Protokoll der Sitzung vom 27.06.2013

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dem Verlauf der dritten Lesung dieses Gesetzentwurfs eben genauso aufmerksam zugehört wie der zweiten Lesung. Kurioserweise ist in beiden Debatten nicht ein einziges kritisches Wort zu dem materiellen Inhalt dessen, was durch die Veränderung des Gesetzes geregelt wird, gesagt worden.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Sehr richtig!)

Ich habe nicht ein einziges kritisches Wort dazu gehört, dass die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, wie Herr Kollege Schork zu Recht festgestellt hat, bei der bisherigen rechtlichen Lage nur für Zuwachskommunen zur Abbildung im Kommunalen Finanzausgleich geführt hat, für schrumpfende Kommunen jedoch nicht. Ich habe nicht gehört, dass dies eine unsinnige Regelung sei.

Genauso wenig habe ich gehört, dass die Regelung, dass insbesondere die Kommunen im ländlichen Raum, mit einem besonderen Schwerpunkt bei den Mittelzentren im ländlichen Raum, eine zusätzliche finanzielle Stärkung erfahren sollten, eine unsinnige Entscheidung sei.

Zur Begründung, um im Hessischen Landtag am Ende doch Nein sagen zu können, wurden immer andere Zusammenhänge bemüht.

Im Kern müssen Sie zugeben, dass das, was wir vorgelegt haben, am Ende ein richtiger Vorschlag ist. Deshalb ist es notwendig, das an dieser Stelle festzuhalten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen zu der Frage des Verhältnisses der Staatsgerichtshofentscheidung und den Möglichkeiten, das Gesetz zu ändern. Darüber haben wir in Berlin ausführlich diskutiert. Frau Erfurth, ich bedauere ausdrücklich, dass mein besonderes Bemühen, die Rechtslage zu erläutern, nicht von Erfolg gekrönt war.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das stimmt!)

Trotzdem gehen wir mit der Rechts- und Verfassungsabteilung der Staatskanzlei gemeinschaftlich davon aus, dass ein nicht für nichtig erklärtes Gesetz, das das Verfassungsgericht ausdrücklich für einen Übergangszeitraum für anwendbar erklärt hat, auch noch änderbar ist, in den Grenzen dieser Anwendbarkeit. Durch den Änderungsantrag der antragstellenden Fraktionen wird auch deutlich, dass diese Regelung formal nur in diesem Geltungsbereich gelten soll. Ich verschweige nicht, dass ich glaube, dass der materielle Regelungsgehalt auch in eine Dauerregelung überführt werden sollte, weil es in der Sache richtig und notwendig ist. Jedenfalls wird es dort hineingepackt werden können.

Was wäre die Alternative gewesen? – Wir wissen gemeinschaftlich, dass die vom Staatsgerichtshof geforderte Analyse eine Frage ist, die man eher in einem Jahr bis eineinhalb Jahren einigermaßen präzise wird abarbeiten können. Die Alternative wäre jetzt gewesen, den weit über 200 Kommunen im ländlichen Raum die finanzielle Besserstellung, auf die sie warten, vorzuenthalten. Oder wollen Sie nach Alsfeld fahren – –

(Norbert Schmitt (SPD): Es geht um die 344 Millionen €!)

Herr Schmitt, genau das ist der Punkt. Die Stadt Alsfeld ist beispielsweise vor den Staatsgerichtshof gezogen mit dem Vortrag, die 400.000 € – –

(Fortgesetzte Zurufe des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Hören Sie einfach zu, bevor Sie reden, sonst haben Sie es wieder nicht so richtig verstanden.

(Petra Fuhrmann (SPD): Na, na!)

Diese 400.000 €, wegen derer die Stadt Alsfeld vor den Staatsgerichtshof gezogen ist, werden jetzt, durch die Reform, die wir heute wahrscheinlich im Landtag beschließen werden, mehr als kompensiert. Die Stadt Alsfeld bekommt 600.000 € im Jahr mehr. Sollen wir denn der Stadt Alsfeld und vielen anderen ländlichen Kommunen nur wegen dieser formalen Bedenken das Geld weiterhin vorenthalten?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie müssen den Kommunen im ländlichen Raum erklären, ob Sie ihnen diese Besserstellung vorenthalten wollen, weil Sie nicht restlos ausschließen können, dass irgendjemand gegen irgendetwas klagt. Das können Sie in einem Rechtsstaat nie ausschließen, dass irgendwer gegen irgendetwas klagt. An der Stelle glaube ich, dass wir das Risiko eingehen können, dass dort jemand zu Gerichte schreitet.

