Protokoll der Sitzung vom 27.06.2013

(Zurufe von der SPD)

Diese Form von Einheitsschule, die Sozialdemokraten und Kommunisten predigen, ist nicht das, was wir wollen, und

das ist ein pädagogisches Verbrechen, aber nicht die integrierte Gesamtschule – um es sehr deutlich zu sagen. Ich habe selbst an einer solchen unterrichtet, sogar an mehreren, und weiß, wovon ich rede.

Die eine Zeitung hat das formal völlig korrekt dargestellt, die andere Zeitung hat es in der Sache völlig falsch dargestellt, hat es aber am nächsten Tag korrigiert. Ich denke, Sie wissen das. Das sollten Sie einfach zur Kenntnis nehmen. Es wäre ein Akt der Fairness, dies auch entsprechend öffentlich darzustellen und nicht mit falschen Behauptungen zu operieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Kollege. – Bitte schön, Frau Habermann.

Sehr geehrter Herr Irmer, zu Punkt 1: Sie haben uns gestern erklärt, dass unsere Forderung, 500 Grundschulen zu ermöglichen, gebundene Ganztagsschulen zu werden, eine Zwangsganztagsschule bedeute. Ich bin froh darüber, dass ich das noch einmal klarstellen kann. Wenn man ein Programm auflegt und es Schulen anbietet, dann müssen sich Schulen darum bewerben und eine Konzeption vorlegen. Das hat mit „Zwangsbeglückung“ nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie wollen 100 pro Jahr!)

Herr Irmer, wenn wir von 100 Schulen pro Jahr sprechen, dann definiert dies das finanzielle Volumen, das wir bereit sind zur Verfügung zu stellen. Es gibt in diesem Landeshaushalt noch mehr Programme, die nicht in jedem Jahr ausgeschöpft werden. Allerdings bin ich mir relativ sicher, dass es genügend Grundschulen geben wird, die sich auf diesen Weg machen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Zu Punkt 2: Herr Irmer, Sie wissen, ich habe das der Zeitung entnommen. Im Prinzip haben Sie Ihre Äußerung jetzt bestätigt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Nein!)

Ich habe vorhin „Gesamtschule“ gesagt. Sie sprachen von der „Einheitsschule, die die SPD will“. Die sogenannte Einheitsschule, die die SPD will, ist eine Weiterentwicklung der bestehenden integrierten Gesamtschule,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Aha!)

weil sie in der Mittelstufe binnendifferenziert arbeitet und dies als Ganztagsschule tut.

(Unruhe bei der CDU)

Das ist nachlesbar. Wenn Sie das als „Verbrechen an den Kindern“ bezeichnen, dann ist wieder einmal deutlich geworden, wie rückwärtsgewandt Ihre Einstellungen in diesem Bereich sind.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Frau Habermann. – Frau Kultusministerin, jetzt haben Sie das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Ich habe mich die ganze Woche auf diese Debatte gefreut, und ich muss sagen, ich bin nicht enttäuscht worden. Die Spalter verkleiden sich als grüne Friedenstauben und beschwören einen Krieg, den sie allenfalls mit der rot-roten Wunschkonstellation führen können, Herr Kollege Wagner.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): GRÜNE!)

Ich kann alle im Land beruhigen: Wir werden sehr intensiv daran weiterarbeiten, dass es zu solchen Problemen, wie sie sich hier eben zwischen GRÜNEN, SPD und Linkspartei aufgetan haben, gar nicht erst kommt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese Landesregierung steht für Vielfalt, Freiheit und Qualität im hessischen Schulwesen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nach genau diesen Leitlinien handeln wir. Wir schreiben nicht irgendwelche Konzeptpapiere. Wir brauchen auch keine Arbeitskreise, die uns erst wieder irgendwelche Ratschläge geben. Wir handeln, weil wir zusammen mit den Praktikern, mit den Experten schon längst in der Umsetzung sind, und zwar in der Umsetzung einer Bildungspolitik, die das Kind in den Mittelpunkt aller Bemühungen stellt: seine individuelle Förderung, Wissensvermittlung und Persönlichkeitsentwicklung. Darauf kommt es an.

Das bedeutet auch, den Unterricht vom Kind aus zu definieren und die Schule vom Unterricht aus. Genau deswegen haben wir auch die Bildungsverwaltung umgestellt, weil sie eine dienende Funktion haben soll. Sie soll in Zukunft von der Schule her, ausgehend von dem, was Schule, Unterricht und Kinder brauchen, organisiert sein.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das funktioniert ja prima!)

Das bedeutet, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wir als FDP und CDU führen eine Qualitätsdebatte. Sie führen eine rückwärtsgewandte Organisationsdebatte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Zu unserer Qualitätsdebatte gehört ganz klar ein vielfältiges Schulsystem. In diesem Land gibt es integrierte Gesamtschulen, kooperative Gesamtschulen, Mittelstufenschulen, Hauptschulen, Realschulen, berufliche Schulen, Grundschulen, Gymnasien, Mittelstufengymnasien, berufliche Gymnasien. All das soll weiterhin erhalten bleiben. Diese Vielfalt garantiert die Landesregierung aus FDP und CDU. Noch mehr Wahlmöglichkeiten gab es noch nie, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der CDU: Und gibt es nirgendwo an- ders!)

