Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

Eine gute Klimaschutzpolitik muss bei der Verkehrspolitik ansetzen. Statt immer weiter in die Straßen zu investieren und den Luftverkehr auszuweiten, brauchen wir eine Stärkung der Schiene. Deshalb halten wir das für ein sinnvolles Projekt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der öffentliche Personennahverkehr ist sehr viel personalintensiver als der Verkehr auf der Straße und auch als der sogenannte Jobmotor Flughafen.Deshalb wirken dort größere Investitionen immer wie kleine Konjunkturpakete und wie Beschäftigungsprogramme. Auch deshalb halten wir Investitionen in den ÖPNV für sinnvoll.

Das wurde bereits angesprochen. Der Landtag hat bereits im vergangenen Jahr mit seiner damaligen Mehrheit die Landesregierung aufgefordert, die ohnehin eingestellten und vertraglich gebundenen Mittel für die Kurhessenbahn dafür einzusetzen, dass die nicht aktiven Teile des Netzes wieder aktiviert und für den Personenverkehr freigegeben werden. Das geschah auch unter Beteiligung der FDP, die sonst wenig für öffentliche und staatliche Zuschüsse übrig hat. Herr Blum, nicht wahr, wir haben das im letzten Jahr gemeinsam beschlossen.

Leider hat die Landesregierung, wie es im letzten Jahr mit vielen Beschlüssen des Parlaments geschehen ist, auch diesen Beschluss nicht umgesetzt. Nun ist es bedauerlich, aber nichts Neues, dass sich die Kollegen von der kleineren Koalitionsfraktion auch in diesem Fall nicht durchsetzen konnten.

(Zuruf von der FDP: Kolleginnen und Kollegen!)

Stattdessen setzen Sie wieder einmal auf Evaluation. Jetzt wird erst einmal wieder evaluiert, ob die 18 Millionen c Steuergelder, die bisher vergeben wurden, damit nichts geschieht, vielleicht sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Wir sind der Meinung: Wenn die Strecke befahrbar ist, dann sollte sie auch touristisch genutzt werden. Das wird in dem Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP als Frage genannt. Weiter gehende Möglichkeiten der Nutzung würden sich ergeben, wenn denn der politische Wille vorhanden ist.

Wir denken, es wäre im Interesse der Region sehr wünschenswert, dass Nordhessen nicht nur in Sonntagsreden und Bekenntnissen gefördert und gestärkt wird.Vielmehr braucht es dazu Taten bzw. Investitionen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Entwicklung des Nationalparks als touristische Attraktion wäre es natürlich sinnvoll, dass es auch eine Anbindung an das Schienennetz gibt.

Wir reden nicht über ein neues Projekt,sondern wir reden über die Reaktivierung von Strecken, die erfolgreich in Betrieb waren. In ihrem Dringlichen Antrag lassen die Koalitionsfraktionen die Frage offen, bis wann die Landesregierung ihre Prüfung abgeschlossen haben soll. Soll das bis Ende des Jahres geschehen oder vielleicht erst bis zum Ende der Legislaturperiode? Dazu sagen Sie nichts. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Strecken nicht verfallen sind, bis sich die Regierungskoalition dazu durchgerungen hat, die Strecken zu reaktivieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Minister Posch.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Kollege Frankenberger, ich glaube, es ist notwendig, dass wir die Diskussion vom Kopf auf die Füße stellen. Deshalb will ich einmal sagen, worüber wir diskutieren und was Sie tunlichst unterschlagen.

Am 30. August des Jahres 2007 hat der Aufsichtsrat des Nordhessischen Verkehrsverbundes mit großer Mehrheit entschieden, die seit Langem nicht mehr im Regelbetrieb befindliche Eisenbahnstrecke zwischen Korbach und Frankenberg nicht zu reaktivieren. Im Aufsichtsrat des Nordhessischen Verkehrsverbundes haben die sozialdemokratischen Landräte eine große Mehrheit.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Clemens Reif (CDU))

Das, was wir hier gemeinschaftlich in unterschiedlicher Lautstärke beklagen, hat also seinen Grund in einem Beschluss des Aufsichtsrats. Ausnahmsweise füge ich hinzu: Bei dieser Beschlussfassung im Aufsichtsrat des Nordhessischen Verkehrsverbunds haben sich die damaligen Vertreter des Landes der Stimme enthalten. Das wollte ich noch einmal verdeutlichen, damit wir wissen, worüber wir reden.