Wir halten es für richtig, die von der demografischen Entwicklung negativ betroffenen Kommunen materiell besserzustellen. Wir halten es auch für richtig, dass wir die Kommunen im ländlichen Raum zusätzlich besserstellen. Deshalb, glaube ich, ist es eine richtige und gute Entscheidung, diesen ersten Schritt zu einer umfassenden Reform des Kommunalen Finanzausgleichs heute und nicht erst später zu gehen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Schäfer. – Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Aussprache zur dritten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Anpassung des Kommunalen Finanzausgleichs an die Herausforderungen des demografischen Wandels und zur Stärkung des ländlichen Raums angelangt.

Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD. Wer enthält sich? – DIE LINKE. Somit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen und wird damit zum Gesetz.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes – Drucks. 18/ 7490 zu Drucks. 18/7384 zu Drucks. 18/6896 –

Zur Berichterstattung, Herr Kollege Irmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kulturpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Nichtbeteiligung der LINKEN, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung zur zweiten Lesung in dritter Lesung unverändert anzunehmen.

Vielen Danke, Herr Kollege Irmer. – Das war die Berichterstattung, und jetzt darf ich Ihnen zur Aussprache das Wort erteilen. Sie sprechen für die Fraktion der CDU. Bitte.

Danke, Herr Präsident. – Wir haben das Thema in der Vergangenheit schon mehrfach erörtert. Deshalb kann ich mich relativ kurz fassen. Ich will in der gebotenen Kürze nur darauf aufmerksam machen, dass es ganz unterschiedliche Studien gibt, was die Bedeutung des Lehrers für den Erfolg des Schülers im Unterricht angeht. Ich verweise auf den neuseeländischen Bildungsforscher Hattie, der die Ihnen bekannte Hattie-Studie verfasste und Hunderte von Metastudien ausgewertet hat. Ich fasse zusammen: Er kommt wie viele andere auch zu der entscheidenden Auffassung, dass für den schulischen Erfolg von Kindern die Art, wie Lehrer unterrichten, die stärkste Auswirkung auf den Lernzuwachs junger Menschen hat. Er sagt:

Lehrer brauchen die Liebe zum Fach, den Willen, es Schülern näherzubringen, und den Glauben, dass jeder Schüler lernfähig ist.

Also eine entsprechend positive Grundeinstellung, das ist etwas, was bei anderen Studien – Hamburg beispielsweise – ebenfalls herauskommt, oder bei dem, was der uns, geografisch gesehen, etwas näher stehende Prof. Rauin an der Universität Frankfurt – ein entschiedener Befürworter des Praxissemesters, aber das nur am Rande – mehrfach öffentlich erklärt hat:

Lehrer müssen brennen. Sie müssen begeistert sein für ihren Beruf und ihre Berufung. Lehrer als Beruf im Sinne von Berufung und nicht als Job.

Das heißt, Rauin sagt: Lehrer müssen rechtzeitig wissen, was auf sie zukommt.

Ich will Frau Stange, ehemalige GEW-Bundesvorsitzende, zitieren – das kommt bei mir nicht häufig vor –, die gesagt hat

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

gelegentlich gibt es auch dort Lichtblicke –:

Dazu brauchen wir auch eine engere Verzahnung zwischen Theorie und Praxis. Lehramtsanwärter werden heute nach der Theorie an der Uni ins kalte Wasser geworfen und sind ganz geschockt, wie hart die Schulpraxis ist.

Es gibt auch eine interessante Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach aus dem Jahre 2012. Damals sind Junglehrer befragt worden, wie sie glauben, so einigermaßen auf den Lehrerberuf vorbereitet worden zu sein. 62 % haben erklärt, dass sie viel zu wenig Vorbereitung hatten, bezogen auf die Praxis, auf das tägliche Geschäft anschließend im Lehrerberuf.

Hierfür brauche ich nicht das Institut für Demoskopie Allensbach: Das war schon zu meiner Zeit so; das ist heute noch so. Ich habe gerade vor wenigen Wochen wieder mit einer Reihe von Lehramtsstudenten diskutiert und gefragt: Wie sehen Sie das denn? Wie ist das denn mit der Vorbereitung auf den späteren Beruf? – Die Kernaussage war bei allen gleich: Wir haben im Grunde genommen eine tolle

fachbezogene Ausbildung auf hohem Niveau. Das ist alles in Ordnung, aber wir fühlen uns in Bezug auf das, was später auf uns zukommt, ein klein wenig im Stich gelassen. – Das deckt sich auch mit der Anhörung zum Thema Praxissemester.

Die Kernaussage war – bei allen Kritikpunkten, die das Praxissemester von den Anzuhörenden auch erfahren hat; das gehört zur Wahrheit dazu –: Jawohl, wir brauchen mehr Praxisbezug. – Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen dieses Praxissemester im 3./4. Semester implementieren. – Letzten Endes bewegen wir uns damit auf der Ebene anderer Bundesländer bzw. anderer Staaten in Europa, die längst auf diesem Wege sind, und zwar erfolgreich. Es ist das Ziel, dass junge Leute zu einem relativ frühen Zeitpunkt für sich erkennen können, ob das Lehramtsstudium für sie das Richtige ist oder nicht.