Die FDP hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Gräben, von denen Sie offensichtlich immer noch sprechen, längst zugeschüttet sind. Sie öffnen sie wieder mit der Diskussion um eine Einheitsschule – ob Sie sie nun neue Schule oder

Gemeinschaftsschule nennen oder ob Sie sie, wie die SPD, gar nicht mehr benennen, ist völlig egal.

(Zuruf von der FDP: Sind denen die Namen ausge- gangen?)

Wir wollen diese ideologischen Auseinandersetzungen nicht mehr. Bei uns werden die unterschiedlichen Schulformen und Schulorganisationsformen gleichermaßen gut behandelt. Dabei wird es auch bleiben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Kinder und Schulen brauchen nämlich Kontinuität. Sie brauchen stabile Rahmenbedingungen, damit sie lernen, sich entwickeln und gemeinsam arbeiten können. Sie brauchen keine ständigen ideologiegetriebenen Organisationsdebatten.

Genau deswegen gibt diese Landesregierung den Schulen, und damit den Schülerinnen und Schülern, ihren Eltern und den Lehrern, Freiheit und eine bestmögliche Ausstattung. Das bedeutet, dass vor Ort gemeinsam – auch mit Kooperationspartnern, die in unsere offenen Schulen mit hineingenommen werden – auf der Basis moderner Kerncurricula Profilbildung betrieben wird. Die Schulen setzen ihre Schwerpunkte selbst: ob MINT-Bereich, Fremdsprachen, Kunst und Kultur, Sport, Hochbegabungsförderung, Inklusion oder Berufs- und Studienorientierung. Viele sind dabei so sehr engagiert, dass sie sich mehrere dieser Schwerpunkte ausgesucht haben.

Genau dazu haben die Schulen in dieser Legislaturperiode auch die Freiheit bekommen. Unsere Schulen haben noch nie so viel selbst entscheiden und verantworten können wie heute. Unsere Schulen haben die Möglichkeit, über ihre Budgets selbst zu bestimmen. Mittlerweile sind über 70 % im kleinen Schulbudget. Immer mehr machen sich auf, im großen Schulbudget auch über ihre Personalmittel selbst zu entscheiden. Die ersten fünf Schulen stehen am Start als rechtlich selbstständige berufliche Schulen, meine Damen und Herren.

Nur muss man dann, sehr geehrte Frau Kollegin Habermann, sehr geehrter Herr Kollege Wagner, auch ertragen können, dass diese Schulen selbst entscheiden. Sie entscheiden dann selbst, ob sie den flexiblen Schulanfang anbieten wollen oder nicht. Die Schulen entscheiden selbst, in welchem Ganztagsangebot sie arbeiten wollen und ob sie in der Mittelstufe G 8 oder G 9 organisieren wollen. Das ist dann eine Entscheidung, die Sie aushalten müssen. FDP und CDU sind stark genug, um genau dies zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Genau deswegen konzentrieren wir uns auf die Rahmenbedingungen, auf die Lern- und Arbeitsbedingungen für die Jugendlichen und ihre Schulen. 2.500 zusätzliche Stellen, 105 % Lehrerversorgung im neuen Schuljahr im Landesschnitt, ein Sozialindex, der die in besonders schwierigen Umgebungen arbeitenden Schulen noch stärker unterstützt, zusätzliche Migrantenförderung, individuelle Förderung von der Inklusion bis zur Hochbegabung: Das sind Kriterien für qualitätsvollen Unterricht, der wirklich allen Kindern das Beste geben will.

Man kann sich ja in der Praxis anschauen, wie das rot-grüne Gegenmodell aussieht. Ich will gar nicht mehr auf die Vergangenheit zurückkommen, weil Sie das gestern so kri

tisiert haben, als die Kollegen von der CDU- und der FDPFraktion das einbrachten und Sie mit Ihren eigenen Taten in der Zeit vor 1999 konfrontierten. Wer sich aber allein Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder NordrheinWestfalen anschaut, sieht doch, was in einer rot-grünen Realität passiert:

(Hans-Christian Mick (FDP): So ist es!)

In Rheinland-Pfalz ein Minus von 1.800 Lehrerstellen, Nordrhein-Westfalen mit 5.000 Lehrerstellen weniger, in Baden-Württemberg sind es 11.600. Meine Damen und Herren, dort wird die Axt an Bildung gelegt, dort wird individuelle Förderung kaputt gemacht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden ganz bewusst, ganz in Ruhe und in Gelassenheit genau den entgegengesetzten Weg weitergehen: Ruhe an der Organisationsfront

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, mit dem Landesschulamt!)

und Ausbau bei guten Lern- und Arbeitsbedingungen.