Wir lösen auch die Wirtschaftskrise nicht dadurch, dass wir die Klimakrise weiter verschärfen. Aber das tun Sie durch die Fortführung einer verfehlten Verkehrspolitik. Statt die Schiene zu fördern, setzen Sie auf neue Autobahnen und den Ausbau des Frankfurter Flughafens.Trotz sinkender Passagierzahlen und Einbrüchen bei der Fracht treiben Sie den Ausbau des Frankfurter Flughafens voran. Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Rede davon gesprochen, er möchte das Erbe der Brüder Grimm bewahren. Mit Ihrem Märchen von den 40.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, die durch den Flughafenausbau entstehen sollen, stellen Sie sich praktisch in die Tradition der Brüder Grimm.
Wir stehen auf der Seite der Bürgerinitiativen.Wir stehen auf der Seite der Flughafenausbaugegner, und das auch heute, wo das Hüttendorf geräumt wird.
Auch in der Bildungspolitik sind Ihre Rezepte trotz PISA-, trotz IGLU-Studie die alten. Sie verfahren nach dem Motto: Die Medizin verschlechtert den Zustand des Patienten, dann verabreichen wir die doppelte Dosis.
Statt Bildungsland Nummer eins ist Hessen Bildungsnotstandsland. Das Grundproblem im deutschen Bildungssystem ist, dass Bildungschancen abhängig von der sozialen Herkunft von Kindern sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Akademikerkind ein Gymnasium besucht, ist hierzulande 6,9-mal höher als die eines Facharbeiterkindes. Genau das wird durch das dreigliedrige Schulsystem verstärkt. Es gibt eben keine ausreichende Durchlässigkeit zwischen den Schulformen.
Ihre Regierung will an dem vielgliedrigen Schulsystem und der frühen Auslese von Kindern festhalten. DIE LINKE fordert hingegen eine Schule für alle Kinder bis zur 10. Klasse. Wir wollen individuelle Förderungen statt normiertes Lernen.
Es ist schön, wenn Sie jetzt in Ihrer Regierungserklärung sagen,Sie wollten die Klassengrößen reduzieren.Den Antrag der LINKEN dazu haben Sie im letzten Jahr abgelehnt. Aber Sie nennen überhaupt keine konkreten Zahlen, an denen man Sie messen könnte, oder irgendwelche Ziele, die Sie sich selber stecken. Deswegen bleibt das sehr vage.
CDU und FDP planen, in Zukunft Schulen wie Wirtschaftsunternehmen zu führen. Schulen sind aber keine Wirtschaftsbetriebe, und Bildung ist keine Ware. Schulleiter sind außerdem Pädagogen und keine Manager. Ihrem Konzept der selbstständigen Schule stellen wir als LINKE die demokratische Schule entgegen, in der nicht der Schulleiter alleine, sondern Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam darüber entscheiden, wie ihre Schule aussehen soll.
Die Bildung ist in Deutschland schon lange chronisch unterfinanziert. Um auch nur den OECD-Mittelwert zu erreichen,müssten jährlich rund 21 Milliarden c mehr bereitgestellt werden. Gerade in Hessen sparen Sie die Bildung kaputt – in Zeiten,in denen in Windeseile Milliarden für marode Banken organisiert und Konjunkturprogramme aufgelegt werden. Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie wollten junge Menschen befähigen, eine Lehrstelle zu finden. Meiner Meinung nach geht das am tatsächlichen Problem vorbei.Wir müssen nicht junge Menschen dazu befähigen, eine Lehrstelle zu finden, sondern wir müssen die Unternehmen dazu verpflichten, Lehrstellen zu schaffen.
Die Politik hat lange genug auf Freiwilligkeit gesetzt. Wir haben die Situation, dass in Deutschland 1,5 Millionen Jugendliche unter 25 Jahren leben, die ohne eine berufliche Erstausbildung dastehen. Zwei Drittel der Unternehmen in Hessen bilden nicht aus. Wir erleben gerade eine tiefe Wirtschaftskrise, der sicher auch weitere Ausbildungsplätze zum Opfer fallen werden. Die Lebenschancen junger Menschen dürfen aber nicht von der Konjunktur abhängig sein. Deshalb fordert DIE LINKE ein Recht auf Ausbildung für alle Menschen.
DIE LINKE hat die Bildungsproteste und Schülerstreiks in den letzten Monaten unterstützt. Ich hoffe, dass auch in diesem Jahr viele Schülerinnen und Schüler, viele Lehrerinnen und Lehrer und viele Studierende auf die Straße gehen, um der Regierung Druck zu machen und um eine sozial gerechte Bildungspolitik durchzusetzen.
