Protokoll der Sitzung vom 27.06.2013

Ein kleiner Hinweis noch: Bei den Fragestellungen sollte ein sechster Punkt ergänzt werden, nämlich: „inklusives Bildungssystem verwirklichen“. Man könne zwar die Punkte 1 und 5 mit gutem Willen so interpretieren, dass Sie das gemeint haben, aber wir finden, das Land Hessen hat sich zur Inklusion verpflichtet, und das sollte dann auch bekräftigt werden. Wir werden den Antrag der SPDFraktion also unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Cárdenas. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Döweling zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Döweling.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich die Rede von Frau Kollegin Cárdenas und das, was man im Vorhinein von den GRÜNEN und von der SPD gehört hat, einmal resümiere, muss ich sagen: Es hätte sicherlich einen gewissen Unterhaltungswert gehabt, wenn man Sie 2008 im Verbund auf dieses Land losgelassen hätte. Der Unterhaltungswert wäre es allerdings nicht wert gewesen, den hessischen Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrern das anzutun.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Kommen wir einmal zu dem viel beschworenen Schulfrieden, den Kollege Wagner hier auszurufen versucht hat. Herr Kollege Wagner, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, ich sage es Ihnen heute wieder, und ich werde es Ihnen immer wieder sagen: Der Schulfrieden ist in Hessen schon längst erreicht. Wir brauchen keinen grünen Schulfrieden in Hessen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für meine Fraktion ist der Schulfrieden schon sehr lange erreicht. Es kommt natürlich auch darauf an, was man unter „Schulfrieden“ definiert. So, wie die Debatte bisher geführt worden ist, gehe ich davon aus, dass Sie darunter die leidige Frage der Schulorganisation definieren nach dem Motto „gegliedertes Schulwesen hier, integrierte Systeme da“.

Dazu sage ich: Für meine Fraktion ist dieser Drops schon seit mindestens zwei Legislaturperioden gelutscht. Wir haben immer gesagt, es muss eine Wahlfreiheit für die Eltern geben, wenn es vor Ort möglich ist, ein integriertes System und auch Angebote des gegliederten Systems vorzuhalten. Es ist nach dem neuen Hessischen Schulgesetz möglich und war auch nach dem alten Hessischen Schulgesetz möglich, integrierte Systeme zu gründen und integrierte Systeme zurückzuverwandeln – auch wenn das nicht so oft vorkommt. Das ist in Hessen schlicht und ergreifend Realität. Deswegen frage ich mich, wenn ich mir die Schulstrukturen in diesem Lande anschaue: Wofür brauchen wir einen Schulfrieden? Das erschließt sich mir absolut nicht.

(Beifall bei der FDP)

Nun zu Ihrer sogenannten neuen Schule; Sie mögen das Kindchen nennen, wie Sie wollen, die Kollegen in NRW haben es Gemeinschaftsschule genannt. Sie sagen ja ganz offen, Sie wollen lieber ein längeres gemeinsames Lernen. Dann frage ich mich allerdings: Wo ist der Unterschied zur integrierten Gesamtschule, die in Hessen in der Fläche vielfach vorhanden ist, wo durchaus Neugründungen stattfinden? Wir haben das vom Kollegen Schork gerade gehört; Kollege Noll hat das in seiner Kurzintervention – die Sie leider nicht gehört haben – völlig zu Recht ebenfalls eingewandt.

Es ist die Sache der Schulentwicklungsplanung vor Ort, über die Schulorganisationsstruktur in einem Schulträgergebiet zu entscheiden: nach Gesprächen mit den Vertretern der Schulen, den Eltern und den Schülern darüber, wie die Bedürfnisse vor Ort sind. Es ist also zum einen eine Entscheidung der Schule – dahin gehört sie nämlich: in die Gesamtkonferenz – und zum anderen eine Entscheidung des Schulträgers.

Bei der Genehmigung gab es bis jetzt in den allerwenigsten Fällen Probleme seitens des Landes. Wenn es einmal irgendwo gehakt hat, war das auch berechtigt. Es ist nämlich durchaus die eine oder andere Auflage zu erfüllen. Man muss natürlich auch schauen, wie sich, gerade aufgrund des demografischen Wandels, die Schülerströme verteilen werden.

Ich frage noch einmal: Wofür brauchen wir eine sogenannte neue Schule? Soll das eine weitere Schulform sein – was Sie bei uns immer kritisieren –, oder was soll das werden? Wofür brauchen wir in Hessen Ihren Schulfrieden? Wir brauchen ihn nicht.

