Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das bedeutet eben auch die harte mathematische Wahrheit: Ohne eine strikte Begrenzung des Anstiegs der kon

sumtiven Ausgaben – wenn man die Personalkosten weglässt –, die weit unterhalb des durchschnittlichen Einnahmewachstums liegt, werden wir das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht erreichen können. Deshalb haben wir verabredet, den Anstieg aller sonstigen konsumtiven Ausgaben auf 0,5 % pro Jahr zu begrenzen.

Wir haben den hessischen Kommunen in den vergangenen Jahren gute finanzielle Grundlagen verschafft:mit der Stabilität des Finanzausgleichssatzes, aber auch mit den Abrechnungsmodalitäten, die wir gefunden haben. Die Kommunen selbst haben in den vergangenen Jahren,auch aufgrund der hohen Gewerbesteuereinnahmen, ein deutliches Plus bei den Gesamteinnahmen erzielt. Immer mehr hessische Kommunen können – Gott sei Dank – ausgeglichene Haushalte vorweisen oder sogar Altschulden tilgen. Das Volumen des Kommunalen Finanzausgleichs liegt mit knapp 3,3 Milliarden c auf Rekordniveau.

Meine Damen und Herren, wenn man sich anschaut, wie die in Hessen verbleibenden Steuereinnahmen, nach Länderfinanzausgleich und nach allen Verrechnungen, auf Land und Kommunen verteilt sind, dann kommt man zu einem Ergebnis – das ist unsere Debatte als Landesparlament –, welches in keinem anderen Land so ungünstig für den Landeshaushalt oder, umgekehrt, so günstig für die kommunalen Haushalte ausfällt wie in Hessen.

(Günter Rudolph (SPD): Das kann man sehen, wie man will!)

Etwas über 50 % der in Hessen verbleibenden Steuereinnahmen fallen dem Land zu. Fast ebenso groß ist die Quote, die die Kommunen als Steuereinnahmen verbuchen, nämlich knapp 50 %. In einem Land wie Niedersachsen liegt sie bei etwa 36 % – nur, um die Extreme im Ausschlag dieser Diskussion zu verstehen.Wenn man sich fragt, wo das herkommt: Die massive Belastung liegt unter anderem auch daran, dass wiederum die Struktur des Länderfinanzausgleichs bewirkt, dass die überdurchschnittliche Finanzkraft des Landes Hessen zu einer überdurchschnittlichen strukturellen Belastung des Landeshaushalts führt.

Vor diesem Hintergrund halten wir es für eine Frage der Solidarität, jetzt nicht über den Finanzausgleichssatz insgesamt mit seinen 23 % und damit auch über die Auswirkungen auf die gewerbesteuerschwachen oder gewerbesteuerlosen Gemeinden in den ländlichen Regionen zu diskutieren, sondern über die Frage zu reden, wie wir die Teile, die wir als Nettozahler aus Steuereinnahmen in den Länderfinanzausgleich mit einbringen können, uns so teilen, dass die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich, die daraus resultieren, dass wir zusätzliche Einnahmen haben, selbstverständlich aus dem Landeshaushalt geleistet werden, dass aber nicht zusätzlich die Teile des Länderfinanzausgleichs, die durch kommunale Einnahmen begründet werden, ausschließlich zulasten des Landeshaushalts gehen, sondern dass wir dort mit den Kommunen eine vernünftige und faire Verteilung anstreben müssen. Das werden wir in den nächsten Monaten diskutieren und tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden eine Haushaltsstrukturkommission unter Einbeziehung externer Experten einsetzen, die Vorschläge zur nachhaltigen Konsolidierung des Haushalts erarbeiten soll und wiederum klarmachen soll, dass das keine Frage interner politischer Arbeit ist; sondern sie wird mit politischen Weichenstellungen verbunden sein.

Dazu zählen auch die Überprüfung aller wahrgenommenen Aufgaben, die Überprüfung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Förderprogrammen und die Weiterentwicklung des Controllings.