Die Studierenden haben vorgemacht,wie es geht.Die Abschaffung der Studiengebühren ist ihr Erfolg, ein Erfolg der Studierendenbewegung in Hessen.
Wir wollen einen Systemwechsel.Wir wollen eine Gesellschaft, in der Menschen vor Profiten stehen. Deshalb treten wir für eine demokratische, für eine sozialistische Gesellschaft ein. Deshalb werden wir in den nächsten fünf Jahren eine antikapitalistische Oppositionsarbeit in diesem Parlament machen – gegen eine Koalition aus Marktradikalen mit einem Ministerpräsidenten, der nicht davor zurückschreckt, immer wieder ausländerfeindliche Ressentiments zu bedienen, wenn es darum geht, seinen Posten zu verteidigen. Sie reden von einer Kultur des Miteinanders.Wenn es Ihnen damit ernst ist, dann entschuldigen Sie sich endlich bei den Migrantinnen und Migranten in diesem Land dafür, dass Sie Wahlkämpfe immer wieder auf deren Rücken ausgetragen haben.
(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Warum wird die Integrationspolitik Hessens dann so gelobt? Ist Ihnen das entgangen?)
DIE LINKE versteht sich in diesem Parlament auch als ein Sprachrohr der sozialen Bewegung. Gesellschaftlicher Druck wird nötig sein,damit die nächsten fünf Jahre keine verlorenen Jahre für Hessen sein werden.Das ist dringend nötig, denn die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass für den gesellschaftlichen Fortschritt nicht nur entscheidend ist, wer regiert, sondern auch sehr entscheidend ist, wer opponiert – und vor allem, wie opponiert wird.
Herr Präsident, meiner sehr verehrten Damen und Herren! „Hessen bekommt wieder eine Regierung, die fest in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Das ist gut so, nachdem das Land um ein Haar einer unseligen linken Allianz politischer Hasardeure in die Hände gefallen wäre.“
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Das ist nicht etwa, wie Sie dachten, böse Polemik des Fraktionsvorsitzenden der CDU, sondern das hat vor zweieinhalb Wochen ein Journalist des angesehenen „Wiesbadener Kurier“ geschrieben.
Ich schließe mich allerdings dieser Botschaft an; das wird Sie nicht überraschen. Das ist die Botschaft des Wahlergebnisses vom 18. Januar, und das ist auch die Botschaft des heutigen Tages. Die hessische Öffentlichkeit hat mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, dass die sogenannten hessischen Verhältnisse beendet sind und dass der negative Ruf, den sich unser Land im vergangenen Jahr erworben hat, nun tatsächlich Vergangenheit ist. Es gibt eine klare bürgerliche Mehrheit, bestehend aus FDP und CDU, und diese Mehrheit bedeutet für unser Land Stabilität und Zukunftshoffnung.Sie bedeutet gleichzeitig
Gestaltungskraft und Gestaltungsmöglichkeiten für die Landesregierung unter Herrn Koch und Herrn Hahn.
Meine Damen und Herren,es ist für alle Anwesenden und auch für die Öffentlichkeit keine Überraschung, dass sich FDP und CDU nach diesem Wahlergebnis zwecks Bildung einer Koalition zusammengetan haben. Bei allen parteipolitischen Unterschiedlichkeiten gibt es nämlich eine große Schnittmenge an Gemeinsamkeiten – Gemeinsamkeiten, die wir schon in früheren Regierungen miteinander praktiziert haben. Ich erinnere an die gemeinsame Regierungszeit von 1987 bis 1991 und an die gemeinsame Regierungszeit von 1999 bis 2003. Die Koalitionsvereinbarung ist Ausdruck des gemeinsamen Gestaltungswillens,„auf der Basis gemeinsamer Werte und Ziele vertrauensvoll zusammenzuarbeiten“, wie es in der Vereinbarung heißt.
Mit dieser klaren bürgerlichen Mehrheit ist Hessen viel erspart geblieben – unter anderem eine Minderheitsregierung unter Ministerpräsidentin Ypsilanti und Wirtschaftsminister Scheer.
Hessen ist die Abhängigkeit von Kommunisten erspart geblieben, die, jedenfalls teilweise, verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und ein gestörtes Verhältnis zu unserem demokratischen Rechtsstaat haben.
