Protokoll der Sitzung vom 07.07.2009

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hessische Nachbarrechtsgesetz aus dem Jahre 1962 ist ein eher altes Gesetz. Es versteht sich von selbst, dass es in den 47 Jahren nach seinem Inkrafttreten Veränderungen der tatsächlichen Lebensverhältnisse gegeben hat, Veränderungen, denen man Rechnung tragen muss. Hier ist in erster Linie das Thema Klimaschutz zu nennen. Der internationale Klimaschutz ist eine der größten Herausforderungen im 21. Jahrhundert, denen wir uns zu stellen haben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Zum Vergleich: Vor 47 Jahren, als dieses Gesetz verabschiedet wurde, war dieses Thema der Politik eher unbekannt. Mittlerweile, auch dank verbesserter Forschungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet, ist der Klimaschutz über alle Fraktionsgrenzen hinweg als zentrales Anliegen in der Politik verankert. Eine erfolgreiche Klimapolitik geht uns alle an, und wir sollten – gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Änderungen des Nachbarschaftsrechts – gemeinsam an einem Strang ziehen,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

um eine für alle Seiten gute Lösung zu finden. Unbestritten ist doch, dass wir alle umweltfreundliche und energieeffiziente Hausdämmungen mehr unterstützen wollen, damit im Land der Energieverbrauch gesenkt wird und CO2-Emmissionen reduziert werden.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle auch den Hinweis, dass es aus ökonomischer Sicht besonders verantwortungsbewusst ist, wenn wir Hauseigentümer, gerade in Zeiten steigender Energiepreise, ein Stück weit mehr finanziell entlasten. Diesen Anforderungen trägt das gegenwärtige Nachbarschaftsrecht – das muss man einfach einmal feststellen – nicht ausreichend Rechnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Neue Abgeordnete für die CDU!)

Es sieht bei vorhandenen Grenzbebauungen keine Anpassungsmöglichkeiten an den heutigen Stand der Technik vor, sodass nachträglich vorgenommene Maßnahmen der Wärmedämmung zulasten des Nachbarschaftsgrundstücks nicht erlaubt sind. Um hier Abhilfe zu leisten, brachte in der vergangenen, sehr kurzen Wahlperiode vor gut einem Jahr die damalige Landesregierung einen im Vergleich zu dem aktuell vorliegenden Entwurf – insofern stimme ich auch Ihnen, Frau Hammmann, zu – im Wesentlichen unveränderten Gesetzentwurf im Hessischen Landtag ein. Aufgrund bestimmter Ereignisse, an die wir uns alle noch gut erinnern können, fiel der damalige Gesetzentwurf der Diskontinuität anheim.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich mache keinen Hehl daraus, dass die zu regelnde Materie, mit der wir uns heute erneut beschäftigen, keine leichte ist. Deshalb sage ich auch an dieser Stelle ganz deutlich: Neben dem berechtigten Interesse, den Klimaschutz weiter voranzutreiben, müssen auch die Interessen der Eigentümer benachbarter Grundstücke ernst genommen werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieser Punkt ist ganz entscheidend und unterscheidet uns von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Gefordert ist ein gerechter Interessenausgleich zwischen dem Eigentümer und dem Nachbarn. Hierbei ist der Klimaschutz ein wesentliches Kriterium, aber eben nicht das allein entscheidende.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Im Ergebnis muss dafür Sorge getragen werden – es wäre nett, wenn Sie mich ausreden lassen könnten –, dass ein fairer Ausgleich zwischen dem Ziel der Energieeinsparung und dem damit verbundenen Eingriff in das Nachbargrundstück entsteht.

(Günter Rudolph (SPD): So schnippisch! – Gegenruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Der heute erneut von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf regelt dies. Er sieht eine zeitgemäße Modernisierung des Nachbarrechts vor. Mit der Bindung der zu duldenden Wärmedämmung an die Bauteilanforderung der Energiesparverordnung werden ausufernde Belastungen für Nachbargrundstücke verhindert, während tatsächlich energieeinsparende Maßnahmen geduldet werden müssen.

Frau Wallmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ja. – Ich bin davon überzeugt, dass derartige Maßnahmen in Zukunft erheblich zur Verringerung nachbarschaftlicher Streitigkeiten beitragen werden.

Losgelöst von der inhaltlichen Debatte glaube ich allerdings, dass letztendlich nur gegenseitige Rücksichtnahme und pragmatische gemeinsame Lösungsansätze jenseits aller gesetzgeberischen Tätigkeiten helfen werden, nachbarschaftsrechtliche Konflikte in Zukunft zu vermeiden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Wallmann. – Herr Dr. Wilken, Sie haben als Nächster das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Nein, Herr Kollege Dr.Arnold. Frau Kollegin Wallmann hat schon mehrfach geredet. Deshalb gibt es keine erneute Gratulation. Das ist nur beim ersten Mal der Fall.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wallmann hat gerade noch einmal etwas zu dem von der Landesregierung eingebrachten Gesetzentwurf gesagt, was, wie ich glaube, doch noch der einen oder anderen Anmerkung bedarf. Richtig ist sicherlich:Wenn wir gesamtgesellschaftlich wollen, dass wir den CO2-Ausstoß reduzieren, dass wir Energie sparen, dann müssen wir es auch organisieren.

Es ist sicherlich im Hause unstrittig: Durch eine Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand werden zum einen CO2-Emissionen dauerhaft gesenkt. Das freut das Klima. Es werden Heizkosten eingespart. Das freut so manchen Geldbeutel. Ich möchte daran erinnern, dass drei Viertel des Energieverbrauchs privater Haushalte in die Raumwärme fließen und deswegen gute Dämmung in jeder Beziehung eine Investition in die Zukunft ist. Nicht zuletzt erhoffen wir uns alle auch, dass darüber neue Arbeitsplätze in einer zukunftsfähigen Branche geschaffen werden.