Jetzt will ich noch etwas sagen. Deswegen habe ich gesagt, dass ich die Diskussion vom Kopf auf die Füße stelle.Warum haben sie das damals so gemacht? Sie machten das so, weil Sie vor der Entscheidung standen und wussten, dass es bei der Reaktivierung um eine Gesamtinvestition von möglicherweise 40 bis 45 Millionen c geht. Da haben sie gesagt: Das machen wir nicht.

Es geht dabei nicht nur um die Investition.Vielmehr geht es beim ÖPNV immer auch um die Betriebskosten. Da geht es um die Tatsache, dass möglicherweise eine Betriebskostenunterdeckung in Höhe von 2 Millionen c zu befürchten ist. Das war die Entscheidungsgrundlage, um die es jetzt geht.

(Leif Blum (FDP): Das wollen die Sozialdemokraten auch nicht bezahlen!)

Jetzt will ich mich mit der Behauptung auseinandersetzen, die Sie aufgestellt haben, das Land würde nichts tun. In der Koalitionsvereinbarung steht, dass das überprüft werden soll. Das ist auch gut so. Denn wir haben es bei der

Frage der Reaktivierung bezüglich der Investitions- und der Betriebskosten damit zu tun,dass es mehrere Akteure gibt, die dabei einzubeziehen sind. Das ist die Kurhessenbahn.Das ist der Landkreis Waldeck-Frankenberg.Das ist der Nordhessische Verkehrsverbund. Das ist auch das Land, das will ich überhaupt nicht bestreiten. In der Diskussion hat nämlich eben jemand gesagt, auch das Land müsse bereit sein, sich zu engagieren.

Deswegen will ich Ihnen sagen, was ich in der Zwischenzeit getan habe. Frau Kollegin Müller, wenn Sie sagen, es sei nichts passiert, dann können Sie das tun, weil Ihnen das, was ich jetzt gleich sagen werde, noch nicht bekannt ist.

Ich habe bei meinem ersten Gespräch mit dem damaligen Vorstandvorsitzenden der Deutschen Bahn, Herrn Mehdorn, dieses Thema angesprochen, weil wir uns schon verpflichtet fühlen, alles zu tun, um von dem Istzustand aufgrund des Beschlusses des Nordhessischen Verkehrsverbundes wegzukommen.

Bahnchef Mehdorn hat damals zugesagt, einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Dieser Lösungsvorschlag wird gegenwärtig mit der Bahn besprochen.

Der Hintergrund, dass es möglicherweise eine Lösung gibt, besteht darin, dass es sich um eine Strecke handelt, die bislang noch nicht entwidmet ist und wir daher Ansatzmöglichkeiten sehen, mit der Bahn über diese Frage zu diskutieren. Denn solange eine Bahnstrecke nicht entwidmet bzw. aufgegeben worden ist, bedeutet das für den Verantwortlichen, dass eine Verkehrssicherungspflicht besteht. Jetzt wird überprüft, ob es Möglichkeiten gibt, da abzuwägen. Dabei geht es um die Frage, was es für die Bahn bedeutet, diese Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen, und ob ein Betrieb ermöglicht werden kann.

Ich habe dieses Gespräch fortgesetzt. Ich habe auch in dem ersten Gespräch, das der Ministerpräsident und ich mit dem neuen Bahnchef hatten, auf diese Frage hingewiesen. Gegenwärtig werden Gespräche geführt, um zu prüfen, ob man von diesem horrenden Investitionsvolumen herunterkommen kann.Dann stellt sich die Frage,ob man gemeinsam mit den von mir genannten Akteuren, der Kurhessenbahn, dem Landkreis Waldeck-Frankenberg und dem Nordhessischen Verkehrsverbund, diese Diskussion erneut führen kann, um zu einer Lösung zu kommen.

Ich bin gern bereit, wenn zu dieser Diskussion, die im Detail geführt wird, erste Zwischenergebnisse da sind, den Ausschuss und die Fraktionen darüber zu informieren – ich bin vorsichtig optimistisch, eine Lösung herbeizuführen; im letzten Diskussionsbeitrag ist auch die Frage der touristischen Erschließung und der dort vorhandenen Dinge diskutiert worden –, ob es vertretbar ist, gemeinsam mit dem NVV eine Lösung herbeizuführen. Ich sage, eine Lösung kann nur darin bestehen, dass sich alle Beteiligten an einem Lösungsvorschlag beteiligen.

