Protokoll der Sitzung vom 25.06.2013

In Zahlen heißt das: Wir hatten 2002 noch ein Angebot von Wohnheimplätzen zu Studierenden in Höhe von 9,5 %. 2011 war die Unterbringungsquote jedoch auf

7,3 % zurückgefallen. – Das zeigt: Sie haben dort die Entwicklung verschlafen, und die Wohnungsnot der Studierenden geht voll auf Ihre Kosten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen: Es ist höchste Zeit, dass das Land wieder Verantwortung übernimmt und die Studierendenwerke dazu befähigt, in ausreichendem Maße neue Plätze zu errichten. Dazu haben wir bereits im letzten Herbst einen Antrag vorgelegt. Das, was Sie jetzt vorhaben, ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein.

Auch kein Wort von Ihnen zur Weiterentwicklung der Autonomie der Hochschulen. Das hat mich schon sehr gewundert, weil man in einer Grundsatzrede der Wissenschaftsministerin etwas darüber erfahren können sollte, wie es mit den Hochschulen weitergehen soll. – Für uns ist klar: Wir wollen die Autonomie stärken und uns an den guten Beispielen orientieren, die es gibt.

(Zuruf von der CDU: So wie in Nordrhein-Westfa- len!)

Dazu gehört es, die Bauautonomie für die Hochschulen, die das wollen, zu erweitern. Ich verstehe auch nicht, dass Sie das nicht aufgreifen, denn Ihre Vorvorvorgängerin Ruth Wagner hat in diesem Bereich tatsächlich seinerzeit etwas Sinnvolles auf den Weg gebracht. Aber auch an dieser Stelle zaudern Sie. Das spricht Bände darüber, wie wenig Ihnen Ihr Ministerium noch bedeutet, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben Sie in Ihrem Redebeitrag die Fachhochschulen lobend erwähnt. Neben dem fiktiven Frühstück und dem fiktiven Handy war hier zumindest die Spur eines politischen Akzentes zu erkennen. Ich erkenne an, Sie haben mittlerweile gelernt, dass die Fachhochschulen für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land wichtig sind, dass sie Wissenschaftstransfer in kleine und mittlere Unternehmen befördern, dass sie dort Forschung befördern.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie sich verhalten positiv zum Promotionsrecht an Fachhochschulen geäußert haben. Aber man muss auch klar sagen: Erstens haben wir GRÜNE das, was Sie geäußert haben und was Sie unter Umständen machen könnten, in unserem Konzept „Hochschulpolitik für Hessen“ schon im letzten Herbst gefordert, nämlich dass man sich auf den Weg macht, ein Promotionskolleg der forschungsstarken Fachbereiche der Fachhochschulen zu gründen.

Aber auch dann bleiben Sie wieder unscharf und sagen: Na ja, irgendwie will ich erst einmal darüber nachdenken und das Ganze überprüfen. – Das ist natürlich das Gegenteil von Klarheit. Das ist meines Erachtens ein Versuch, die Fachhochschulen zu vertrösten, um über den Wahltag zu kommen.

Wie ernst es Ihnen mit dieser Überlegung ist, hat man gemerkt, als der Koalitionsabgeordnete Dr. Büger eben gerade versprochen hat, dass es so etwas mit ihm nicht geben wird. Von daher ist doch ganz klar: Sie haben immer noch keine Ahnung, wie es an dieser Stelle weitergehen soll. Das zeigt, Sie nehmen das Thema Forschung an den Fachhochschulen immer noch nicht ernst genug.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist klar: Fachhochschulen sind in Lehre und Forschung stark gewachsen. Ihre Bedeutung für Hessen ist im

mens. Sie öffnen den Zugang zur Hochschule einerseits für mehr Menschen, aber sie sorgen auch dafür, dass kleine und mittlere Unternehmen Zugang zu Forschung und Wissenstransfer haben.