Deswegen verwundert es niemanden, dass die Nachfrage nach energetischer Sanierung bei Eigentümern und bei Vermietern sowie Mietern ständig zunimmt. Daher sagen selbstverständlich auch wir, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung in die richtige Richtung geht. Denn wir sehen, dass Wärmedämmung an Altbauten gewaltige Energieeinsparpotenziale enthält. Durch die Ausgestaltung entsprechender bau- und nachbarrechtlicher Regelungen soll nun mit diesem Gesetzentwurf Streit zwischen Nachbarn vorgebeugt und vermieden werden. Der Gesetzentwurf versucht also, Rechtssicherheit zu schaffen. Doch genau da beginnt das Problem. Ich komme nachher darauf zurück.

Was wir brauchen, ist eine Beseitigung der bislang in diesem Bereich bestehenden Rechtsunsicherheit und deswegen ein Anreiz für die privaten Vermieter, Eigentümer sowie Wirtschaftsunternehmen, Wärmedämmungsmaßnahmen vorzunehmen.

Wir haben also eine Rechtsunsicherheit, weil nicht abgeschätzt werden kann, welche Rechtsfolgen der Streit mit Nachbarn – eventuell sogar den Rückbau der Maßnahme – bei einem bestimmten Umbau, einem bestimmtes Verhalten, hier der Anbringung von Wärmedämmungsmaßnahmen, nach sich ziehen würde.

Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, dass wir es ausdrücklich begrüßen, dass in dem Gesetzentwurf der Landesregierung eine Entschädigung des durch die Maßnahme betroffenen Eigentümers des Nachbargrundstücks vorgesehen ist. Bei dem dementsprechenden Gesetzentwurf der GRÜNEN hatten wir schon kritisiert, dass das nicht vorgesehen war. Die Herren von der FDP, es wundert Sie vielleicht, aber wir begrüßen es.Wir haben es mit einem Eingriff in Eigentumsrecht zu tun. Selbstverständlich stehen auch wir zu dem Eigentumsrecht.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Wenn wir gesellschaftlich wollen, dass aus guten Gründen ein Eingriff passiert, dann müssen wir auch regeln, wie eine entsprechende Entschädigung zu leisten ist.

Jetzt aber zu dem Problem. Wir sehen ein gravierendes Problem bei dem Gesetzentwurf der Landesregierung. Er versucht nämlich, Rechtsicherheit zu schaffen, schafft es aber nicht.Das Problem in dem Gesetzentwurf ist die Formulierung – Herr Hahn ist gerade nicht da – „geringfügige Beeinträchtigung“. Im analogen grünen Gesetzentwurf war von „unwesentlicher Beeinträchtigung“ die Rede. Das ist auch nicht hilfreicher. Das Problem, das wir sehen, ist die Vagheit der Formulierung. Ohne eine nähere Konkretisierung dieses Begriffs durch eine Legaldefinition ist nach unserer Einschätzung ein Streit bis in die x-te Instanz um Inhalt und Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals vorprogrammiert. Das genau ist keine Rechtssicherheit. Genau das hält Menschen von der Entscheidung ab, die entsprechenden Maßnahmen vorzunehmen.

Das heißt, wir werden darauf drängen, dass dieser Tatbestand in den Gesetzentwürfen konkretisiert wird, damit eben nicht lang andauernde Rechtsstreite drohen. Denn lang andauernde Rechtsstreite – da sind Sie hoffentlich mit mir einer Meinung – wären wohl zu Recht als ein überaus großes Investitionshindernis zu bezeichnen. Das ist das Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Klimaschutz braucht Rechtssicherheit. Da schwächelt unsere Landesregierung. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Wilken. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Rock zu Wort gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es fällt mir schwer, nicht intensiv auf das einzugehen, was Frau Schott hier vorgetragen hat. Denn das moralisierende Auftreten von Ihnen, Frau Schott, hat mich schon verärgert.

(Axel Wintermeyer (CDU): Nicht nur Sie!)

An dieser Stelle möchte ich nur auf eines hinweisen. Sie haben sich hierhin gestellt und haben Vorwürfe in Richtung des Abg. Stephan gemacht. Keine fünf Sätze später berichten Sie von einem ehrenamtlichen CDU-Kommunalpolitiker, indem Sie aus einer 15-minütigen Rede drei Halbsätze zitieren und das hier als eine Meinungsäußerung hinstellen.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Es ist absolut falsch, was Sie hier tun. Das gehört sich nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Aber das soll es aus meiner Sicht in der Richtung gewesen sein, obwohl mir noch sehr viel dazu einfallen würde.

(Axel Wintermeyer (CDU):Auch zum Minijob!)

Wie wir in Hessen den Klimaschutz, die Förderung von regenerativen Energien und im Zusammenhang damit die Einsparung von Energie vorantreiben können, ist ein Thema, das uns in jeder Plenarrunde beschäftigt.

Herr Rock, würden Sie eine Zwischenfrage von Frau Schott zulassen?

Nein, danke. Nicht wirklich. Dazu habe ich keine Lust.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Wir wollen an der Stelle über etwas Positives und etwas Konstruktives reden. – Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass alle Fraktionen in diesem Haus ein Interesse daran haben, den Klimaschutz nach vorne zu bringen. Ich will auch nicht in eine Grundsatzdebatte einsteigen. Es