Am Ende müssen wir uns, wenn wir gerade über den Länderfinanzausgleich so sprechen, wie ich es tue, der Herausforderung stellen, durch unabhängige Beteiligte prüfen zu lassen: Was geben wir in Kommunen und Land für bestimmte Leistungen zugunsten der Bürger aus, und was wenden andere Länder für qualitativ gleiche Leistungen auf? Wenn wir wollen, dass wir auch über die Ungerechtigkeiten eines Ausgleichssystems reden, dann müssen wir zunächst darüber reden,dass wir auf dem modernsten und effizientesten Standard der Leistungserbringung sind und unsere eigenen Hausaufgaben gemacht haben. Deshalb wird diese Transparenz auch für Dienstleistungen und Maßnahmen in unserem Bundesland eine wichtige Aufgabenstellung der Diskussion der nächsten Monate und Jahre sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist die Beschreibung dessen, was ich Paradigmenwechsel genannt habe. Wir werden nicht die Haushalte fortschreiben können, die wir in der Vergangenheit entwickelt haben.Wir werden das nicht können, weil wir es der nächsten Generation gegenüber nicht verantworten können. Aber wir werden vorher darüber reden, dass wir es nicht mehr können, weil wir es selbst in der Verfassung ausschließen.

Das ist eine möglicherweise nach moralischen Gesichtspunkten weniger bedeutende Frage als die Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen. In den konkreten Verhaltensweisen des Nicht-mehr-Könnens, selbst wenn man will, ist es die entscheidende Veränderung, rechtliche Rahmen zu setzen,die man nicht jeden Tag wieder mit Mehrheiten ändern kann.Jeder von uns weiß – das ist die besondere Verantwortung, die wir dafür haben –: Wenn wir die Bürger einmal überzeugt haben, was nicht ganz einfach sein wird, dieses Verschuldensverbot in die Verfassung hineinzuschreiben, werden wir keine Mehrheit mehr dafür bekommen, dass die Bürger irgendwann einmal beschließen, dass sie es wieder aufheben. Dann ist es unser Rahmen, unter dem wir die Aufgaben am Ende des Jahrzehnts, spätestens mit dem Landeshaushalt des Jahres 2019, verwirklichen müssen.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Das ist eine anspruchsvolle Herausforderung an Finanzpolitik, aber es ist eine, die notwendig ist, wenn wir aus einem Weg, der Ende der Sechzigerjahre begonnen worden ist, einen Pfad heraus finden wollen.Wir wollen nicht länger darüber reden, sondern mit der notwendigen Bereitschaft zur Auseinandersetzung jetzt beginnen,diesen Pfad zu beschreiten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wählerinnen und Wähler haben am 18. Januar CDU und FDP ihr Vertrauen ausgesprochen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Eher der FDP!)

Wir wissen um den Wert dieses Vertrauens. Gerade in einer Zeit großer Unsicherheiten ist Vertrauen die stabilste aller Währungen. Was passiert, wenn nicht einmal mehr Banken einander vertrauen, haben wir in den vergangenen Monaten gesehen, und wir bezahlen es teuer.

In Zeiten wie diesen braucht es vertrauensvolle Regierungsarbeit. Das heißt: Eine Regierung muss wissen, was sie will. Sie muss tun, was sie vorher gesagt hat, und halten, was sie ihren Bürgern verspricht. Unser Wort gilt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zu- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso gilt: Eine Regierung darf nur versprechen, was sie auch wirklich halten kann.Wer mit großvisionären Plänen zur Veränderung von Wirtschaft, Gesellschaft und Energieversorgung daherkommt, muss zuallererst erklären, wie er diese Pläne in jetziger Zeit zu finanzieren gedenkt.

Meine Damen und Herren, wir führen eine Debatte über den richtigen Weg von Politik, aber wir werden niemandem erlauben, sie losgelöst von der Frage, wer wann was warum bezahlen muss, zu führen. Beide Dinge gehören zusammen in Krisenzeiten wie diesen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Ich bin sehr dafür!)

Die Hessische Landesregierung steht für Entschlossenheit und für das Machbare in der Politik. Wir haben eine klare Vorstellung von dem, was wir in den kommenden fünf Jahren in diesem Land verwirklichen wollen.Und wir haben durch das Krisenmanagement der vergangenen Monate bewiesen, dass wir auch auf unvorhersehbare Ereignisse in kurzer Zeit angemessene Antworten finden können.