Ich bitte um Nachsicht, dass ich das jetzt im Detail noch nicht weiter darstellen will: denn die finanziellen Belastungen,die auf die unterschiedlichen Akteure zukommen, kann ich im Moment noch nicht beziffern. Ich hielte es für unredlich, zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiter gehende Aussagen zu machen.

Wir haben mit dem neuen Bahnchef einen Bahngipfel verabredet. Wir werden eine Vielzahl von Projekten mit ihm erörtern. Auf jeden Fall kann ich sagen, wir sind in dieser Prüfung mittendrin. Dass sie noch nicht abschlie

ßend sein kann, versteht sich aus der Diskussion und dem Personalwechsel bei der Bahn von selbst. Wir sind dabei. Ich bin gern bereit,Sie so schnell wie möglich von dem Ergebnis der Überprüfung zu unterrichten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abg. Kahl für die Fraktion der SPD.

(Leif Blum (FDP): Mal schauen, was die SPD vor Ort sagt!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was Minister Posch jetzt gesagt hat, hebt sich schon deutlich von dem ab, was die Koalitionsfraktionen gesagt haben.Das wollen wir erst einmal klar und deutlich festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Dass wir nicht ständig prüfen können, dürfte wohl auf der Hand liegen. Herr Minister Posch, Sie haben auf etwas hingewiesen, wozu Sie leider klare Fakten vergessen haben. Die Frage der Investition in dieses Projekt war längst abgeschlossen. Das trug nämlich die Unterschrift beispielsweise von Herrn Mehdorn und dem damaligen Wirtschaftsminister Rhiel. Die Frage der Investition war gar nicht mehr das Problem. Das Problem bei dem Beschluss des Aufsichtsrates des Nordhessischen Verkehrsverbundes war, dass es um die Betriebskosten ging und in der Zwischenzeit eine Kürzung der Regionalisierungsmittel vorgenommen worden ist.

Herr Kollege Posch, jetzt weise ich darauf hin, dass genau dieses Problem hier erkannt worden ist. Deswegen zitiere ich noch einmal aus dem Beschluss des Landtags vom letzten Jahr:

Die Landesregierung wird weiter aufgefordert, sich an den Kosten für die Bestellung des Betriebes der Bahnstrecke Frankenberg – Herzhausen zu beteiligen.

Das ist mit Ihrer Stimme beschlossen worden. Deswegen ging es um die Frage der Betriebskosten und nicht um die Frage der Investitionskosten.

Nächster Punkt, der in dem Zusammenhang zu nennen ist. Herr Kollege Caspar, ich finde es schon eigenartig, wie Sie zu diesem Punkt reden und sich noch nicht einmal in der Sache einigermaßen sachkundig machen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Erstens. Die Entscheidung der Investition in die Reaktivierung der Strecke ist längst getroffen worden und trägt die Unterschrift von Herrn Rhiel.Das,was Sie jetzt gesagt haben,ist im Grunde genommen nachträglich ein Veto gegen das, wozu Herr Rhiel mit seiner Unterschrift beigetragen hat. Das ist die Realität.

(Zuruf des Abg.Wolfgang Greilich (FDP))

Hören Sie doch einmal zu.

(Ernst-Ewald Roth (SPD): Das kann er doch nicht!)

Der zweite Punkt ist, jetzt zu fragen, was die Kommunen und der Landkreis vor Ort machen. Auch Sie hätten sich erkundigen können, dass die Beschlusslage im Kreistag Waldeck-Frankenberg ganz klar und eindeutig ist:Erstens sind wir für die Reaktivierung,und zweitens soll dies in einem ersten Schritt bis nach Herzhausen umgesetzt werden. Aber es ist in sich nur dann stimmig, wenn der Lückenschluss bis Korbach kommt. – Meine Damen und Herren,die Beschlüsse vor Ort sind längst gefasst worden.

(Beifall der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen kann ich nur sagen, und das zur FDP: Wären Sie bei Ihrer Position geblieben,die Sie im letzten Jahr beschlossen haben, dann wären Sie konsequent gewesen. Das, was Sie jetzt machen, heißt, etwas auf die lange Bank zu schieben und die Fakten als solche nicht zur Kenntnis zu nehmen. Wer einen Nationalpark will und nicht bereit ist, dafür den Bahnanschluss zur Verfügung zu stellen, hat nichts davon verstanden, was ein Nationalpark eigentlich ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)