Wir haben mit Interesse gelesen, dass Sie die 105 % Lehrerversorgung, die selbstständige Schule und die Verkleinerung der Klassen mehr oder weniger deckungsgleich mit dem gemacht haben, was im Koalitionsvertrag stand, den wir ausgehandelt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was Sie allerdings nicht geschafft haben, ist, die andere große Volkspartei von ihren Zwangsbeglückungsvorstellungen zu heilen. Insofern kann ich nur sagen: Sie sind auf einem Weg, der Chancen bietet. Was aber am Ende dabei herauskommt, hängt davon ab, ob die FDP in der Lage ist, in einen Konflikt mit den schulpolitischen Ideologen in der CDU zu gehen und dann diesen Konflikt zu gewinnen.
Ich sage ausdrücklich: Da, wo Sie Richtiges vorhaben, werden wir Sie unterstützen. Bei Selbstständigkeit von Schule, bei der Frage 105 % Lehrerversorgung, bei der Frage, dass man endlich im Bereich des Islamunterrichts oder der islamischen Religionsstunde zu Fortschritten kommt, haben Sie uns an Ihrer Seite – aber erst dann, wenn real etwas passiert, und nicht dann, wenn man irgendetwas in die Welt setzt und vor den Irmers dieser Welt einknickt.
Sehen Sie,dass Sie mit Ihrer Kinderschule am Ende scheitern, war relativ klar. Wir glauben, dass es bei der Frage, wie das letzte Kindergartenjahr besser werden kann und besser zur Schule hinführt, auch Diskussionsbedarf gibt und wir Vorstellungen haben,die in Richtungen gehen,wo wir in gemeinsamen Diskussionen sicherlich weiterkommen können. Nur werden wir irgendwann einmal die spannende Frage stellen, was Sie tun, um Kindergärten, um Träger, um Kommunen dabei zu unterstützen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Aber immer irgendetwas postulieren und dann die Menschen damit alleine lassen – das ist nicht der Punkt,der am Ende die frühkindliche Bildung in Hessen weiterbringt. Darauf sollte es uns eigentlich ankommen.
Wir vermissen bei G 8, dass Sie die Offenheit haben, auch zu prüfen, ob die Verkürzung in der Mittelstufe nicht ein
Fehler war und wir nicht überlegen können, ob wir die Schulzeitverkürzung nicht auch in der Oberstufe hinbekommen können – zumindest prüfen hätte man es einmal können. Wir werden jedenfalls in diese Richtung weiterdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir glauben auch, wenn es um Ganztagsschulen geht, müssen wir dazu kommen,dass es mehr als eine freiwillige Betreuungsmöglichkeit an Schulen ist, die bisher in der Koalitionsvereinbarung steht.Das heißt,wir glauben,dass es in der Bildungspolitik jetzt wirklich nötig ist, dass man nach zehn Jahren CDU-Politik zu realen Verbesserungen kommt.Wir werden Sie an Ihren Ergebnissen messen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Sozialpolitik haben wir beim Namen des Ministeriums schon den ersten Fehlstart. Wir meinen, wenn man sich die gesamten Vereinbarungen zur Sozialpolitik durchliest, dann ist der fehlende Name dieses Ministeriums ein Beispiel dafür, was in diesen Vereinbarungen nicht enthalten ist. Aktive Sozialpolitik kommt dort nicht vor.
Wenn Sie sich die Vereinbarungen zur Gesundheitspolitik durchlesen, wenn Sie suchen, ob in den Vereinbarungen irgendetwas zur Armutsprävention steht, dann werden Sie nicht fündig werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir glauben, gerade in der Krise kommt es darauf an, Gerechtigkeit wirklich breit zu buchstabieren. Wenn es um Gerechtigkeit, um Teilhabe geht, darf man nicht nur sonntags darüber reden, sondern man muss montags bis freitags dafür handeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade wenn es um aktive Arbeitsmarktpolitik geht, hätten wir uns gewünscht – und wir werden Sie daran erinnern –, dass man auch als Land etwas dafür tun muss und nicht nur darüber reden darf.
Herr Ministerpräsident, es ist schon einige Jahre her, dass Sie mit großen Ideen von einer Reise nach Wisconsin zurückkamen.Wenn Sie sich heute die Arbeitsmarktstatistik anschauen und sehen, wo Hessen im Vergleich mit anderen Bundesländern steht, wenn Sie sich anschauen, dass wir 13 Gebietskörperschaften in Optionskommunen haben, 13 in Arbeitsgemeinschaften, dann ist es wirklich an der Zeit, einmal zu prüfen, was dabei eigentlich herausgekommen ist.
