Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Erledigt sind die Punkte 1 bis 4, 7 und 31.

Herr Rudolph hat für die SPD-Fraktion mitgeteilt, dass Tagesordnungspunkt 33, der Antrag der SPD-Fraktion zur A 49, zur abschließenden Beratung dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überwiesen werden soll.

Eingegangen ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Arbeitsmarktreform dringend weiterentwickeln, Drucks. 18/1105. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 76 und kann mit Tagesordnungspunkt 43 zum gleichen Thema aufgerufen werden. – Ich sehe Einverständnis. Dann machen wir das so.

Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen vereinbarungsgemäß heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden.Wir beginnen mit den Haushaltslesungen. Das ist Tagesordnungspunkt 6 a und b. Dazu wird Tagesordnungspunkt 75 aufgerufen. Danach folgt Tagesordnungspunkt 26, Entschließungsantrag der SPD-Fraktion betreffend grünes Licht für den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Dazu werden die Tagesordnungspunkte 27 und 39 aufgerufen. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 43.

Ich darf darauf hinweisen, dass wir in der Mittagspause gegen 13 Uhr eine Ausstellung zum Thema Mauerfall eröffnen werden. Das Grenzmuseum Schifflersgrund und ein Apitz-Gemälde werden vorgestellt. Ich lade Sie alle dazu herzlich ein.

Es müsste heute auf Ihren Plätzen der Taschenkalender 2010 des Hessischen Landtags vorliegen. – Das ist so.

Weiterer Hinweis: Heute Abend um 19:30 Uhr spielt unsere Fußballmannschaft gegen die Mannschaft der Stadtverordneten Wiesbaden in Wiesbaden-Bierstadt. Wir wünschen allen Beteiligten Spaß und Erfolg – sicherlich erneut für einen guten Zweck.

Ich weise darauf hin, dass zu Beginn der Mittagspause um ca. 13 Uhr der Haushaltsausschuss in Raum 510 W tagt.

Dann darf ich noch zwei sehr erfreuliche Daten mitteilen, nämlich zwei – eine Kollegin und ein Kollege – haben heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Frau Hammann,

(Allgemeiner Beifall)

und herzlichen Glückwunsch, Herr Grumbach.

(Allgemeiner Beifall)

Es sind Blumen da, wird mir mitgeteilt. Dann würde ich vorschlagen,dass Sie bitte zu Herrn Grumbach gehen und Herr Utter zu Frau Hammann. Dann haben wir das, was Gender angeht, richtig gemacht.

(Heiterkeit – Schriftführerin Abg. Mürvet Öztürk und Schriftführer Abg. Tobias Utter überreichen Blumen.)

Die Gratulationscouren dürfen weiterlaufen. Aber ich möchte in die Tagesordnung einsteigen, und wir rufen Tagesordnungspunkt 6 a:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2010 (Haus- haltsgesetz 2010) – Drucks. 18/1013 –

und Tagesordnungspunkt 6 b:

Antrag der Landesregierung betreffend Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2009 bis 1013 – Drucks. 18/1055 –

auf. Dazu wird Tagesordnungspunkt 75 aufgerufen:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend mittelfristige Finanzplanung wegen Verfassungsverstößen nicht beratungsfähig – Drucks. 18/1103 –

Ich gehe davon aus,dass Herr Staatsminister Weimar nunmehr das Haushaltsgesetz einbringen und erläutern wird. Herr Staatsminister, die vereinbarte Redezeit beträgt 30 Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einen guten Morgen trotz des wahrscheinlich etwas schwergängigen Themas Haushalt. Inmitten der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte lege ich dem Hessischen Landtag heute den Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2010 sowie die mittelfristige Finanzplanung 2009 bis 2013 vor. Beide Zahlenwerke sind selbstredend geprägt von der derzeitigen außergewöhnlichen Krise. Ich möchte eingangs die drei wichtigsten Leitlinien des Haushalts 2010 darstellen.

Erstens. Mit dem Haushalt 2010 leisten wir, wie übrigens auch mit dem Haushalt 2009, einen weiteren aktiven und entschlossenen Beitrag zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Deshalb bleiben die Investitionsausgaben mit 2,4 Milliarden c auf Rekordniveau.