Um diese Entwicklung aufzugreifen, müsste diese Landesregierung Akzente setzen. Doch leider haben Sie es auch in dieser Regierungserklärung versäumt, dazu klare Ansagen zu machen.

Wenn Forschung und Lehre zusammengehören – das ist immer noch unsere Meinung –, dann muss man auch etwas zu Bologna sagen. Sie haben kein Wort zur Bologna-Reform verloren. Dabei muss uns doch allen klar sein, dass so, wie wir Bologna in Hessen und in Deutschland umgesetzt haben, Fehlentwicklungen stattgefunden haben. Bologna sollte mehr Mobilität und Vergleichbarkeit bringen.

Das Gegenteil ist eingetreten. Das hat die Belastung der Studierenden dramatisch gesteigert. Das, was G 8 in der Schule ist, sind Bachelor und Master in der Hochschule. Das war aber nicht intendiert, und das muss nicht sein. Es ist unser erklärtes Ziel, mit den Hochschulen Lösungen zu entwickeln, damit die Studierenden wieder mehr Freiheit im Studieren haben können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Ein Problem, das sich in unserem Bereich noch weiter massieren wird, ist die Hürde, einen Masterstudienplatz zu erhalten. Ich will damit nicht sagen, wir sollten jetzt einsteigen, dass alle einen Master machen müssen. Der Bachelor muss berufsbefähigend sein. Trotzdem haben wir die Entwicklung, dass ein grober Mangel herrscht.

Es kann doch nicht sein, dass wir sehenden Auges eine Entwicklung haben, dass diejenigen Absolventen, die einen Master machen wollen, zu großen Teilen nicht mehr in ein Masterstudium aufgenommen werden. Sie haben viel über Forschung geredet. Wo sollen denn die Nachwuchswissenschaftler herkommen, wenn viele Studierende keinen Masterstudienplatz mehr erhalten können?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch zu dieser Problematik kein Wort von Ihnen.

Ebenso schweigsam sind Sie zur Frage des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Wir hatten den Versuch unternommen, durch Zusammenlegung von Anträgen dieses Thema in diese Debatte mit hineinzuheben. Ich glaube, dass eine Regierungserklärung zur Forschungspolitik etwas dazu sagen sollte, wie es am Universitätsklinikum Gießen und Marburg weitergeht.

Stattdessen haben Sie darüber geredet, dass unsere Wissenschaftler in der Medizin herausgefunden haben, dass Kaffee nicht schädlich ist. Ja, das ist auch für uns alle lebensbedeutsam und sicherlich interessant. Aber es ist nicht die Debatte, die zurzeit in zwei von drei medizinischen Fachbereichen in Hessen geführt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Andrea Ypsilanti (SPD))

Wir haben die Situation – Sie haben das in der Presse verfolgt –, dass es vielleicht wieder zu einem Eigentümerwechsel kommt. Wir haben diese Situation schon einmal debattiert. Damals haben Sie sinngemäß gesagt: „Alles ist besser als Rhön“, als Sie darauf angesprochen wurden, wie das denn mit Fresenius sei. Dann wäre doch eigentlich zu

erwarten gewesen, dass Sie heute hier sprachfähig sind und etwas dazu sagen, wie es beim UKGM weitergehen soll, wenn jetzt Fresenius wieder einsteigt. Aber dazu sagen Sie nichts. – Ich sage: Das spricht Bände.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Noch einen anderen Bereich, der im UKGM verortet ist, muss man hier ansprechen, nämlich die Partikeltherapie. Wir haben lange Zeit nachgebohrt und Sie darauf hingewiesen, dass der Abbau durch Siemens droht und dass damit das ganze Projekt scheitert – ein Projekt, das Sie noch als ausschlaggebend genannt hatten, als Sie das Universitätsklinikum Gießen und Marburg privatisiert haben.