Vertrauen, Freiheit, Fortschritt sind als zentrale Punkte unseres Programms schon anspruchsvoll – voller Anspruch an uns selbst und voller Anspruch an jeden Einzelnen in der Gesellschaft.

Wir wollen unseren Weg mit dem Optimismus beginnen, dass gut ausgebildete Menschen in sozialer Partnerschaft mitten im Europa der Bürger glücklich und erfolgreich leben können. Deshalb starten wir heute mit dieser Regierung in das nächste Jahrzehnt.

Ja, es ist ein Aufbruch in der Krise. Aber wir sind überzeugt:Wir werden diese Krise bewältigen, und wir werden weiter an einem starken Hessen bauen. – Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, damit ist die Regierungserklärung gegeben. Bevor wir in die Aussprache eintreten, will ich kurz, da sie sehr lange dauern wird, ein paar Formalitäten erledigen.Zunächst darf ich auf der Tribüne den ehemaligen Kollegen Dr. Lübcke und Herrn Staatssekretär a. D. Jacobi begrüßen. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Dann haben Sie auf Ihren Plätzen Dringliche Entschließungsanträge liegen. Wir beginnen mit dem der SPD betreffend Verurteilung rechtsextremistischer Gewalt, Drucks. 18/47. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Jawohl, das ist der Fall. Das heißt, wir nehmen diesen Antrag als Tagesordnungspunkt 9 und rufen ihn zusammen mit Punkt 8 auf. Einverstanden?

(Ein Mitarbeiter spricht mit Minister Volker Bouf- fier und blockiert die Sicht auf das Plenum.)

Darf ich einmal freies Blickfeld zu meinem Plenum haben, Herr Kollege? – Herzlichen Dank.

Wir rufen damit den neuen Punkt 9 zusammen mit Punkt 8 auf. Sie sind einverstanden.

Dann habe ich Ihnen noch vorzuschlagen, dass der Dringliche Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Konjunkturpaket II des Bundes, Drucks. 18/48, zunächst mit der Dringlichkeit versehen wird. – Das ist der Fall. Wir nehmen ihn als Punkt 10 auf die Tagesordnung und rufen ihn mit den Punkten 4 und 7 auf. Sind Sie auch einverstanden? – Dann verfahren wir so.

Meine Damen und Herren,ich eröffne die Aussprache zur Regierungserklärung und erteile zunächst dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Schäfer-Gümbel, das Wort. Bitte schön. – Die zusätzliche Redezeit beträgt 40 Minuten für die Oppositionsfraktionen, nur damit Sie wissen, dass Sie ewig lange Zeit haben.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist bekannt, das haben wir auch befürchtet!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Koch, wenn diese Regierungserklärung ein Maßstab für Ihre Entschlossenheit für die nächsten fünf Jahre gewesen sein soll, dann wird einem angst und bange für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Gute Nacht, Hessen!)

Die Länge Ihrer Regierungserklärung steht antiproportional zu den Inhalten und zu den Perspektiven. Sie haben Ihren Zenit überschritten. Das sehen zumindest vier Kollegen aus Ihrer eigenen Fraktion so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie werden nie einen haben! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ihre Basis bröckelt.Wenn eine Überschrift über diese Regierungserklärung passt, dann sicherlich diese: Diese Erklärung war blutleer und orientierungslos.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist auch nicht so fantasievoll!)

Sie haben eine entscheidende Hypothek in dieser Regierungserklärung. Diese Hypothek lautet, dass Sie seit zehn Jahren Regierungschef in Hessen sind und deswegen nicht bei null anfangen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist gut so! Gute zehn Jahre für Hessen!)

Wir können zehn Jahre Bilanz in das, was Sie uns hier vorsetzen, vorgeben und entwickeln, einbeziehen. Ich sage Ihnen: Die Zeit des Durchwurstelns ist vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Es war sehr auffällig, dass Sie, völlig zu Recht, die Krise in den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt haben.Die Krise wird in den nächsten Jahren die zentrale Herausforderung sein. Das wird keine kurzfristige Angelegenheit. Das wird kein Kurzstreckenlauf, sondern ein Marathon. Sie haben, aus meiner Sicht völlig zu Recht, darauf hingewiesen, dass es in einer solchen Regierungserklärung im Prinzip um