(Beifall bei der FDP)

Es liegt durchaus nahe – es ist sicher auch legitim –, in die anderen Länder zu schauen, in denen von Ihnen ähnliche Initiativen gestartet worden sind. In Nordrhein-Westfalen gab es nach der Wahl die große Initiative der grünen Landtagsfraktion und dann auch der Kultusministerin nach dem Motto: Wir machen jetzt einen Schulfrieden. – Auch die Kollegen von der CDU in Nordrhein-Westfalen haben das nach der Wahl in einem Moment der Schwäche – so möchte ich es einmal sagen – unterzeichnet.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die FDP ist dort im Landtag standhaft geblieben und hat sich nicht auf die faulen Trauben eingelassen, die Sie zum Markt gefahren haben. Zu Recht, sage ich; denn inzwischen erkennt die CDU in Nordrhein-Westfalen, dass sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU: Oh!)

Dort wird nämlich das, was von dem gegliederten Schulsystem noch übrig ist – die Gymnasien –, von der grünen Kultusministerin auf dem ideologischen Altar der Gemeinschaftsschule geopfert. Sie lässt sie systematisch ausbluten und stellt die Gemeinschaftsschulen ganz klar besser. Das ist Schulfrieden à la GRÜNE. Davor möchte ich Hessen bewahren; das brauchen wir hier sicher nicht.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen eines: Die Schulen in Hessen haben genau das, was sie wollen: Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Sie haben die Rahmenbedingungen – eine 105-prozentige Lehrerversorgung im Landesdurchschnitt –, um eine qualitativ wertvolle Arbeit zu leisten.

Sie fragen immer nach der Zukunft. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode dafür sorgen, dass es an allen Schulen eine mindestens 105-prozentige Lehrerversorgung gibt. Außerdem werden wir den Sozialindex bei der Zuweisung weiter ausbauen.

Das sind die Perspektiven für Hessens Schulen: vorzügliche Rahmenbedingungen und die Möglichkeit nach dem Hessischen Schulgesetz, sich in mehreren Schritten, die dort vorgegeben sind, zu selbstständigen Schulen zu entwickeln. Das sind klare Perspektiven: Handlungsspielräume, gute Rahmenbedingungen und verlässliche Ressourcen. Das alles gibt es in den Ländern, in denen Sie regieren, nicht. Das gibt es nur in Hessen. Wenn CDU und FDP weiter regieren, wird das so bleiben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist klar, dass Sie immer nach dem Haar in der Suppe suchen. Mag der Teller noch so groß sein, Sie werden keines finden. In diesem Fall gibt es kein Haar in der Suppe. Es ist wirklich so, dass wir auf die Bedürfnisse und Wünsche der Schulen vor Ort eingehen.

Das zeigt auch die von Ihnen immer wieder angepriesene Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9, die wir geschaffen haben. Es waren die Wünsche der Eltern und der Schulen – das muss man klar anerkennen –, die uns zu dieser Kurskorrektur bewogen haben.

Wir haben daher gesagt: Okay, da gibt es noch einen Bedarf. Dann überlassen wir die Wahl der jeweiligen Schule – dort, wo man nah an den Menschen ist. Dort gibt es ein Lehrerkollegium, die Eltern sitzen mit in der Schulkonferenz, und die Schüler haben einen Vertreter. – Jede Schule hat die Option, sich zu entscheiden, ob sie bei G 8 bleibt, zu G 9 zurückgeht oder die Möglichkeit des Splittingmodells nutzt, das wir extra für ländliche Regionen geschaffen haben.

Ich kann nur sagen: Mich würde es schon interessieren, wie Sie das mit den sogenannten Konferenzen machen wollen, die Sie dort vorhaben. Hier, in Wiesbaden, sagen Sie: „Irgendein Gymnasium muss jetzt zu G 9 zurückkehren“, obwohl die Schulen hohe Anmeldezahlen haben und das Kollegium erklärt: Wir wollen erst einmal bei G 8 bleiben; zumindest in diesem Schuljahr wollen wir das nicht ändern. – Mich würde wirklich interessieren, wie Sie das dort mit der Brechstange einführen wollen: gegen den Willen des Schulkollegiums, gegen den Willen der Eltern und gegen den Willen der Schüler. Das ist offensichtlich ein Schulfrieden à la GRÜNE, aber nicht die Politik von CDU und FDP in diesem Haus.

(Beifall bei der FDP)

Noch eines würde mich übrigens interessieren: Ich habe in Ihrem Antrag kein Wort zu den beruflichen Schulen gelesen. Sie führen hier fast alles auf – Förderschulen, Grundschulen – und schreiben etwas zur Ganztagsschule. Darüber haben wir gestern schon debattiert. Aber haben wir in diesem Land nicht auch mehr als 100 berufliche Schulen? Wohin soll es denn mit denen gehen bei Ihrem Schulfrieden? In Ihrem Antrag, der ansonsten einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, steht kein Wort zu den beruflichen Schulen.

