Protokoll der Sitzung vom 15.09.2009

Meine Damen und Herren, verehrte Frau Kollegin, in Ihrem Koalitionsvertrag stand kein Wort von „Erfahrung hat Zukunft“. Warum haben Sie damals nicht das beschlossen, was Sie heute von uns verlangen? Kein Wort von dem Programm „Erfahrung hat Zukunft“ war da zu lesen.

In Ihrem Koalitionsvertrag stand kein einziges Wort von einer kostenlosen Schulspeisung. Heute fordern Sie das. Warum haben Sie das damals nicht hineingeschrieben?

In Ihrem Koalitionsvertrag steht auch kein Wort über die Schulsozialarbeit, die Sie heute von uns einfordern.

(Heike Habermann (SPD): Das stimmt nicht!)

Das ist nicht glaubwürdig. Das ist nicht seriös.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie sind groß darin, von anderen das zu fordern, wozu Sie selbst nicht imstande wären. Auf der einen Seite fordern Sie gleichzeitig Anstrengungen zum Sparen, die Staatsverschuldung müsse reduziert werden, auf der anderen Seite unterbreiten Sie aber keinen einzigen Sparvorschlag.

Ihr „famoser“ Genosse Schmitt, der aus Ihren Reihen stammt,hat in vielen Haushaltsdebatten erklärt – ich habe das nachgelesen –, das Geld werde mit vollen Händen ausgegeben. Ein Stichwort dazu lautet Rekorddefizit.Von sinnvollem Sparen sei keine Rede. Er sagte, das katastrophale Ergebnis der Haushaltspolitik wäre, dass die Zins

und Steuerlasten für die zukünftigen Generationen zu hoch seien. Ja, das macht auch uns Sorgen.Aber wir kritisieren das nicht. Herr Schmitt, stellen Sie sich hierher, und machen Sie drei konkrete Vorschläge, wo wir aus Ihrer Sicht bei dem Entwurf dieses Haushaltes effektiv etwas einsparen könnten.

Meine Damen und Herren, all das, was Sie gefordert haben, besteht darin, zusätzliche Einnahmen generieren zu wollen, auf die Sie aber keinen Einfluss haben. Sie wollen die Vermögensteuer über die Bundesebene wieder einführen. Sie wollen den Spitzensteuersatz erhöhen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Eieiei!)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie sagen vom Prinzip her zu Recht: Starke Schultern müssen mehr tragen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Ja, das ist so. Das bestreite ich nicht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sehr gut!)

Schauen wir uns das doch einmal an. Die 20 % Bezieher oberer Einkommen tragen in Deutschland mit 70,3 % zum Steueraufkommen bei. Die 60 % in der Mitte tragen mit 27,3 % zum Steueraufkommen bei.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist völliger Unsinn!)

Die 20 % Bezieher unterer Einkommen tragen mit 0,3 % zum Steueraufkommen bei. Das sind die Zahlen.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie haben wirklich keine Ahnung!)

Damit wird deutlich, dass die starken Schultern in diesem Staat sehr wohl schon eine ganze Menge tragen. Ich behaupte: Manchmal ist es sogar schon zu viel.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie haben keine Ahnung!)

Herr Kollege Schmitt,Sparen ist das aber nicht. – Das ist das eine. Das kritisieren Sie. Wenn wir dann etwas machen, was in der Tat etwas mit effektivem Sparen zu tun hat, wird auch das von Ihrer Seite aus kritisiert. Sie haben die „Operation sichere Zukunft“ kritisiert. Sie kritisieren den Personalabbau in der Verwaltung. Sie erklären, wir hätten zu wenig Personal bei der Polizei. Sie erklären, wir hätten zu wenig Lehrer als Pädagogen im Staatsdienst. Angeblich haben wir zu wenig Mittel im Sozialetat, usw. Das passt alles nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Ich möchte einen Ausblick geben. Ich habe gesagt, dass es noch viele Baustellen gibt. Das bestreitet doch auch niemand. Perspektivisch gesehen wollen wir in der Tat mehr individuelle Förderung. Wir sind dabei, die Sternchenregelung insgesamt zu canceln. Wir werden uns auch hinsichtlich des Themas Schulsozialarbeit weiterhin zu unterhalten haben. Ich bin nicht der Auffassung, dass das damit schon beendet ist. Das ist ein wichtiges Thema, über das weiterhin zu diskutieren sein wird.

Es geht um die Selbstständigkeit der Schulen,den Ausbau der Ganztagsangebote, die Novellierung des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes – auch das ist ein Thema –, das Modellprojekt „Selbstverantwortung plus“,die Lehrerausbildung in der ersten und der zweiten Phase, die Modularisierung des Referendariat und darum, die Mentorentätigkeit der Lehrer aufzuwerten. Der Bildungs- und Erziehungsplan muss in der vorgesehenen Form umgesetzt

werden. Die flexible Einschulung muss erleichtert werden. Die Eingangsklassen müssen verstärkt gebildet werden. Es geht um die Ausbildung der Erzieherinnen und um die flächendeckende Einführung der SchuB-Klassen. Das sind nur einige wenige Beispiele, die ich Ihnen nennen will. Denn damit wird eines deutlich:Wir wissen, dass wir in diesem Land noch eine ganze Menge für unsere Kinder und Jugendlichen zu tun haben.

(Günter Rudolph (SPD): Diese Aussage stimmt wenigstens!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der GRÜNEN, ich bitte wirklich um eines:

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Irmer, wer regiert denn seit zehn Jahren? Wessen Regierungserklärung war das eben?)

