Herr Wagner, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen, melden Sie sich. Aber ich sage Ihnen gleich, ich lasse sie nicht zu.
Dabei reden Sie immer von der Vielfalt der Kinder und behaupten, Unterschiedlichkeit zu akzeptieren und individuell zu fördern. Tatsächlich fördern Sie ausschließlich die Vielfalt der Schulformen und haben dazu beigetragen, dass das hessische Schulsystem weiter zersplittert und für Eltern unübersichtlich geworden ist.
(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Im Leben nicht! – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))
Wenn Sie Ihr eigenes Credo der Vielfalt ernst nehmen würden, dann hieße das für jede und jeden der 788.000 Schülerinnen und Schüler in Hessen, ein auf sie zugeschnittenes Angebot zu entwickeln.
Kinder sind von Natur aus und von Geburt an wissbegierig und motiviert. Manche lernen schnell und ohne erkennbare Anstrengung. Manche haben individuelle Probleme mit einzelnen Fächern. Viele Kinder finden Unterstützung durch ihre Familien und haben bereits vor der Schule einen Schatz an Interessen und Erfahrungen aufgebaut. Anderen dagegen fehlen in der familiären Sozialisation Förderung und Bildungsanreize.
Manche Kinder bringen körperliche, geistige oder psychische Handycaps mit, oder sie kämpfen mit Sprachproblemen. Allen diesen Kindern ist eines gemeinsam: Sie haben in ihrer Unterschiedlichkeit einen Anspruch und ein Recht auf bestmögliche Förderung und Bildung, auf Teilhabe und auf eine persönliche Perspektive.
Denn der Erfolg bei der Bildung ist weiterhin von der Herkunft abhängig. Angesichts der vielen jungen Menschen, deren Fähigkeiten weder in der Familie noch in der Schule entsprechend gefördert werden können, und angesichts der Tatsache, dass wir jeden dieser jungen Menschen für die Entwicklung unserer Gesellschaft brauchen, handelt es sich dabei um den größten Skandal dieser Bildungspolitik, den es zu beheben gilt.
Sie haben vor der zentralen Frage kapituliert, wie die Schulen arbeiten müssen und wie die Lehrkräfte ausgebildet werden müssen, damit die Berücksichtigung der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit ein Qualitätskriterium für den Unterricht an hessischen Schulen wird. Wir wollen deshalb den Ausbau der frühkindlichen Bildung. Wir wollen die Schuleingangsstufe. Wir wollen echte Ganztagsschulen. Wir wollen, dass es das Angebot an die Schulen gibt, dass die Kinder in der Mittelstufe gemeinsam lernen.
Frau Kultusministerin, Sie reden von Wahlfreiheit und tun den Wunsch der Eltern nach längerem gemeinsamen Lernen rigoros als „Einheitsbrei“ ab. Angesichts Ihrer Vorstellungen tun Sie mir echt leid. Das muss ich Ihnen sagen.
Wir sind davon überzeugt, dass das gemeinsame Lernen allen Kindern Vorteile bietet. Das gilt für die guten Lerner ebenso wie für diejenigen, die viel Unterstützung brauchen. Die Schulen sollen sich freiwillig für den Weg der Gemeinschaftsschule entscheiden können, so wie das Schulen in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg, in Sachsen-Anhalt und im Saarland schon heute tun. Im Saarland und in Sachsen-Anhalt geschieht dies mit Zustimmung der dortigen CDU.
Schulen, die den Weg gehen wollen, Unterschiedlichkeit und Vielfalt als Grundlage für mehr Bildungsqualität und bessere Chancen für jedes der Kinder zu nutzen, als Einheitsschulen zu verunglimpfen, beweist letztlich nur Einfalt.
Es geht uns auch nicht darum, alle gleichzumachen. Nicht jedes Kind wird bis zum Abitur kommen. Nicht jedes Kind soll Abitur machen. Denn es gibt sehr viele verschiedene interessante Berufe, für die man das Abitur oder das Studium nicht braucht.
Darum geht es nicht. Es geht darum, Verschiedenheit anzuerkennen und sie als Chance für lebendigen und guten Unterricht zu nutzen.