Es ist wichtig, dass sie das für sich selbst erkennen können, und wir ersparen jenen, die vielleicht nicht geeignet sind, spätere gescheiterte Karrieren. Wir ersparen aber dann auch vielen Schülern Pädagogen, die für diesen Beruf nicht geeignet sind, mit allen negativen Konsequenzen. Deshalb ist es richtig, dass wir ihnen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die Chance geben, für sich zu erkennen: Jawohl, das ist genau das, was ich schon immer machen wollte.

Was wir aus der Anhörung noch mit herausnehmen können und müssen, sind aus meiner Sicht kritische und konstruktive Anmerkungen – wir sind sehr offen im Vollzug dessen, was dann umgesetzt werden soll –, beispielsweise die Frage: Wie können wir die Studienseminare stärker einbinden? Oder die Mentorenentlastung; das will ich ganz bewusst nur als Stichwort nennen; oder auch die Anregung, die aktuell von der Universität Kassel gekommen ist, zu sagen: Bitte schön, wir haben bisher ein anderes Konzept mit mehreren Praktika gehabt.

Wir haben kein Problem damit, zu sagen: Wenn wir das Praxissemester haben, spricht nichts dagegen, zu prüfen, ob man im weiteren Verlauf des Studiums noch einmal ein vierwöchiges oder zwei vierwöchige Praktika anschließt. Damit haben wir kein Problem, da sind wir völlig offen. Der Kern aber ist, dass wir gesagt haben, wir brauchen diesen Praxisbezug zu einem möglichst frühen Zeitpunkt. Damit befinden wir uns auf der Ebene all der Staaten und Bundesländer, die das vor uns bereits partiell eingeführt haben oder dies diskutieren. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen würden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Irmer. – Frau Habermann hat sich für die SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kultusministerin hat in der zweiten Lesung zu dem Gesetzentwurf über ein Praxissemester argumentiert, dass man mit dem Modellversuch nicht so falsch liegen könne, wenn die Hochschulen bereit seien, sich daran zu beteiligen.

Dass sich die Bereitschaft der Hochschulen in Grenzen hält, hat bereits die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf gezeigt, bei der deutlich wurde, dass alle drei beteiligten

Hochschulen massive Kritik an der Konzeption geübt haben und noch keine Informationen über die Durchführung sowie deren Bedingungen hatten.

Aber da Herr Irmer gerade die Erklärung aus Kassel zitiert hat, kann man sagen, dass das, was die Kultusministerin erklärt hat, offensichtlich falsch ist. Sie meinen wohl die Erklärung der Fachdidaktikerkonferenz der Universität Kassel zum Modellversuch zur Erprobung eines Praxissemesters. Dort werden die gleichen Argumente gegen diesen Gesetzentwurf aufgelistet, die wir bereits in der Anhörung mehrfach gehört haben. Das betrifft einmal den frühen Zeitpunkt des Praxissemesters, der eine angemessene Reflexion noch nicht zulässt. Zum Zweiten betrifft es den Umstand, dass nicht gleichzeitig Ausbildungszeiten verlängert werden. Herr Irmer, wenn Sie nun sagen, man könne durchaus noch vier Wochen dranhängen, muss ich Sie ernsthaft fragen, wie man das bei einer sechssemestrigen Ausbildung im Grundschullehramt mit der fachlichen und theoretischen Qualifizierung der Studenten im Lehramt vereinbaren möchte: ein Blockpraktikum über ein Semester und noch einmal vier zusätzliche Wochen.

Im Prinzip reden wir letztlich über fünf Tage, das ist Ihnen hoffentlich bewusst. Die bisherigen Aufbaupraktika, die in verschiedenen Phasen abliefen, dauerten insgesamt 50 Tage, und das Praxissemester wird einen Zeitraum von 55 Tagen umfassen. Allein daher ist die Äußerung zu dem größeren Praxisbezug sehr zu relativieren.

Ein letztes Argument, welches ebenfalls stichhaltig ist, bezieht sich darauf, dass dieses Praxissemester gleichzeitig als eine Art Assessment bzw. Selbsteignungsüberprüfung für die zukünftigen Lehrkräfte angesehen wird. Auch dazu haben alle Fachleute gesagt, diese gleichzeitige Überfrachtung – schulpraktische Studien und Vertiefung des an der Universität Gelernten in der Praxis und zusätzlich eine Selbstüberprüfung der Eignung – ist in dieser Form nicht möglich.