Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

(Florian Rentsch (FDP): Sie müssen einmal unser Modell lesen!)

Die andauernde Forderung der FDP nach Steuersenkungen ist gerade in Zeiten milliardenschwerer Konjunkturprogramme völlig verfehlt und mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht in Einklang zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

In Zeiten wie diesen muss sich auch Ihre Klientel ausnahmsweise einmal an den gesellschaftlichen Aufgaben beteiligen, verehrte Kollegen von der Fraktion der frauenfreien Demokraten.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Vielen Dank, aber wir sind alle relativ gegendert!)

Es ist illusorisch,anzunehmen,bis 2012 ließe sich der Landeshaushalt konsolidieren. Die Schuldenbremse, die sich alle Parteien außer der LINKEN auf die Fahne geschrieben haben, entzieht den demokratisch gewählten Parlamenten ein zentrales Recht, nämlich das Budgetrecht.

(Florian Rentsch (FDP): Schulden machen wollen Sie, Frau Kollegin Wissler! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Für Investitionen!)

Sie wird sich nur umsetzen lassen, wenn Sie auf der Bundes- wie auf der Landesebene endlich einmal das tun würden, Herr Kollege Rentsch, was Sie in den vergangenen Jahren gemieden haben wie der Teufel das Weihwasser, nämlich diejenigen zur Kasse zu bitten, die in guten wie in schlechten Zeiten gut verdienen, die hohe Profite machen.

(Beifall bei der LINKEN – Florian Rentsch (FDP): Die Serie auf RTL!)

Ohne Vermögen- und Erbschaftsteuer, die diesen Namen verdienen, ohne eine Besteuerung der Unternehmen und des Finanzsektors wenigstens auf dem europäischen Durchschnittsniveau – wir fordern gar nicht mehr – werden sich die öffentlichen Haushalte nicht ausgleichen lassen. Leere Kassen sind auch keine Naturwunder, die irgendwie über Nacht da waren. Auf wie viele Steuereinnahmen muss Hessen denn jedes Jahr aufgrund der Unternehmensteuerreform verzichten, an der diese Regierung tatkräftig mitgearbeitet hat? Da hat niemand gefragt, wie das gegenfinanziert wird oder ob man vielleicht infolgedessen höhere Schulden machen muss.

Die entscheidende Frage ist doch: Wer zahlt für diese Krise? Die Krise darf eben nicht wieder auf den Rücken derer abgewälzt werden, die von diesem Aufschwung nichts hatten, nämlich die Arbeitnehmer, die Arbeitslosen, die Rentnerinnen und Rentner. Jetzt müssen die Profiteure der letzten Jahre zur Kasse gebeten werden. Herr Ministerpräsident, Sie sprachen von der Gier einiger weniger, die horrende Spekulationsgewinne erzielt haben. Dann ziehen Sie doch diese horrenden Gewinne endlich zur Finanzierung von staatlichen Konjunkturpaketen heran.Allein die Einführung der Vermögensteuer und einer Millionärsabgabe würde bundesweit über 100 Milliarden c zusätzliche Steuereinnahmen einbringen. Es ist auch niemandem zu vermitteln, warum man Mehrwertsteuer auf Brot zahlen muss, aber eine Börsenumsatzsteuer angeblich unzumutbar sei.

DIE LINKE unterstützt die Demonstrationen, die am 28.03. unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ in Berlin und Frankfurt stattfinden. Denn nur wenn die Menschen massenhaft auf die Straße gehen, können wir verhindern, dass für diese Krise wieder diejenigen geradestehen müssen, die vom Aufschwung schon nichts abbekommen haben.

Wir erleben derzeit umfangreiche staatliche Eingriffe in die Wirtschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit)

Dabei steht aber nicht die Sorge um die Lebensbedingungen der Menschen im Vordergrund, sondern die Sorge um die Aktionäre. Milliardenverluste werden auf die Allgemeinheit abgewälzt.An dieser Stelle ein Zitat:

Das Vermögen der gesamten Gesellschaft, welche die Regierung vertritt, hätte die Verluste der privaten Kapitalisten zu vergüten. Diese Art Kommunismus, wo die Gegenseitigkeit völlig einseitig ist, erscheint den europäischen Kapitalisten ziemlich anziehend.