Da Herr Prof. Hattie in Hessen jetzt in den Mittelpunkt gerückt wird, kann ich Ihnen nur empfehlen, einmal nachzuschlagen, wo er die Erkenntnisse über guten Unterricht gewonnen hat. Er hat diese Erkenntnisse in einem Kulturraum und in einem Land gewonnen, in dem es Ihrer Ansicht nach nur eine Einheitsschule gibt. Auch darüber würde ich mir ab und zu einmal Gedanken machen, wenn ich solche Begriffe benutzen würde.
Einmal mehr gehen in Hessen die Uhren rückwärts. Denn nicht nur die Mitglieder der CDU, sondern auch die der FDP verschanzen sich lieber hinter verstaubten Kampfparolen und Wahlkampflügen
(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Ach du liebe Zeit! – Weitere Zurufe)
Wahlkampflügen –, statt über ihre eigenen Versäumnisse nachzudenken. Frau Kultusministerin, es ist schade, dass Ihr Gerede über die Vielfalt letztlich inhaltslos bleibt. Weder bei der Umsetzung der Inklusion noch bei der Unterstützung der Modelle längeren gemeinsamen Lernens und auch nicht bei der Stärkung der Grundschule sind Sie über leere Worte hinausgekommen.
Unsere Kinder haben eine bessere Bildungspolitik verdient, eine Bildungspolitik, die das einzelne Kind in den Mittelpunkt rückt. Eine solche Bildungspolitik werden wir mit all denen gemeinsam machen, die die Schule ausmachen. Wir werden das mit den Lehrkräften, den Schülerinnen und Schülern und den Eltern machen. – Vielen Dank.
(Lang anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus), Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Frau Kollegin Habermann, vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Dr. Wagner, Vorsitzender der CDU-Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sehr eindrucksvolle und bemerkenswerte Rede unserer Kultusministerin hat nachgewiesen, dass es den Schulen in Hessen richtig gut geht.
Das hat sie mit vielen Fakten und mit vielen guten Argumenten begründet. Ich füge hinzu: Die Spitzenwerte des Wirtschaftsstandorts Hessen, die historisch niedrige Zahl der Arbeitslosen und die Innovationskraft unserer Unternehmen sind das offenkundige Verdienst gut ausgebildeter Fachkräfte und hervorragend qualifizierter Mitarbeiter. Sie sind das für jedermann sichtbare Ergebnis einer erfolgreichen Bildungspolitik, die Hessen in ein Chancenland verwandelt und den Menschen Lebens- und Karrierechancen eröffnet.
Dies alles gibt es trotz der Unkenrufe des selbst ernannten GRÜNEN-Kandidaten für den Wirtschaftsminister. Herr Al-Wazir kann in völliger Verkennung der Realität immer wieder versuchen, den Wirtschaftsstandort Hessen schlechtzureden. Es bedarf eigentlich gar nicht eines Artikels der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, um ihn zu widerlegen, obwohl diese Zeitung das bereits getan hat. Sie schrieb vor etwa 14 Tagen wörtlich:
Herr Al-Wazir hat nicht recht, wenn er sagt: „Hessen brummt nicht.“ Gegen seine Behauptungen sprechen nicht nur das hohe Bruttoinlandsprodukt, die Einwohner- und die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch die beachtliche Schwungkraft, mit der sich Hessen in den vergangenen zwei Jahren aus der Krise emporgearbeitet hat.
Herr Al-Wazir, das will ich klar und deutlich sagen: Ihre Politik des Schlechtredens geht am Lebensgefühl der Hessen vorbei.
Die große Mehrheit der Hessen ist mit ihren persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Die Mehrheit schaut positiv in die Zukunft.
Ich wiederhole es: Die Aussagen der GRÜNEN und der SPD gehen an der Lebenswirklichkeit unseres Landes vorbei. Sie brauchen aber das Schlechtreden, denn Sie müssen nach einer künstlichen Begründung suchen, um gewählt zu werden. Auf diesem Wege werden Sie das aber niemals schaffen.
Nach Ihrer Regierungszeit hatten Sie an den hessischen Schulen eine desolate Hinterlassenschaft zu verantworten. Die Koalition aus CDU und FDP hat hingegen entschlossen gehandelt und die hessische Bildungspolitik zu neuen Spitzenwerten geführt. Allein die Zahlen, die die Frau Kultusministerin hier vorgetragen hat, sprechen eine eindeutige Sprache. Jede Woche werden an den hessischen Schulen 200.000 Stunden mehr Unterricht als zu rot-grüner Zeit erteilt. Jede Woche sind es 200.000 Stunden mehr.