Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Ihnen müsste ebenso wie mir ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Verurteilung von Extremismus in Hessen, Drucks. 18/49, vorliegen. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Das ist der Fall. Dann darf ich vorschlagen, dass dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 11 wird und zusammen mit den Tagesordnungspunkten 8 und 9 aufgerufen werden kann. – Dem wird nicht widersprochen. Dann werden wir so verfahren.

Ich darf dann dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Florian Rentsch, das Wort erteilen. Herr Rentsch, bitte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich will mit Ihnen anfangen; denn Sie haben heute sehr viel über Umfragen gesprochen. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Sie eindeutig zu viele Umfragen lesen und zu wenig auf die Bürger hören. Dann lesen Sie auch noch die falschen Umfragen. Denn die von heute haben Sie weggelassen, nämlich dass die SPD auf Bundesebene nur noch vier Punkte vor der FDP liegt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist eine Umfrage, die man, wenn man schon so ausführlich zitieren will, hier mit Sicherheit auch zitieren sollte.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie, eines ist aber klar: Die besten demoskopischen Ergebnisse, die besten Umfragen sind Wahlen an sich. Da haben die hessischen Bürgerinnen und Bürger ein klares Zeichen gesetzt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich teile Ihre Ausführungen dahin gehend,dass Umfragen Momentaufnahmen sind. Das ist unbestritten. Deswegen: Die Wahlen haben in Hessen ein klares Verhältnis festgelegt. Das ist für uns die Grundlage für die nächsten Jahre.

Herr Kollege Schäfer-Gümbel,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Er sitzt alleine da!)

Sie haben hier eine eigenartige Mengenlehre vorgetragen, die schäfer-gümbelsche Mengenlehre. Die funktioniert ungefähr so: Es sind fünf Leute in einem Raum, sieben gehen raus; dann müssen zwei wieder reinkommen, damit der Raum leer ist. – Das ist die schäfer-gümbelsche Mengenlehre.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Darüber muss man erst einmal nachdenken. Aber eines hat man eindeutig feststellen können:All das, was Sie vorgetragen haben, hat unter dem Strich überhaupt keinen Sinn gegeben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Mir hat eindeutig die Vision gefehlt, die Sie noch vor ein paar Monaten für dieses Land verbreitet haben. Wo war

denn heute die Vision der Sozialdemokratie? Da ist nichts gekommen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Soziale Moderne!)

Das halte ich wirklich für bedauerlich.

Meine Damen und Herren, „Vertrauen, Freiheit, Fortschritt“, das sind die Kernbegriffe unseres Koalitionsvertrages. Ich will mit dem ersten Begriff beginnen. Ich glaube, dass Vertrauen in Zeiten wie diesen wichtiger ist als je zuvor. Denn der Wortbruch, den wir hier im letzten Jahr erlebt haben – Frau Ypsilanti hat den Raum verlassen –, war eine der negativsten Erlebnisse in der Geschichte des Landes Hessen. Diese politischen Ereignisse haben dafür Sorge getragen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger, egal wo sie parteipolitisch angesiedelt sind, von der parlamentarischen Demokratie zurückgezogen haben.Es muss im Interesse aller Parlamentarier,aller demokratischen Fraktionen sein, dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Landtagswahl war ein Befreiungsschlag für viele Bürgerinnen und Bürger. Das Wahlergebnis war ein Vertrauensvorschuss für die neue Regierung in diesem Land und für die sie tragenden Fraktionen, aber es war auch eine klare Absage an ein Linksbündnis in Hessen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, das, was Sie heute hier an Demoskopie zitiert haben, hätten Sie damals beherzigen sollen, als die Bürgerinnen und Bürger Ihnen gesagt haben: „Wir wollen kein Linksbündnis“, so wie Sie es den Menschen versprochen hatten. Das wäre die richtige Entscheidung gewesen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Herr Schäfer-Gümbel hört überhaupt nicht zu! – Axel Wintermeyer (CDU): Die SPD-Fraktion ist gar nicht da!)

Die Menschen haben sich für eine Politik der Mitte ausgesprochen. Man merkt, die Bürger wollen keine Polarisierung mehr. Sie wollen von der Politik ernst genommen werden. Sie wollen eine Politik der Mitte, der Vernunft, wo der Gradmesser für politische Entscheidungen der gesunde Menschenverstand ist.

(Dr.Thomas Spies (SPD):Wie kommen Sie darauf, dass Sie an der Regierung beteiligt sein sollen?)

