Wenn Sie dann bei dieser Rede einen derartigen Klamauk veranstalten, wie das der Fall ist, wenn der Kollege Merz dazwischenruft, der Abg. Caspar soll die Klappe halten,
dann ist das auch nicht angemessen. Lassen Sie uns im Sinne dessen, was der Präsident gesagt hat, abrüsten, und dann werden wir diesen Plenartag hervorragend überstehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sollten einfach zu den Gepflogenheiten zurückkehren, die zwischen den Fraktionen in diesem Haus eigentlich nicht strittig sind. Wir verständigen uns im Ältestenrat regelmäßig darauf, sogar ganze Sitzungen des Hessischen Landtags zeitlich an Bundesparteitagen von Parteien zu orientieren. Das ist eine gute Tradition, das ist eine sinnvolle Tradition. Das war bislang noch nie strittig, und wir sollten an diesem Donnerstagmorgen auch nicht anfangen, so etwas strittig zu stellen.
Genauso wie es richtig ist, dass dieser Hessische Landtag auf Termine eines Bundesparteitages Rücksicht nimmt, genauso richtig ist es aus meiner Sicht, wenn er darauf Rücksicht nimmt, dass der Fraktionsvorsitzende einer Partei mit einer 150-jährigen Tradition an dem offiziellen Festakt dieser Partei teilnimmt, an dem auch die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland teilnimmt. Das sollten wir auch respektieren und hier nicht kritisieren oder zum Gegenstand der Debatte machen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Peter Beuth (CDU): Der Kollege Rudolph hat sich aufgeblasen!)
Die SPD hat seit 150 Jahren für Parlamentarismus gekämpft und ist seit 150 Jahren für Parlamentarismus eingetreten. Wenn an diesem Festtag der Fraktionsvorsitzende diesen Anlass feiert, dass seine Partei seit 150 Jahren für den Parlamentarismus steht,
dann sollten wir das hier nicht in dieser Art und Weise thematisieren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, wir bitten, uns im Interesse des zügigen Fortgangs den Protokollauszug von der Rede des Herrn Caspar zukommen zu lassen, weil das eben anders dargestellt wurde, als es gewesen ist.
Das wird so gemacht. – Jetzt sind wir in der Tagesordnung, und ich erteile Frau Wissler das Wort für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Parteivorsitzende der SPD hat in einem Interview ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen als sinnvoll bezeichnet und das mit der Verkehrssicherheit begründet. DIE LINKE – das will ich an der Stelle deutlich sagen – kann Sigmar Gabriel nur zustimmen; es gibt in der Tat viele gute Gründe für ein Tempolimit.
Die SPD hat heute Geburtstag, ich habe heute Geburtstag. Deswegen kann man heute einmal den Parteivorsitzenden der SPD loben, wenn er denn einmal etwas sehr Sinnvolles vorschlägt. Herr Caspar, bei allem Respekt – aber dass ein generelles Tempolimit das Einfallstor für den Kommunismus in Hessen ist, wie Sie es in Ihrer Rede versucht haben deutlich zu machen, das halte ich doch für eine etwas gewagte These.
Ich glaube, das ist auch gar keine so klassische Frage von rechts und links, weil Sie auf Autobahnen ja eher links außen anzutreffen sind, Herr Caspar.
Schade nur, dass bei dieser Frage die SPD doch ziemlich rumeiert; denn kaum war der Satz von Sigmar Gabriel in der Öffentlichkeit, schon distanzierte sich Peer Steinbrück davon, und Gabriel ruderte zurück.
Dabei hat sich der Bundesparteitag der SPD bereits im Jahre 2007 für ein generelles Tempolimit ausgesprochen. Damals hieß es im Antrag, dass eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz sei.
Der Antrag wurde damals übrigens gegen die ausdrückliche Empfehlung der Parteispitze und auch des damaligen Bundesumweltministers Sigmar Gabriel verabschiedet. Deswegen finde ich es umso besser, dass Sigmar Gabriel offensichtlich seine Position geändert hat. Im Dezember 2011 hat erneut ein SPD-Bundesparteitag die Einführung eines Tempolimits beschossen, diesmal auf Antrag des SPD-Bezirks Hessen-Süd.
Die Aussage von Gabriel ist also nicht nur richtig, sondern sie entspricht auch der Beschlusslage in der SPD. Zwei SPD-Parteitage und der Parteivorsitzende befürworten ein Tempolimit. Aber der Kanzlerkandidat, der für sich gerne Beinfreiheit fordert, ist dagegen. Und was passiert? – Beschlusslage hin oder her, Steinbrück setzt sich durch. So finde ich den Streit ums Tempolimit ein bisschen symptomatisch dafür, wie Auseinandersetzungen in der SPD oftmals geführt werden und ausgehen.
