Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, deswegen werden wir Sie an diesem Punkt nicht aus der Verantwortung lassen, sondern wir werden jeden Tag auf das hinweisen,was Sie wollen,was Sie einmal versprochen haben, was Sie jetzt nicht machen und wessen Lied Sie singen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen finde ich es schon ein geradezu dreistes Stück, dass die hessische Polizei am Tage dieser Regierungserklärung die letzten Reste des Kelsterbacher Waldes räumen lässt,

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

mit der Erklärung, jetzt wird alles abgeräumt, Sie aber gleichzeitig weiterhin nicht willens sind, Ihr eigenes Versprechen eines Nachtflugverbots umzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir leben in den Zeiten einer Wirtschaftskrise. Wir werden auch weiterhin darauf hinweisen, wessen Rezepte uns eigentlich in diese Wirtschaftskrise geführt haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Wir setzen uns weiterhin mit den Konjunkturprogrammen von Bund und Land auseinander.

Lieber Kollege Rentsch, ich sage ausdrücklich – das gehört zum neuen Stil –: Wenn irgendetwas richtig gemacht wird, so haben wir kein Problem damit, zu sagen, dass das richtig ist. Es ist ausdrücklich richtig, in Schulen und Hochschulen zu investieren; und übrigens ist es auch richtig, in die Krankenhausfinanzierung zu investieren.

Das heißt allerdings nicht, dass man alles kritiklos durchwinkt. Das ist schon ein Unterschied. Im Übrigen finde ich, zu einem neuen Stil müsste auch gehören, dass Regierungsfraktionen wissen, dass sie nicht Teil der Regierung,

sondern Teil des Parlaments sind, und dass die Kontrollfunktion der Regierung nicht nur von der Opposition, sondern vom gesamten Parlament auszuüben ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen finde ich, dass sich die Frage, ob jetzt diese Regierung, diese Regierungsfraktionen und der gesamte Landtag einen neuen Stil haben oder nicht, auch daran entscheidet, ob wir ein Gesetz, das heute in erster Lesung eingebracht wird, bereits heute Abend mit Mehrheit durch die Ausschüsse peitschen oder ob wir uns wenigstens drei Wochen Zeit zur Beratung nehmen.

Lieber Herr Kollege Rentsch, dass auch Gesetze, die noch nicht im Gesetzblatt stehen, durchaus ihre Auswirkungen haben, sieht man übrigens an der berühmten Abwrackprämie.Daher glaube ich,niemandem fällt ein Zacken aus der Krone; keine Kommune wird ihre Vorbereitungen für Investitionsprogramme wie Schulsanierungen und Krankenhausinvestitionen unterbrechen, auch die Verwaltung wird ihre Hochschulprogramme nicht unterbrechen, nur weil wir ein Gesetz am 30. März oder erst am 2.April verabschieden.

Wir wollen an bestimmten Punkten aber schon wissen, wie die Fachleute diese Gesetze bewerten, die jetzt eingebracht werden, denn man gibt nicht mal so eben über 2 Milliarden c aus. Manchmal ist es auch sinnvoll, eine Woche länger eine Runde zu drehen – eine Woche, nicht ein Jahr –, wenn man hier Ausgaben tätigt, die in der Geschichte des Landes Hessen einzigartig sind. Ich glaube, da müssten wir uns eigentlich alle einig sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Am Konjunkturprogramm wird sehr deutlich, was das Problem dieser Regierung ist. Es ist richtig, in die Schulen und Hochschulen zu investieren. Aber an dem Teil, der nicht zum Bereich der Schule oder der Hochschule gehört, wird relativ klar, was das Problem ist: Es fehlt die Richtung. Es ist zwar so, dass wir investieren müssen; aber mit der Gießkanne Geld in der Landschaft zu verteilen,ist noch keine zielgerichtete Politik.

