Normalerweise enden solche Reden mit dem berühmten Drehen zur Ministerin und der Frage: „Wann treten Sie zurück?“ Aber, ehrlich gesagt, ich bin Wahlkämpfer. Ich glaube, diese Ministerin ist die beste Werbung für einen
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)
Vielen Dank, Herr Grumbach. – Ich darf Herrn Dr. Büger für die FDP-Fraktion das Wort erteilen. Für unsere Zuschauer: Der Redner hat 20 Minuten Redezeit zur Verfügung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle voran, dass ich mich bei Ihnen, Frau Staatsministerin, ganz herzlich für diese Regierungserklärung bedanken möchte.
Ich möchte mich insbesondere dafür bedanken, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben und dass Sie es uns einmal im Plenum so anschaulich mit Ihren Beispielen vorgetragen haben, mit denen Sie die Forschung in Hessen dargestellt haben.
Wir wissen, die Forschung steht oftmals gar nicht im Mittelpunkt der politischen Diskussion, eigentlich viel zu wenig. Deswegen besteht das Risiko, dass Forschungspolitik viel zu wenig wichtig genommen wird. Dass Redner in politisch – wie sage ich es? – interessanten Zeiten wie denen, die wir jetzt haben, durchaus ein bisschen vom Thema abweichen, Herr Grumbach, das durften wir beobachten, auch dass einzelne strittige Themen aus dem Hochschulbereich, wie die erfolgreiche Privatisierung des UKGM, hier vorgebracht werden oder der Regierung gar vorgeworfen wird, hier ginge es um Themen, die im Kern unstrittig, eigentlich unpolitisch seien, weil sie die Hochschulen durchführen würden – als würden sie nicht als ganz wesentlicher Bestandteil zu diesem Land gehören und an der Politik dieses Landes hängen.
Aber es war auch inhaltlich richtig. Das will ich belegen, indem ich hier einige Thesen zur Forschungspolitik vorbringe.
Meine erste These ist: Forschung ist für uns von zentraler Wichtigkeit. Woran hängt der Wohlstand der Menschen in unserem Land? Er hängt daran, dass wir schneller mit neueren und besseren Produkten am Weltmarkt sind. Womit aber können wir schneller und besser sein? Am Ende mit Innovationen, mit Kreativität und mit Beweglichkeit. Was brauchen wir also? Um weit überdurchschnittlichen Wohlstand zu erzeugen und zu sichern, sind wir darauf angewiesen, dass unsere Menschen etwas Besonderes leisten. Sie können etwas Besonderes leisten, erstens wenn sie dazu in der Lage sind und zweitens wenn man sie dies tun lässt.
Der zweite Punkt ist eine Frage der Wirtschaftspolitik. Es geht um weniger Hürden, um das große Thema Bürokratieabbau. Mit Bürokratie verhindern wir, dass Menschen etwas tun können. Es geht auch um das nötige Geld. Herr Grumbach, bei Ihnen habe ich schon wieder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt herausgehört, eine Vermögensabgabe und ähnliche Dinge stehen im Raum. Nein, es geht darum, dass man den Menschen das Geld belässt, damit sie investieren können, damit sie Ideen umsetzen können.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))
Es geht um notwendige Infrastruktur, von Straßenbau über Breitband. Es geht auch um das Wettbewerbsumfeld, von bezahlbaren Konditionen bis hin zu dem großen Thema der bezahlbaren Energie. Hier wissen wir ganz klar: Hier können die politischen Unterschiede gar nicht größer sein.
Der erste Punkt, nämlich was Menschen leisten können, ist insbesondere eine Frage der Bildungspolitik. Es geht darum, den potenziell Besten auch die Möglichkeit zu geben, richtig gut zu werden. Wir brauchen eine Leistungskultur. Wir brauchen eine solche Kultur in unseren Schulen. Die haben wir geschaffen. Wir brauchen genauso gute Hochschulen, die Topleistungen erlauben, und wir brauchen Spitzenforschung an eben diesen Universitäten und Forschungsinstituten in unserem Land.
Dabei will ich zwei Begriffe voneinander abgrenzen, nämlich den der Forschung und den der Innovation. Das wird immer wieder einmal miteinander vertauscht. Meine Damen und Herren, Innovation findet in Unternehmen statt. Sie schafft dort Werte und damit Wohlstand. Forschung findet überwiegend in öffentlichen Einrichtungen statt, in Universitäten, Forschungseinrichtungen und schafft dort Wissen. Die Forschung ist deshalb die Grundlage für die Innovation. Herr Alfred Oberholz hat es einmal so schön gesagt, und ich darf ihn hier zitieren:
Deshalb ist die Forschung so wichtig. Sie ist wichtig dafür, dass die Gesellschaft auch in Zukunft Innovationen voranbringt und deswegen im Wohlstand lebt.
Lassen Sie mich zur zweiten These kommen: Forschung braucht auch gesellschaftliche und politische Voraussetzungen. Dazu braucht Forschung als Erstes Geld. Deshalb investieren wir in Hessen mehr als je zuvor in Forschung. Wir haben die Forschungskraft unserer Universitäten ganz deutlich gestärkt. Ich möchte nur ein paar Zahlen rekapitulieren. Der gesamte Einzelplan 15 ist mit mittlerweile über 2 Milliarden € doppelt so hoch wie 1999, zu Ihren Zeiten.