Das sind dieselben Kommunisten, mit denen Herr Schäfer-Gümbel vor dem 27. Januar 2008 unter keinen Umständen zusammenarbeiten wollte. Ich füge aus aktuellem Anlass am Rande hinzu: Es ist schon ein außergewöhnlicher Vorgang, wenn während einer so bedeutsamen Sitzung des Landtags, während der Aussprache über die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, der Großteil der Fraktion der LINKEN nicht anwesend ist, sondern es für richtiger hält, sich mit Waldbesetzern, den Bewohnern des rechtswidrig errichteten Hüttendorfs zu solidarisieren. Das verrät Ihr Verhältnis zu diesem Rechtsstaat. Das verrät Ihr Verhältnis zu diesem Parlament. Frau Wissler, Sie haben es eben sehr deutlich und klar gesagt: Sie empfinden sich mehr als Anhängerin und als Teil der außerparlamentarischen Opposition denn als gewählte Vertreterin des Volkes.
Wir werden nicht aufhören, dies der Öffentlichkeit immer wieder zu sagen und an Sie zu appellieren, endlich zum Stil und zur Kultur normaler demokratischer Gepflogenheiten zurückzukehren.
Meine Damen und Herren, diesem Lande ist außerdem eine Regierung erspart geblieben, die mit dem Makel eines fundamentalen Wortbruchs hätte leben müssen. Eine der Lehren der letzten zwölf Monate ist, dass ein solcher Wortbruch in unserer politischen und demokratischen Kultur keinen Erfolg haben darf. Ich bin froh, dass er keinen Erfolg hatte.
Lassen Sie mich kurz einen weiteren Gedanken hinzufügen. Das Wahlergebnis vom 18. Januar zeigt auch, dass es
eine Regierungskoalition aus zwei Fraktionen geben kann, selbst dann, wenn ein Parlament fünf Fraktionen hat. Bereits in der letzten Wahlperiode wurde ja die Behauptung aufgestellt, dass in einer solchen Konstellation für alle Zukunft drei Fraktionen gezwungen seien, zusammenzugehen, um eine Regierung bilden zu können. Das Wahlergebnis macht deutlich:Auch bei einem Einzug der LINKEN in das Parlament ist es möglich, eine bürgerliche Mehrheit aus zwei Fraktionen zu bilden.
Ich möchte hinzufügen – auch im Hinblick auf die im September dieses Jahres anstehende Bundestagswahl –: Das, was in Hessen Grundlage solider bürgerlicher Politik ist, ist auch ein Modell für Berlin. Ich sage klar und deutlich: Das wünschen wir uns für den 27. September – für unser Land, für Deutschland.
Meine Damen und Herren, ich will gern einräumen – damit haben wir Christliche Demokraten überhaupt keine Probleme –, dass wir selbst uns am 18. Januar ein besseres Wahlergebnis gewünscht hätten. Wir sind sehr froh darüber, dass wir aufgrund des deutlichen Erstarkens der FDP gemeinsam eine sehr deutliche bürgerliche Mehrheit haben.
Aber wir werden als Partei mit aller Kraft daran arbeiten, dass bei den nächsten Wahlen auch die Union wieder zusätzliche Stimmen gewinnt. Auch das ist ein Auftrag, den wir diesem Wahlergebnis entnehmen. Ich würde mir wünschen, dass auch von den Mitgliedern anderer Fraktionen so viele selbstkritische Töne zu hören wären.
Lassen Sie mich kurz einen Satz zu der ständigen Kritik an der Umbenennung des Sozialministeriums einfügen. Das ist das Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit. Selbstverständlich sind das die wesentlichen Bestandteile einer erfolgreichen Sozialpolitik. Es sind nicht die alleinigen, aber die wesentlichen Ziele und Aufgaben der Sozialpolitik.
Dazu gehören alle sozialen Probleme unseres Landes. So empfinden wir das auch weiterhin als unseren Auftrag, und wir sehen uns weiterhin in der Verantwortung für die Sozialpolitik für heute und für morgen.
Meine Damen und Herren, wir haben seit einiger Zeit das große Vergnügen, dass wir in der politischen Debatte in diesem Haus, aber auch in der Öffentlichkeit außerhalb dieses Hauses bei dem Vergleich dessen, was die bürgerliche Mehrheit möchte, mit dem, was Rot-Rot-Grün gemacht hätte, auf einen entsprechenden Koalitionsvertrag von Rot-Grün zurückgreifen können. Das erleichtert uns die Argumentation; das will ich gern sagen.
Deshalb sage ich klar und deutlich:Wir unterscheiden uns tatsächlich in allen wesentlichen Punkten von Rot-RotGrün, und wir wollen uns auch unterscheiden. Ich werde Ihnen das an einzelnen Punkten nachweisen.
Die zentralen Begriffe unserer Koalitionsvereinbarung – das ist bereits angesprochen worden – sind Vertrauen, Freiheit und Fortschritt. Vertrauen bedeutet: Wir machen das, was wir sagen. „Verlässlichkeit statt Wortbruch“, das ist das Motto unserer Arbeit für die nächsten fünf Jahre.