Wir glauben, dass wir mit diesem Geld, das wir jetzt ausgeben, sehr sorgfältig umgehen müssen, weil es schon im nächsten Jahr durch Zins- und Tilgungsraten unseren Handlungsspielraum einengen wird. Deswegen müssen wir ganz besonders darauf achten, dass die Investitionen, die wir heute machen, auch wirklich nachhaltig sind und in den Folgejahren nicht zusätzliche Kosten, sondern zusätzlichen Nutzen hervorbringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen glauben wir, dass wir an diesen Punkten wirklich noch einmal nacharbeiten müssen; denn was diese Koalitionsvereinbarung und diese Regierungserklärung wert sind, sieht man an dem Konjunkturprogramm. Wenn sich der Ministerpräsident heute Morgen einerseits zugunsten der Straßen und andererseits zugunsten der Schiene und des öffentlichen Personennahverkehrs ausgesprochen hat, ist die Frage, wie viel diese Koalitionsvereinbarung und diese Worte wert sind, eigentlich schon mit dem Konjunkturpaket in erster Lesung beantwortet. Die Straßen findet man mit 200 Millionen c;von der Schiene und von zusätzlichen Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr findet man überhaupt nichts geschrieben. Das zeigt die Prioritäten dieser Regierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Herr Arnold, das zeigt die Prioritäten dieser Regierung. – Das zeigt auch, was genau das Problem ist: eine völlig ziellose Politik; und da, wo sie zielgerichtet ist, ist sie altbacken.Anders kann ich sie nicht nennen.

Wir machen Ihnen daher sehr konkrete Vorschläge.Wenn wir wirklich zu Fortschritten kommen wollen, dann müssen wir eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik betreiben. Ich fand es relativ dreist, dass der Finanzminister auf die Frage, wo denn eigentlich die Breitbandversorgung, der öffentliche Personennahverkehr und die Schieneninfrastruktur blieben, lapidar sagte: Man kann halt nicht alles machen. – Herr Finanzminister, das stimmt. Man kann nicht alles machen.Aber die spannende Frage ist:Warum haben Sie eigentlich über 200 Millionen c für zusätzliche Straßen übrig, doch für Datenautobahnen keinen müden Cent? Diese Frage müssen Sie schon einmal beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden Ihnen ganz konkret sagen, was baureif und was planungsreif ist. Sie müssen dann ganz konkret beantworten, warum Sie es nicht tun. Das wird die spannende Frage sein, und daran wird sich auch der neue Stil des Parlaments bemessen, ob nämlich eine Mehrheit in der Lage ist

(Axel Wintermeyer (CDU): Das hatten wir heute schon! Neuer Stil!)

Herr Wintermeyer –, auf konstruktive Vorschläge von anderen einzugehen und im Zweifel zu merken, dass ein Gesetz, das in erster Lesung vielleicht nicht so doll ist, in zweiter Lesung noch besser werden kann. Daran wird der neue Stil dieses Parlaments zu messen sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hören sehr wohl, wenn der Ministerpräsident in seinem Sammelsurium von heute früh zwar die Begriffe „Nahwärmenetze“ und „energetische Sanierung“ fallen lässt,doch von diesen Begriffen im Konjunkturprogramm – und wann gibt man schon einmal 1,7 Milliarden c aus? – faktisch nichts zu finden ist.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Herr Arnold, wir hören sehr wohl, wenn der Herr Ministerpräsident davon redet, dass es einen Nachhaltigkeitsrat gibt, der auch weiterhin nachhaltig raten soll. Aber wir werden schon die spannende Frage stellen, ob eigentlich bei einem Investitionsprogramm in noch nie da gewesener Größe irgendwann jemand einzelne Mitglieder des Nachhaltigkeitsrats gefragt hat, was denn ihr Vorschlag ist. Insofern glauben wir schon – –