Herr Kollege Wagner, dazu muss ich sagen – auch in Ihrem Konzept habe ich relativ wenig dazu gefunden –: Das ist noch ein bisschen dünn für eine Fraktion, die sich anmaßt, den Kultusminister oder die Kultusministerin zu stellen. Da muss noch deutlich mehr kommen. Die beruflichen Schulen sind nämlich eine der wichtigsten Säulen, die wir in Hessen haben.

(Beifall bei der FDP)

Noch ein Wort zu den Kollegen von der SPD: Sie haben einen Antrag eingereicht, in dem Sie eine Expertenkommission fordern. Ich muss sagen, darüber bin ich ein Stück weit verwundert. Als wir neulich in einer Podiumsdiskussion saßen, habe ich einen ähnlichen Vorschlag gemacht und gefragt, ob wir uns so etwas nicht im Zusammenhang mit der Lehrerbildung überlegen könnten. Da wurde ich von den Kollegen von den GRÜNEN und von Ihnen relativ brüsk abgebügelt.

Jetzt fordern Sie in Ihrem Antrag die Einberufung einer Expertenkommission, die sich so ziemlich mit allen strate

gischen Fragen – wohin soll es in diesem Land mit der Schulpolitik gehen? – beschäftigen soll. Ich muss sagen, die Ratlosigkeit spricht förmlich aus jedem Satz des Antrags. Sie erzählen, wir seien verbraucht. Dazu kann ich nur sagen: Die Opposition ist verbraucht, wenn sie eine Expertenkommission einberufen will, die ihr erklärt, wie sie Schulpolitik machen soll.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Bei der SPD könnte das aber durchaus System haben. Man hört aus interessierten Kreisen, dass es ein SPD-Wahlprogramm gab, in dem – Frau Cárdenas hat es zu Recht gesagt – das früher klare Bekenntnis der SPD zur Einheitsschule stand. Dieses Wahlprogramm hat man an Lobbyverbände verschickt, von wo ein vernichtendes Echo zurückkam, was diesen Vorschlag betraf. In der SPD hat man gemerkt: „Oh, là, là, wir verlieren die Wahl schon wieder“, und die Formulierung abgeschwächt, um dem Bürger Sand in die Augen zu streuen. Jetzt sind Sie mit Ihrer Ideologie fertig und fordern deswegen eine Expertenkommission.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich muss sagen, das ist wirklich ein Armutszeugnis für eine Oppositionsfraktion in diesem Hause.

(Petra Fuhrmann (SPD): Was ist denn mit den Regierungsfraktionen?)

Unser Programm werden wir am Wochenende beschließen. Sie können gern hineinschauen und werden dann auch konkrete Vorschläge finden.

Ein allerletztes Wort zu den LINKEN: Ihre Fantasien von einer Einheitsschule, die selbst hier nicht geteilt werden, wurden neulich in einer Zeitung mit dem Begriff „Vollkaskoabitur“ umschrieben. Diese Vorstellung scheint mir bei Ihnen in der Tat vorhanden zu sein.

Zu dem, was Sie in Ihrem Schulkonzept skizziert haben, kann ich nur sagen: Wenn in Deutschland jemand ein anstrengungsloses Abitur verspricht – ohne Sitzenbleiben, ohne Benotung und ohne jeglichen Wettbewerb oder Ähnliches, was in der Gesellschaft vorherrscht –, fallen mir die Worte meines früheren Parteivorsitzenden ein: Das ist ein Stück weit spätrömische Dekadenz.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Döweling. – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Habermann das Wort.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diese bürgerfremde Arroganz bemerkt er selbst gar nicht! – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kein Wort über die eigenen Konzepte!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich abwarten, bis die Debatte etwas sachlicher und friedlicher wird; aber die Hoffnung war leider vergebens. Herr Döweling, nur zu Ihrer Information: Wenn Sie wissen wollen, worin der Unterschied zwischen der integrierten Gesamtschule und der grünen neuen Schule sowie dem

SPD-Modell für ein längeres gemeinsames Lernen besteht, schauen Sie doch einfach einmal in unsere Programme. Die sind nahezu identisch.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Aha! Sehr schön! Da werden sich die GRÜNEN freuen!)

Sie lesen doch sonst so gern unsere Parteiprogramme. Da können Sie den Unterschied vielleicht nachvollziehen.