Zweitens. Wir haben uns zudem auch bei der Aufstellung des Haushalts 2010 dazu entschieden, die Krise nicht durch einen rigiden Sparkurs zu verschärfen. Es wäre konjunkturpolitisch unverantwortlich, die riesigen krisenbedingten Steuerausfälle durch Einsparungen kompensieren zu wollen.

Drittens. Gleichwohl schwenken wir mit dem Haushalt 2010 in behutsamer und konjunkturgerechter Weise auf einen mittelfristig unzweifelhaft nachdrücklichen Konsolidierungskurs ein. Wir haben den Anstieg der konsumtiven Ausgaben auf 0,2 % begrenzt.Wir halten damit ganz klar die entsprechende Zielsetzung der Koalitionsvereinbarung von 0,5 % ein. Meine Damen und Herren, versprochen und gehalten an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD)

Durch die nur teilweise Ausfinanzierung der Auswirkungen der Tarif- und Besoldungserhöhung 2009 und 2010 dämpfen wir auch das Wachstum der Personalausgaben nachhaltig. Ich will hinzufügen:Wir haben 94 Millionen c weniger in den Haushalt eingesetzt, als die Tariferhöhung von 268 Millionen c eigentlich bedurft hätte. Nur damit eine Vorstellung besteht: Das bedeutet für die Ressorts – umgerechnet in vollzeitäquivalente – ungefähr 1.900 Stellen, die finanziell aufgefangen werden müssen. Es zeigt,

die Landesregierung behält trotz schwierigster Rahmenbedingungen mit dem Haushalt 2010 das Konsolidierungsziel fest im Blick.

Meine Damen und Herren, die Leitlinien des Haushalts 2010 – Überwindung der Krise und behutsame Konsolidierung – sind aus der Sicht der Hessischen Landesregierung alternativlos. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass es wirklich noch nie nach dem Krieg so war, dass dieser schmale Grat zwischen Ankurbeln der Konjunktur und Sparbemühungen sauber eingehalten wird.

Meine Damen und Herren, wir sind im Moment in der Situation, dass alle Veranlagungssteuern dramatisch einbrechen. Das Einzige, was uns noch einigermaßen im Steuerbereich hält, ist der private Konsum – Umsatzsteuer und Lohn- und Einkommensteuer. Das heißt, dass die Bevölkerung durchaus in dieser Krise nicht ebenfalls in volle Sparszenarien hineingeht, sondern dass tatsächlich nach wie vor konsumiert wird. Es bleibt bei dem Spruch von Ludwig Erhard, dass Volkswirtschaft 50 % harte Fakten und 50 % Psychologie sind.

Deswegen ist es im Moment äußerst wichtig, dass der private Konsum nach wie vor aufrechterhalten wird. Alle Signale, die dahin gingen, dass der private Konsum zurückgefahren würde, wären in der jetzigen Situation eine Verschärfung der Krise.

Deswegen ist es richtig und konjunkturpolitisch vertretbar, dass wir die noch zu schildernden Maßnahmen in die Wege geleitet haben, um die Konjunktur insgesamt zu stützen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren,die schwerste Wirtschaftskrise in der Nachkriegsgeschichte hat auch Hessen fest im Griff. Spiegelbildlich zur Entwicklung auf Bundesebene schrumpft das Bruttoinlandsprodukt auch in Hessen zu Beginn des Jahres 2009 deutlich. Ja, in Hessen war sogar schon das vierte Quartal 2008 das erste, in dem das Bruttoinlandsprodukt rückläufig war. Hessen reagiert immer deutlicher und früher auf Krisen, kommt dann allerdings, wenn es wieder aufwärtsgeht, auch sehr viel schneller auf einen positiven Wachstumspfad.

Auf das Gesamtjahr bezogen, müssen wir davon ausgehen, dass sich das Bruttoinlandsprodukt in Hessen voraussichtlich ähnlich entwickeln wird wie der Bundesdurchschnitt. Die Bundesregierung rechnet derzeit damit, dass die Wirtschaftsleistung im Jahr 2009 um den einsamen Rekordwert von 6 % zurückgehen wird. Die konjunkturelle Talfahrt hat zur Folge, dass die Kapazitäten der Unternehmen aktuell deutlich unterausgelastet sind. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Investitionsbereitschaft und die Gewinne der Unternehmen.