(Fortgesetzte Zurufe des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Wir geben Ihnen wirklich eine Chance, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber Sie müssen aus dieser Chance auch etwas machen und dürfen nicht einfach nur die alten Rezepte aus dem letzten Jahrhundert bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir glauben, dass es auch in der Frage, was der neue Stil ist, wichtig ist, dass es um Beteiligung geht. Es geht um die Beteiligung dieses Parlaments, um die Beteiligung kommunaler Parlamente beim Konjunkturprogramm sowie um Öffentlichkeit. Öffentlichkeit ist übrigens auch der

größte Schutz gegen die Korruption; denn wir wissen alle, wenn es um Milliarden in der Bauwirtschaft geht, was da immer als Gefahr im Hintergrund ist. Wir glauben schon, dass die spannende Frage lauten wird: Wird diese Mehrheit die Größe und die Fähigkeit haben,auch wirklich dieser Politik eine neue Richtung zu geben?

Welches Problem wir mit dieser Koalitionsvereinbarung haben, wird vor allem klar, was nicht drinsteht und was der Herr Minister heute nicht gesagt hat. Deswegen stellen wir fest: In dieser Koalitionsvereinbarung und in der Regierungserklärung war kein einziges Mal die Rede von den Chancen, die die Umwelttechnik bietet. Ich finde es, ehrlich gesagt, im Jahr 2009 ein Armutszeugnis für eine Landesregierung, wenn man einen 90-seitigen Koalitionsvertrag schließt und eine 90-minütige Regierungserklärung hält und kein einziges Wort dazu fällt, obwohl man weiß, dass es Studien gibt, die belegen, dass die Umweltbranche in weniger als zehn Jahren die Leitbranche in Deutschland sein wird, die die Automobilbranche in dieser Funktion ablösen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von der Kreativwirtschaft ist keine Rede gewesen. Ich meine, der ehemalige Frankfurter Wirtschaftsdezernent, der jetzt eine neue Funktion in der Regierung hat,hat dies erkannt. Ich hoffe, dass er nicht in alte Zeiten zurückfällt, als er noch hier im Landtag war,sondern dass er bei einem neuen Kurs bleibt. Es ist an der Zeit, dass Sie endlich erkennen, dass Wirtschaftspolitik eben nicht nur Beton ist, nicht nur Verkehrsinfrastruktur ist, sondern dass die Wirtschaftspolitik der Zukunft auch etwas mit Kreativität zu tun hat; dass es um Medienstandorte geht und dass es im Zweifel auch um die Frage geht,wie man mit dem,was bildungspolitisch nötig ist, auch wirtschaftspolitisch etwas hinbekommt.

Mobilität ist auch mehr als ein Zentrum zur Erforschung der Automobilwirtschaft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hätten das im Jahre 2009 nicht für möglich gehalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Im Koalitionsvertrag steht nichts zur Neuordnung der öffentlichen Bankenlandschaft, vor allem im Rhein-MainGebiet und der Helaba, jedenfalls nichts, was irgendeine Substanz hätte. Im Koalitionsvertrag steht nichts zum Thema Mindestlohn. Im Koalitionsvertrag steht nichts zum Thema aktive Arbeitsmarktpolitik. Im Koalitionsvertrag steht übrigens auch nichts zu den unglaublichen Chancen,die die erneuerbaren Energien gerade für Nordhessen bieten.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ISET steht drin! Haben Sie ihn gelesen?)

Herr Arnold, das ISET heißt jetzt IWES. Das haben Sie noch nicht gemerkt. – Ich habe ihn gelesen. Das ist mein Problem. Deswegen bin ich so verzweifelt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Problem, wenn man politisch überhaupt nichts will und sich einen Koalitionsvertrag von Referaten im Ministerium schreiben lässt. Das ist ein echtes Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Lieber Kollege Arnold, es steht nichts zur Neuordnung der Rhein-Main-Region drin. Dass dazu nichts drinsteht, ist wirklich sträflich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Wir waren gerade bei Umwelt!)