Das schrieb Karl Marx 1857. Es könnte auch von heute sein.

(Beifall bei der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da wacht ihr auf!)

Der Bund steigt bei der Commerzbank ein und zahlt 18 Milliarden c für eine 25-prozentige Beteiligung an einem Unternehmen,das nur noch 3 bis 4 Milliarden c wert ist.Was macht die Commerzbank? Sie baut 7.000 Arbeitsplätze ab, und die Bundesregierung erklärt, sie wolle keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen.

Das ist meiner Meinung nach eine staatliche Förderung von Arbeitsplatzabbau, und das ist ein Missbrauch von Steuergeldern.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie werfen der LINKEN vor, wir könnten nicht wirtschaften.Wer, bitte, ist denn so verrückt, Geld in ein Unternehmen zu stecken und dann freiwillig auf jedes Mitspracherecht zu verzichten? Das würden Sie in Ihren eigenen Privatunternehmen nie tun. Das würden die Mitglieder der Großen Koalition in ihren eigenen Privatunternehmen nie tun. Das tun sie nur mit Steuergeldern.

Deshalb fordert DIE LINKE: keine öffentlichen Mittel ohne öffentliche Kontrolle.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die betroffenen Bundesländer mit Steuergeldern bei Opel einsteigen, dann kann das nur unter der Bedingung passieren, dass es eine Arbeitsplatz- und eine Lohngarantie für die Beschäftigten gibt. Es muss auch heißen, dass das Land die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten stärkt und natürlich auch Einfluss auf die Geschäftspolitik von Opel nimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Zwei Drittel der Bundesbürger und im Übrigen auch eine deutliche Mehrheit der Anhänger von CDU und FDP finden eine Verstaatlichung des Bankensektors gut.Wir sind der Meinung, der Bankensektor muss unter demokratische Kontrolle gestellt werden.Er muss dem Gemeinwohl verpflichtet sein und nicht den Profiten der Aktionäre.

DIE LINKE tritt ein für eine demokratische Kontrolle der Wirtschaft. Eigentumsverhältnisse sind auch immer Machtverhältnisse, und deshalb wollen wir eine Wirtschaft, die dem Wohle der Menschen dient, und nicht umgekehrt.

Herr Ministerpräsident, in Ihrer Regierungserklärung erwähnen Sie mit keinem Wort die zunehmende Armut, unter der bereits jetzt viele Menschen in Hessen, besonders Kinder, leiden, und die im Zuge der Krise mit Sicherheit noch stärker ansteigen wird. Daher ist es natürlich nur

konsequent, dass Ihre Regierung das Sozialministerium als solches aufgelöst hat und im neuen Kabinett Koch das Soziale jetzt auch ganz offiziell keine Rolle mehr spielt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollen weiter die Starken stärken.Die große Mehrheit der Lohnabhängigen, der öffentlich Beschäftigten und der prekär Angestellten hat das Nachsehen. Ihr Koalitionsvertrag ist auch in dieser Hinsicht ein Armutszeugnis.

Jetzt habe ich in Ihrer Regierungserklärung gehört, Sie wollen einen Antrag im Bundesrat einbringen mit dem Titel „Kinderlachen ist Zukunftsmusik“. Wer Kindern zumutet, von Hartz-IV-Regelsätzen zu leben, in denen 2,30 c am Tag für Essen und Trinken vorgesehen sind, dem liegt wohl herzlich wenig am Lachen von Kindern. Hartz IV haben Sie alle im Haus bzw. Ihre Parteien im Bundestag gemeinsam beschlossen. Jetzt haben Sie es schwarz auf weiß: Die Regelsätze für Kinder sind laut Bundessozialgericht verfassungswidrig. Dass Kinder mit weniger als 3 c am Tag nicht anständig ernährt werden können, das hätte man vorher wissen können. Dazu hätte man dieses Urteil sicherlich nicht gebraucht. Es ist ein Skandal, wenn in einem der reichsten Länder der Welt jedes sechste Kind in Armut lebt, und dazu hat die HartzIV-Gesetzgebung erheblich beigetragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Auseinanderklaffen von Arm und Reich erleben wir verschärft seit 1998, als die rot-grüne Bundesregierung ihre Geschäfte aufnahm. Wenn SPD und GRÜNE heute die Auswüchse der Spekulation beklagen und neue Transparenzregeln für die Finanzmärkte einfordern, dann sollten sie sich auch daran erinnern, dass es ihre Parteifreunde waren, die den Grundstein dafür gelegt haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Welch ein Unfug!)