Ich glaube, dass wir alle, Opposition und Regierungsfraktionen, diesen Maßstäben verpflichtet sind.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Wir sollten alles dafür tun, dieses Vertrauen der Bürger zu rechtfertigen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Wann fangen Sie damit an?)

Ich halte es für sehr wichtig, dass wir in den nächsten Jahren gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen auch darüber sprechen, wie wir diesen Landtag organisieren und wie wir uns nach außen präsentieren. Wir sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Egal, was wir hier tun – wir werden außen wahrgenommen, manchmal positiv, manchmal negativ. Wir haben uns in den letzten Jahren erheblich auseinandergesetzt, häufig in der Sache, aber nicht zum Schlechten, weil wir wirklich um Konzepte gestritten haben. Es wird darauf ankommen, dass dieser

Landtag in seinem Auftreten nach außen einen anderen, einen neuen Stil findet, sich zu präsentieren. Denn wenn wir Bürgerinnen und Bürger wieder für Parlamentarismus gewinnen wollen, müssen wir es schaffen, dass wir hier eine Debattenkultur an den Tag legen, die diesen Ansprüchen genügt.Ich glaube,da haben wir noch einiges zu tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor allem die Zwischenrufe der sogenannten Bürgerlichen!)

Wir müssen aus dem Klein-Klein der Diskussion heraus. Aber wenn man als Parlament einen Neustart wagt – denn jede neue Legislaturperiode ist auch ein Neustart –, dann muss man auch Vergangenheitsbewältigung betreiben, sie dann aber auch abschließen. Das ist mein Angebot an Sie. Ich werde heute noch einige Worte gerade zur Sozialdemokratie, aber auch zu den GRÜNEN sagen; dann ist das Thema für mich aber auch gelaufen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir sind aber fünf Jahre da!)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich habe es sehr bedauert, dass Sie in Ihrer Rede keineswegs ausgedrückt haben, dass auf Sie als neue Galionsfigur der Sozialdemokratie eine besondere Verantwortung zukommt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, aber das teile ich nicht mit Ihnen!)

Sie sind im Wahlkampf gelegentlich mit Johannes Rau verglichen worden.Wir wissen, der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau war ein Mensch,der das Motto hatte, Menschen zusammenzuführen: „Versöhnen statt Spalten“. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich hätte mich heute sehr gefreut,wenn Sie als neuer Fraktionsvorsitzender der SPD auch einmal etwas dazu gesagt hätten, dass Sie die Hexenjagd auf unsere vier ehemaligen Kolleginnen und Kollegen innerhalb der SPD endlich beenden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das wäre im Sinne von Johannes Rau gewesen. Sie können hier Vorbild sein. Ich glaube, dass es richtig wäre, wenn Sie als neue Galionsfigur der Sozialdemokratie diesen vier Personen die Hand reichen würden.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Das ist kein Beispiel!)

Ich will – das wird wahrscheinlich nicht für alle gelten – für diese Richtung des Hauses sagen: Wir zollen den vier ehemaligen Kolleginnen und Kollegen großen Respekt für ihre Entscheidung, dass sie nämlich etwas getan haben, offen und nicht geheim, wie man es auch hätte tun können, wie es vielleicht noch mehr als vier getan hätten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben andere gemacht!)

Ich darf auch sagen, dass wir diese vier Persönlichkeiten in diesem Landtag sehr vermissen werden. Für Sie, verehrter Kollege Schäfer-Gümbel, ist das eine programmatische Schwächung, die Sie erlebt haben, und die ist nicht einfach aufzufangen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Manfred Gö- rig (SPD): Das glaube ich nicht!)

Jetzt komme ich zu dem Kollegen Al-Wazir, der sich wie immer lebhaft an der Debatte beteiligt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bisher noch nicht!)

Herr Kollege Al-Wazir, die GRÜNEN sind eine ganz besondere Partei, die immer dann, wenn es irgendwo um Moralfragen oder um irgendeine Minderheit auf dieser Welt geht, sich sofort solidarisiert und mit dem moralischen Zeigefinger, auch in diesem Parlamentssaal, auftritt. Wo waren Sie eigentlich, als es um das freie Mandat und die vier Kolleginnen und Kollegen ging?

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gute Frage!)

Wir haben kein Wort von Ihnen gehört, kein Wort haben Sie dazu gesagt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt überhaupt nicht!)