Wir meinen, man muss hier völlig unideologisch einmal die Frage stellen, ob das, was in den letzten Jahren dort passiert ist, wirklich überall funktioniert hat. Dort, wo es nicht funktioniert hat, müssen wir es anders machen.
Denn Hessen ist hier in den letzten Jahren zurückgefallen. Wir befinden uns gerade in einer Situation, in der von einem Monat auf den anderen – nämlich von Dezember auf Januar – die Erwerbslosenzahl um sage und schreibe 10 % gestiegen ist. Deshalb finden wir, spätestens jetzt ist es an der Zeit, sich Gedanken zu machen, wie eine funktionie
rende aktive Arbeitsmarktpolitik des Landes Hessen aussehen muss, wenn wir unserer Verantwortung gerade in Zeiten wie diesen – liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union – gerecht werden wollen.
Wir haben – Herr Hahn, schön, dass Sie da sitzen – zwar einen liberalen Justizminister, aber keinen liberalen Aufbruch in der Innen- und Rechtspolitik dieses Landes.
(Florian Rentsch (FDP):Dann müssen Sie aber den Koalitionsvertrag noch einmal lesen! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sieht die Union anders!)
Doch, ich habe ihn genau gelesen. Sie lassen sich jetzt dafür feiern, dass die verfassungswidrigen Zustände bei der Kennzeichenerfassung beseitigt werden. Aus meiner Sicht ist das eine Selbstverständlichkeit, aber kein Verdienst der FDP.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke an die Datenschutzskandale, an staatliche Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung. Ich denke, dort müssen wir dafür sorgen, dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann, aber eben nicht zu viel macht. Das gilt nicht nur in der Wirtschaftspolitik, sondern das gilt gerade in der Innen- und Rechtspolitik. Wir werden ganz besonders darauf schauen, ob das, was die FDP immer vor sich herträgt, in der Realität irgendeine Rolle spielen wird.
Integration bedeutet eine Veränderung der Sozialpolitik und der Wirtschaftspolitik. Integration ist nicht nur ein Problem,sondern in der Integration liegen auch Chancen.
Sehr gut. Herr Kollege Hahn, in der Koalitionsvereinbarung haben wir leider nichts dazu gefunden, dass Mehrsprachigkeit auch eine Chance sein kann.
Genau. – Insofern hoffen wir, dass in der realen Politik am Ende mehr herauskommt, als jetzt in der Koalitionsvereinbarung steht.
Meine Damen und Herren, in der Wirtschafts- und in der Verkehrspolitik wird es allerdings ganz bitter. Dort feiert die Ideologie von möglichst viel Beton fröhliche Urständ.
Herr Ministerpräsident, an der Frage des Ausbaus des Frankfurter Flughafens und an der Haltung zum Nacht
flugverbot wird relativ deutlich, was hier geschieht. Den Wald roden oder das Camp räumen – das geht auf der Grundlage einer Eilentscheidung, vor einer Entscheidung in erster Instanz.Aber das Nachtflugverbot einführen und seine eigenen Versprechen einhalten – das geht angeblich nicht. Da merken Sie doch selbst, dass hier irgendetwas nicht zusammenpasst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, an der Frage des Nachtflugverbots wird relativ deutlich, dass Sie mit Ihren eigenen Versprechen von früher heute nichts mehr zu tun haben wollen.
Ich erinnere mich daran,wie Sie den Koalitionsvertrag gegeißelt haben, wie Sie im Oktober darüber geredet haben, dass wir in einem ergänzenden Verfahren zum Planfeststellungsbeschluss ein Nachtflugverbot einführen wollen, und wie Sie erklärt haben,dass das alles nicht geht und angeblich rechtswidrig sei.Wenn ich dann lese, was der Verwaltungsgerichtshof dazu gesagt hat, dann kann ich nur sagen: Alles, was CDU und FDP hier erklärt haben, ist schlicht falsch. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen weiterhin kein Nachtflugverbot einführen, obwohl der VGH ausdrücklich gesagt hat, dies geht im Wege der Planergänzung. Denn Ihnen sind die Interessen der Luftverkehrswirtschaft schlicht wichtiger als die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner und Ihre eigenen Versprechungen.