Heute haben wir 900 Millionen c pro Jahr für die Schulen mehr als unter Ihrer Regierungsverantwortung zur Verfügung.Auch beim Hochschuletat haben wir heute pro Jahr rund 700 Millionen c mehr zur Verfügung. Wenn Sie das einmal kumulieren, erkennen Sie, dass wir nach den zehn Jahren heute rund 6,5 Milliarden c mehr für Schule und Bildung ausgegeben haben, als das zu Ihrer Regierungszeit jemals geplant war. Das sind die Zahlen, mit denen man sehr wohl reüssieren kann. Sie machen eines deutlich: Die Bildung unserer Kinder ist ein zentrales Anliegen dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen der CDU und der FDP. Das wird es auch bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich möchte ein paar letzte Sätze dazu sagen. Welche Verantwortung wir für unsere Kinder und Jugendlichen empfinden, können Sie auch an dem Programm der Landesregierung erkennen.Es sieht 1,2 Milliarden c für den Schulbau vor. Das zu tun ist richtig.Auch das kritisieren Sie immer wieder. Sie behaupten, wir würden die Kommunen letzten Endes in den finanziellen Ruin treiben. Ich habe das jetzt einmal überspitzt formuliert.

Mit diesen 1,2 Milliarden c entlasten wir die kommunale Seite. Das ist eine konkrete Hilfe für die kommunale Seite, nämlich für die Schulträger. Gleichzeitig ist es eine großartige Unterstützung im Bereich des Schulbaus, eine Unterstützung der Handwerkerschaft, sodass wir insgesamt gesehen mit dem, was wir zusätzlich gezahlt haben und jährlich zahlen, ein rundes Paket haben, das sich zumindest aus unserer Sicht sehen lassen kann. Ich würde mir einfach wünschen, das doch einmal zu akzeptieren, anzuerkennen und gemeinsam darüber nachzudenken, was wir, losgelöst von den grundsätzlichen ideologischen Unterschieden, wo wir nie einer Meinung werden, gleichwohl für unsere Kinder erreichen können.

Ich möchte das abschließend mit einem Zitat untermauern – einem Zitat, das ich gelesen habe. Es geht um die konstituierende Sitzung des Deutschen Bundestages im Jahre 1949. Es war Paul Löbe, der damalige Alterspräsident, der aus meiner Sicht eine großartige Rede gehalten hat. Er hat seine Rede mit folgendem Satz abgeschlossen:

Es braucht nicht niederreißende Polemik, sondern aufbauende Tat. Wollen wir vor der deutschen Geschichte bestehen, dann müssen wir uns, ob in Koalition oder Opposition, so weit zusammenfinden, dass Ersprießliches für unser Volk daraus erwächst, …

Ich glaube, er hat recht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD – Zuruf von der SPD: Haben Sie es verstan- den?)

Vielen Dank, Herr Kollege Irmer. – Zu einer Kurzintervention darf ich Frau Kollegin Habermann das Wort erteilen.

Herr Irmer, ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob Sie den Sinn dieses Zitates, das Sie eben vorgetragen haben, auch verstanden haben.

(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Verinnerlicht haben Sie es jedenfalls nicht.

(Holger Bellino (CDU): Reichlich arrogant!)

Das kann man nach dieser Rede ganz deutlich sagen. Die Rede hat auch eines bestätigt: meine Eingangsbemerkung, die Frau Kultusministerin hätte sich auf die Situation an hessischen Schulen zu Schuljahresbeginn beschränken sollen. Das hätte diese Regierungserklärung kürzer gemacht, und es hätte nicht dazu geführt, dass Sie eine halbe Stunde lang die Versatzstücke Ihrer alten Reden hier ausgraben, dann noch seitenweise angeblich aus Koalitionsverträgen zitieren und alle Inhalte durchgemischt haben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das war doch interessant! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Langweilig!)

Herr Irmer,da die Zeit zu knapp ist,um Ihnen den ganzen Unsinn einmal aufzudröseln, den Sie hier behauptet haben, möchte ich Sie nur darauf hinweisen:Wir haben bald wieder eine Haushaltsberatung. Zu dieser Haushaltsberatung wird die SPD-Fraktion, wie gewohnt, ihre Anträge zum Bau eines Hauses der Bildung vorlegen, in dem die genauen Schritte beschrieben werden, wie wir Schuleingangsstufen gestalten, wie wir den Bildungs- und Erziehungsplan umsetzen, wie wir Ganztagsschulen ausstatten und wie wir dieses Schulsystem in die Lage versetzen, endlich so zu fördern, dass kein Kind mehr auf der Straße bleibt und frühzeitig ohne Schulabschluss die Schule verlässt.

(Zuruf des Abg. Helmut Peuser (CDU))

Vielleicht lesen Sie dies genauso aufmerksam wie diese Koalitionsvereinbarung und kommen zu der Einsicht, das mit uns gemeinsam umzusetzen. Dazu lade ich Sie ein.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Frau Habermann. – Verabredungsgemäß Herr Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kultusministerin, ich war sehr gespannt auf Ihre ers

te Regierungserklärung. Ich will darauf auch gleich sehr differenziert eingehen. Vorab ein Satz zu Herrn Kollegen Irmer:Herr Kollege Irmer,das,was dieses Haus heute von Ihnen erlebt hat,ist ziemlich einmalig.Dass Sie mehr über eine nicht gehaltene Regierungserklärung reden als über die Regierungserklärung Ihrer eigenen Ministerin, das hat dieses Haus noch nicht erlebt.