gespräche führen.“ Ich bin mir sehr sicher, dass die Kommunalen – wir auf jeden Fall – darauf dringen werden, dass Sie möglichst schnell darlegen, was die Kriterien für eine verfassungsgemäße Umsetzung des Kommunalen Finanzausgleichs sein werden und müssen.

Herr Finanzminister, Sie sagen, seit 60 Jahren sei der Kommunale Finanzausgleich so praktiziert worden. Damit wollen Sie festhalten, es sei immer so gemacht worden und diese Verfassungswidrigkeit immer gegeben gewesen. Dazu muss man natürlich eines wissen: Die Kürzung der 344 Millionen € hat das Fass zum Überlaufen gebracht. In den Jahren zuvor hat es gegen den Kommunalen Finanzausgleich insgesamt nie Klagen gegeben. Es gab zwar aus Unzufriedenheit auch Klagen gegen Details, aber dass der gesamte Kommunale Finanzausgleich angegangen wird, das hat es niemals gegeben. Mit der Kürzung der 344 Millionen € haben Sie die Grundlagen des Miteinanders zwischen Land und Kommunen auseinandergebrochen. Die Reaktionen und Klagen Ihrer eigenen Parteifreunde – schauen Sie sich z. B. die Bergstraße an – gegen den Kommunalen Finanzausgleich und gegen die Landesregierung haben doch deutlich gemacht, wie unzufrieden man ist.

Auf die Vergangenheit zu verweisen, ist falsch: Da gab es eine solch miese Entwicklung bei den Finanzen der hessischen Kommunen nicht. Das sind Ihre Arbeit und Ihre Bilanz aus 13 Jahren Regierungstätigkeit, dass die hessischen Kommunen noch nie so schlecht dagestanden haben wie heute. Sie hatten bundesweit das höchste Defizit 2011 und mit großem Abstand auch 2012: 1,9 Milliarden €. In anderen Ländern haben die Kommunen Überschüsse gemacht,

nur in Hessen waren die Defizite so hoch. Da können Sie nicht sagen, das sei ein Fehler der Kommunen, die zu viel Geld ausgeben würden – das hat etwas mit strukturellen Problemen zu tun. Dazu müssen Sie auch etwas sagen.

Eines geht nicht, Herr Minister, nämlich dass Sie heute Morgen die Debatte mit einem Abgeordnetenbrief – dazu haben Sie auch noch nichts gesagt – über angebliche rotgrüne Steuerpläne vorbereiten. Ich möchte wissen: Was hat das gekostet, und – das war ja die siebte Ausgabe – was waren die Themen der anderen sechs?