Meine Damen und Herren, es gibt viele gute Gründe für ein Tempolimit. Das wäre sowohl ein Beitrag zum Klimaschutz als auch zur Verkehrssicherheit. Damit könnte man schnell und ohne Kosten den CO2-Ausstoß senken, und es
Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes ließen sich durch ein Tempolimit von 120 km/h 3,4 Millionen t Kohlenstoffdioxid im Jahr einsparen. Das Umweltbundesamt hat auch errechnet, dass ein Tempolimit die Reduzierung des Treibstoffverbrauchs um 9 % erbringen würde. Das wäre eine ganz erhebliche Einsparung, die ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll wäre.
Meine Damen und Herren, natürlich geht es auch um Verkehrssicherheit. Die Sicherheit liegt Ihnen von der schwarz-gelben Landesregierung sonst immer so sehr am Herzen. Die Europäische Union hat das Ziel ausgegeben, die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr bis 2020 zu halbieren. Und überhöhte Geschwindigkeit ist eben eine der Hauptursachen für Unfälle.
Man muss sich das einmal vergegenwärtigen: Auf deutschen Straßen werden jeden Tag mehr als zehn Menschen getötet und mehr als 200 Menschen schwer verletzt. Stellen Sie sich vor, jede Woche würden 100 Menschen im Bahnverkehr ums Leben kommen oder jeden Monat ein vollbesetzter Passagierjet abstürzen. Ich glaube, dass wir derartig hohe Todeszahlen bei keiner anderen Verkehrsart akzeptieren würden.
Ein Tempolimit kann die Verkehrssicherheit erheblich verbessern. Es gibt Berechnungen, unter anderem der Weltgesundheitsorganisation, die besagen, dass die Zahl der Verkehrstoten durch ein Tempolimit deutlich gesenkt werden könnte. Es liegt auf der Hand, dass man bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h ganz anders reagieren kann als bei Tempo 180 km/h.
Tempolimits bringen allen Verkehrsteilnehmern mehr Ruhe, mehr Übersicht und mehr Sicherheit. Das schützt vor allem die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Das sage ich auch angesichts des demografischen Wandels; denn auch die Autofahrer werden immer älter, und die Höchstgeschwindigkeiten, die auf Autobahnen gefahren werden, überfordern viele ältere Verkehrsteilnehmer.
Deshalb ist es auch nur logisch, dass der Wissenschaftliche Beirat zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit, der den Bundesverkehrsminister berät, in seinen Vorschlägen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit in Deutschland ganz eindeutig ein Tempolimit empfiehlt und auf die – Zitat – „Risiken einer unbegrenzten, damit oft hohen und sehr heterogenen Geschwindigkeit“ verweist.
Gerade die großen Geschwindigkeitsunterschiede sind es, die zu Unfällen führen. Sie vergrößern die Staugefahr. Durch eine geringere Spreizung der Geschwindigkeiten auf den Autobahnen könnten die Gefahren minimiert werden.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss meiner Rede. Ein Tempolimit wäre eine einfache Maßnahme. Es würde nichts kosten, wäre aber ausgesprochen wirksam. Es gibt fast keine Länder in der Welt, in denen es kein generelles Tempolimit gibt.
Nordkorea ist eines der wenigen. Deutschland gehört auch dazu. – Wir würden es deshalb begrüßen, wenn die SPD die Einführung des Tempolimits nicht nur auf Parteitagen beschließen würde, sondern das auch in ihre praktische Politik einfließen würde. Wir würden es begrüßen,
wenn sich die CDU und die FDP nicht immer wieder als die Parteien der Automobillobby profilieren würden und das Tempolimit, das dringend notwendig ist, nicht weiterhin ablehnen würden.
Frau Wissler, vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält jetzt Frau Müller das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da hat die SPD Schwarz-Gelb wieder einmal einen Gefallen getan. Man braucht nur das Wort Tempolimit in den Mund zu nehmen, schon gehen die Reflexe los. Das hat man gerade eben gemerkt. Das ist rational nicht erklärbar. Anscheinend wird beim Thema freie Fahrt jegliches Denken ausgeschaltet, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg.
Anscheinend macht Schwarz-Gelb jetzt eine Kampagne daraus. In allen Bundesländern, in denen sie nicht mitregieren, also in der Opposition sind, kommt dieser Antrag auf den Tisch. In Nordrhein-Westfalen hat die FDP so einen Antrag gestellt. Hier hat man es der CDU überlassen, die Reflexe zu bedienen.
In Ihrem Dringlichen Entschließungsantrag steht nicht wirklich etwas Neues. Außerdem wissen Sie genauso gut wie ich, dass Sie hier Ihre Position zwar deutlich machen können, dass aber über ein Tempolimit im Bundestag und nicht hier entschieden wird. Ich stelle also fest: Ihre Aktuelle Stunde dient alleine dazu, Wahlkampf zu machen. Warum sonst sollten wir uns im Hessischen Landtag mit parteistrategischen Diskussionen in der SPD auseinandersetzen?