Erst mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz wurden der Börsenhandel nach angelsächsischem Vorbild liberalisiert, den Investmentfonds ihr Geschäft erleichtert und Leerverkäufe legalisiert. In Deutschland gäbe es keine Hedgefonds, wenn Rot-Grün ihnen 2005 nicht die Tür geöffnet hätte.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir können uns noch an die Forderungen der Regierung an die deutsche Bevölkerung erinnern, man solle doch risikofreudiger werden. Was sagen Sie heute den Menschen, die ihre Altersvorsorge an den internationalen Finanzmärkten verloren haben, weil Sie die gesetzliche Rente ausgehöhlt haben? Für diese Menschen gibt es keine Rettungsschirme, die rettet niemand.

Jetzt fordert – Herr Schäfer-Gümbel, ich habe Ihnen genau zugehört – die SPD den gesetzlichen Mindestlohn. Herr Schäfer-Gümbel, wer ist eigentlich der Adressat für Ihre Forderung? Die SPD ist doch seit zehn Jahren in der Bundesregierung. Warum setzen Sie ihn nicht einfach durch? In den letzten Jahren haben Sie im Bundestag dreimal gegen einen Antrag der LINKEN auf Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns gestimmt. In Sonntagsreden von Mindestlohn zu reden bringt uns nicht weiter. Man muss in der entsprechenden Debatte dann auch dafür stimmen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wer heute über das Wachsen des Niedriglohnsektors und über die Ausweitung der Leiharbeit klagt, der sollte sich auch daran erinnern, wer den Arbeitsmarkt liberalisiert hat, wer Hartz IV einführte und wer den Ausbau des Niedriglohnsektors zu einem zentralen Ziel seiner Regierung machte.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist verstärkte Polemik!)

Im Wahlkampf haben Sie den Slogan „Krise braucht Gerechtigkeit“ plakatiert. Das haben Sie heute wieder gesagt. Die SPD hat es noch nicht einmal geschafft, in Zeiten des Aufschwungs soziale Gerechtigkeit durchzusetzen.Wie schaffen Sie das jetzt in Zeiten der Krise?

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist ziemlich unverschämt! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist fast das Niveau von Herrn Irmer! Das ist Unfug!)

Herr Schäfer-Gümbel, überzeugen Sie doch als Erstes einmal Ihre Genossen Steinbrück und Müntefering von dem, was Sie hier vorgetragen haben. An vielen Stellen haben Sie uns auf Ihrer Seite.

Herr Ministerpräsident, Sie sprachen in Ihrer Rede von der Bewahrung der Schöpfung als einer Kernaufgabe Ihrer Verantwortung. Ich habe den Eindruck, als ich Ihnen weiter zugehört habe, Sie meinten eher die Wertschöpfung; denn der ordnen Sie alles unter. Sie missbrauchen die Wirtschaftskrise, um ein Comeback für Kohle und Atom zu organisieren. Die Lobbyisten dürfen sich freuen. Sie bedienen die Interessen von E.ON und RWE auf Kosten von Umwelt und Verbrauchern.

Wenn man an Ihr Projekt Bildungsland Nummer eins denkt, dann klingen Ihre Ankündigungen zur Energiepolitik mit dem Musterland der erneuerbaren Energien,ehrlich gesagt,wie eine Drohung.Der Ausbau von Staudinger zeigt auch, in welche Richtung das geht.

DIE LINKE will die Energiewende und bezahlbare Preise, und das darf nicht abhängig sein von den Profitinteressen der großen Energiekonzerne. Das müssen wir im Notfall auch gegen die Energiekonzerne durchsetzen, damit die es nicht weiter blockieren können.

(Beifall bei der LINKEN)