Jetzt haben wir wieder die öffentliche Debatte, weil bekannt geworden ist: Aha, ja, da gibt es eine Vertragskündigung von Siemens. – Was sagen Sie dazu? Nichts. – Ich sage: Das ist schlimmes Desinteresse an der Hochschulmedizin in Mittelhessen, was Sie hier zeigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie haben auch kein Wort zur Situation des akademischen Nachwuchses gesagt. Auf Antrag der drei Oppositionsfraktionen hat der Wissenschaftsausschuss im letzten Herbst eine große Anhörung zu der Frage gemacht, wie die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses ist. Da war man sich sehr schnell einig, dass die Situation prekär ist, dass es dort zu viele Kettenverträge und kurzzeitige Verträge gibt und dass zu viele Befristungen stattfinden.

(Zuruf des Abg. Dr. Matthias Büger (FDP))

Herr Dr. Büger, dann sind Sie halt anderer Meinung. Aber alle anderen hatten schon diese Auffassung.

Die Hochschulpräsidenten haben gesagt: Wir würden daran gerne etwas ändern. – Sie haben gesagt: Wir würden daran gerne etwas ändern, aber leider sind unsere Mittelzuweisungen so volatil, dass wir nicht planen können.

Wenn wir daran nichts ändern, werden wir massenhaft junge Nachwuchswissenschaftler an das Ausland verlieren. Deshalb sage ich: Wir müssen daran etwas ändern. Dazu gehört, den Hochschulen mehr Planungssicherheit zu geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, es wäre noch viel zu sagen. Aber mit Blick auf die Zeit möchte ich zum Schluss meiner Rede kommen. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung den Tagesablauf einer fiktiven Familie erklärt. Ich glaube, viel mehr wird uns Ihr Tagesablauf zu Beginn der nächsten Legislaturperiode interessieren. Ich kann im Sinne der Hochschulen und Universitäten dieses Landes nur hoffen, dass Ihr Tagesablauf damit enden wird, dass Sie Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger, die oder der jetzt noch der Opposition angehört, das Amt übergeben werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD so- wie der Abg. Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Kollege May, vielen Dank. – Ich darf Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE jetzt das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich stelle fest, dass das keine Regierungserklärung, sondern eine Bankrotterklärung einer Ministerin war.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Zugegeben, es ist so, dass es viel gibt, womit sich die Wissenschaftsministerin nach dieser Legislaturperiode wird rühmen können. Angesichts des Ansturms der Studierenden kommt von den Hochschulen vor allem Kritik. Sie sind völlig unterfinanziert und kommen kaum noch über die Runden.

Die Studierenden sind wegen der überfüllten Hörsäle genervt. Sie sind genervt, weil es kaum Wohnheimplätze gibt. Die Gewerkschaften kritisieren die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an den Hochschulen. Frau Ministerin, Ihre sogenannten Leuchtturmprojekte stürzen allesamt in sich zusammen.

Die vermeintliche Eliteuniversität, die European Business School, die Sie mit 24 Millionen € Landesgeldern gefördert haben, zweckentfremdet fröhlich die Landesmittel und steht trotzdem kurz vor der Pleite. Während die öffentlichen Hochschulen chronisch unterfinanziert sind, werfen Sie der EBS Millionen Euro an Steuergeldern geradezu in den Rachen.

Zur EBS haben Sie heute leider kein Wort gesagt. Das haben weder Sie, Frau Ministerin, noch Sie, Herr Büger, getan.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Reif, sie werden wissen, warum sie dazu nichts sagen.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Es reicht doch, wenn Sie das erwähnen!)

Auch die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg kann man mittlerweile nur noch als völliges Desaster bezeichnen. Die Vertragsbedingungen wurden von der Rhön-Klinikum AG nicht erfüllt, obwohl es das große Versprechen gab, dass es, wenn privatisiert wird, das Partikeltherapiezentrum geben würde. Das war ein großes Versprechen bei der Privatisierung. Mittlerweile ist klar, dass dieses Zentrum nie in Betrieb gehen wird.