Auch der Arbeitsmarkt dürfte – möglicherweise weniger stark als befürchtet – zunehmend in Mitleidenschaft gezogen werden.Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2010 müssen wir daher davon ausgehen, dass die Konjunktur nur langsam wieder in Schwung kommt. So erwartet die Bundesregierung für das kommende Jahr lediglich ein geringfügiges Wachstum von 0,5 % – allerdings auf der dann abgesenkten Basis.

Mittlerweile mehren sich allerdings die Anzeichen für eine konjunkturelle Bodenbildung. So weisen z. B. die Auftragseingänge oder der ifo-Geschäftsklimaindex deutlich auf ein Ende der Abwärtsbewegung hin. Die kon

junkturpolitischen Maßnahmen der öffentlichen Hand zeigen zunehmende Wirkung.

Auch hier möchte ich einmal positiv hervorheben, dass die vielfältigen Maßnahmen, die in den letzten Monaten in die Wege geleitet worden sind, sehr dazu beigetragen haben, dass diese Entwicklung, wie sie sich jetzt in Deutschland abzeichnet, überhaupt eintreten konnte. Ich weise hier nur auf die Konjunkturpakete I und II der Bundesregierung hin, auf die Bankenrettungsmaßnahmen, die in die Wege geleitet worden sind, und auch sehr deutlich auf das hessische Konjunkturprogramm.

Zudem sprechen auch harte Konjunkturdaten für ein Erreichen der Talsohle. Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal 2009 seit über einem Jahr erstmals wieder gegenüber dem Vorquartal gestiegen. Im dritten Quartal könnte sich die Aufwärtsbewegung, aktuellen Einschätzungen zufolge, sogar noch beschleunigt haben.

Meine Damen und Herren, das alles darf aber nicht den Blick darauf verstellen, in welchem tiefen Tal wir uns befinden.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Allerdings!)

Trotz des sicherlich erfreulichen Zuwachses im zweiten Quartal 2009 liegt das Bruttoinlandsprodukt im Vorjahresvergleich um rund 6 % niedriger.Außerdem bleibt abzuwarten, ob wir derzeit tatsächlich schon eine konjunkturelle Trendwende sehen. Bei allem berechtigten Optimismus – und den muss einen Finanzminister an dieser Stelle auch auszeichnen – sage ich: Gelegentlich macht eine Schwalbe noch keinen Sommer.

Doch selbst wenn wir den konjunkturellen Turn-around geschafft haben, liegen vor uns harte Zeiten. Meine Damen und Herren, es wird einige Jahre dauern, bis wir wieder das gesamtwirtschaftliche Niveau des Jahres 2008 erreicht haben. Die Bundesregierung geht in ihrer mittelfristigen Finanzplanung davon aus, dass die konjunkturelle Leistung des Jahres 2008 erst wieder im Jahre 2013 erreicht wird. Dies stellt einen Hinweis darauf dar, was in den nächsten Jahren aufzufangen ist – wenn wir erst dann wieder das Niveau des Jahres 2008 erreicht hätten.

Lassen Sie mich deshalb auch sagen: Ich bin überzeugt, dass wir gerade in Hessen auf einem soliden wirtschaftlichen Boden stehen. Wir haben gute Unternehmer, gute Produkte, gute Ideen und gute Mitarbeiter, und es wird an uns liegen, dieses Potenzial in der Krise so zu nutzen, dass diese Fähigkeiten und Standortbedingungen dazu führen, dass wir im Aufschwung einen größeren Teil des Kuchens für uns erarbeiten können.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren,diese Finanz- und Wirtschaftskrise hinterlässt in den öffentlichen Haushalten tiefe Spuren. Damit Sie sehen, dass wir nicht singulär dastehen, möchte ich ein paar Hinweise darauf geben, wie es derzeit in anderen Haushalten aussieht.

Der Bundesfinanzminister hat vor Kurzem einen Entwurf des Bundeshaushalts 2010 vorgelegt. Mit Ausgaben von 328 Milliarden c ist eine Nettokreditaufnahme von 86 Milliarden c geplant.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Anders ausgedrückt: Der Bund kann mehr als ein Viertel seiner Ausgaben nur mit neuen Krediten finanzieren. Das ist dramatisch mehr,als wir im Landeshaushalt ausweisen.