Herr Grumbach, im Übrigen, wenn Sie auf RheinlandPfalz verweisen, dann sollten Sie sich einmal die Beträge pro Einwohner anschauen. Dann sehen Sie, dass wir deutlich vor Rheinland-Pfalz sind und von allen Flächenländern einmal auf dem ersten, einmal auf dem zweiten Platz rangieren. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das stimmt überhaupt nicht! – Gernot Grum bach (SPD): Das stimmt nicht! – Zuruf des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wir fördern die Forschung ganz gezielt mit 144 Millionen €. Wir haben unser LOEWE-Programm mit 410 Millionen €, ein Programm, um das wir bundesweit beneidet werden. Auch da ein interessanter Punkt: Über die gesamte Zeit von LOEWE haben wir eine Drittmitteleinwerbung, also Gelder, die Unternehmen oder andere Forschungseinrichtungen zur Verfügung stellen, in Höhe von über 250 Millionen €. Daran sieht man, wie erfolgreich dieses Programm ist.
Wir haben richtungsweisende Kooperationen, insbesondere die „House of“-Reihe. Ich denke an das House of IT, Logistics und Pharma.
Herr Grumbach, Sie haben das Kooperationsverbot im Hochschulbereich genannt. Die Aufhebung des Kooperationsverbotes wird aber von Rot-Grün im Bundesrat blockiert. Auch das muss hier einmal gesagt werden.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat es eingeführt? – Gegenruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn: Alle!)
Forschung braucht auch Kristallisationspunkte. Deshalb haben wir so viele neue Forschungszentren des Bundes gerade hier angesiedelt. Forschung braucht aber noch etwas Weiteres. Forschung braucht Freiheit. Da Forschung Freiheit braucht, um sich entwickeln zu können, dürfen wir keine Vorgaben machen, was Forschungseinrichtungen forschen dürfen und was sie nicht dürfen.
Da will ich einen kleinen Einschub machen. Ich habe die große Freude gehabt, Herrn Bundestagspräsidenten Lammert in Bad Hersfeld bei der Eröffnung der Bad Hersfelder Festspiele zu hören. Da hat er etwas Interessantes gesagt. Er hat nämlich gesagt:
Der Staat kann nicht selbst Kultur machen, sondern er kann nur die Voraussetzungen schaffen, unter denen sich Kultur entwickelt. Der demokratische Staat darf sich deshalb nicht einmischen, welche Bücher geschrieben, Stücke aufgeführt, Musik komponiert wird,
(Demonstrativer Beifall und Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt! Der erste richtige Satz!)
sondern er muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass frei Bücher, Theaterstücke und Musik entstehen.
Das war eine bemerkenswerte Rede. Herr Al-Wazir, es wäre schön gewesen, wenn Sie dort gewesen wären. – Genau dasselbe gilt im Übrigen für die Forschung. Der Staat muss die Voraussetzungen für die Forschung schaffen, ohne selbst vorzugeben, was geforscht werden darf oder was nicht geforscht werden darf.
Hier besteht im Übrigen ein ganz wichtiger politischer Unterschied. Wer für die Freiheit von Forschung eintritt, der
darf seine politischen Lieblingsthemen nicht vorgeben, auch wenn sie ihm gerade politisch in den Kram passen.
Wer für die Freiheit der Forschung ist, der darf auch Themen nicht verbieten, Herr Al-Wazir, z. B. unter dem Vorwand, sie könnten auch militärisch genutzt werden. Ich denke hier z. B. an mathematische Verschlüsselungstechnik, Kryptografie, die zunächst hauptsächlich militärischen Nutzen hatte und heute die Grundlage für die Sicherheit im Internet ist. Mit solchen Zivilklauseln, wie sie auch von den GRÜNEN unterstützt werden, hätten wir sie niemals gehabt.
Wer für die Freiheit von Forschung ist, darf die Forschungsgelder an kein anderes Kriterium als an die Leistung binden, die erbracht wird. Das wird in der Grundlagenforschung durch ein unabhängiges Gremium beurteilt – z. B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder den LOEWE-Beirat –, und bei anwendungsbezogener Forschung ist es der Erfolg der Anwendung, letztendlich also die Einwerbung von Drittmitteln.
Wer für die Freiheit von Forschung ist, darf deshalb keine Programmforschung machen, sondern er muss Antragsforschung betreiben, weil letztendlich jedem Antrag eine Leistungsüberprüfung zugrunde liegt; das ist ein ganz wesentlicher politischer Unterschied.
Wer für die Freiheit von Forschung ist, darf auch die Zusammenarbeit mit Unternehmen, nämlich den Technologietransfer, nicht verteufeln. Im Gegenteil, er muss genau eine solche Zusammenarbeit fördern.
Wer für die Freiheit von Forschung ist, darf insbesondere eines nicht tun: Er darf Neues nicht ablehnen oder ihm gar feindselig gegenüberstehen.
Damit komme ich zu meiner dritten These: Forschung braucht ein gesellschaftliches Klima, das Neues zuerst als Chance und eben nicht als Risiko begreift. Leider gibt es eine starke politische Strömung in unserem Land und in diesem Hause, die Neuem noch immer zutiefst ablehnend und feindlich gegenübersteht. Die Forschungsfeindlichkeit ist geradezu eine Traditionslinie der GRÜNEN.
Beispiel gefällig? Gern. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich eine alte Pressemeldung der Bundestagsfraktion der GRÜNEN aus dem Jahr 1984.