Jetzt könnte ich sagen, da sind wir wieder beim Thema Wettlauf. Wir hatten gerade einen Redewettstreit zwischen Herrn Kollegen Jürgens und Frau Hofmann,welche der beiden Fraktionen den inhaltlich und formal schöneren Gesetzentwurf eingebracht hat. Man hat gemerkt, dass allein schon inhaltliche Differenzen bestehen, weil die SPD noch ein paar Gesetze mehr gefunden hat, die sie gerne ändern möchte.
Beim Thema Wettlauf könnte man auch die Frage stellen: Wann wurden die Gesetzentwürfe eingebracht? Die GRÜNEN haben das merkwürdigerweise wenige Tage vor dem CSD in Frankfurt getan. Ob das etwas miteinander zu tun hat, kann man infrage stellen. Die SPD schiebt jetzt ein bisschen mehr hinterher im Wunsch, kurz vor der Bundestagswahl ihren eigenen Stich bei dem Thema zu machen.
Ich weiß nicht, ob das wirklich hilfreich ist. Ich glaube ganz persönlich, dass es weder den Menschen, um die es bei dem Gesetzentwurf gehen soll, hilft noch in der Diskussion sinnvoll ist.
(Günter Rudolph (SPD): Sie kommen doch nicht in die Puschen,Herr Honka! Sie haben acht Jahre lang Zeit gehabt!)
Ich danke vielmals für den Hinweis, Herr Kollege Rudolph. Wir bereiten unsere Gesetzentwürfe immer noch dann vor, wenn wir es für richtig halten, und bringen sie dann ein, wenn wir das für richtig halten.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Sie lassen das vom Ministerium vorbereiten!)
Das hat jede Landesregierung bisher so gehalten. Das haben Ihre Landesregierungen früher genauso gemacht. – Von daher warten Sie einfach in Ruhe ab, bis auch unser Gesetzentwurf mit dabei ist. Dann haben wir drei saubere Gesetzentwürfe, und dann können wir in Ruhe darüber diskutieren. Wie gesagt, letztes Jahr haben wir im Ausschuss sehr sachlich miteinander gesprochen. Zu diesem Tonfall sollten wir im Ausschuss wieder in Ruhe zurückkehren. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Auch unsere Fraktion ist nach wie vor der Meinung, dass es Aufgabe der Politik ist, dass es Aufgabe der politischen Einflussnahme ist, alle Menschen – auch die, die anders, als die gesellschaftlich gesetzten Normen vorgeben, aussehen, leben oder lieben – vor Diskriminierung zu schützen und ihnen ein gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen. Da ste
hen wir offensichtlich durchaus nach wie vor im Widerspruch zu dem, was Sie gerade für die FDP gesagt haben, Herr Müller. Wir sind der Meinung, dass es Aufgabe der Politik ist, dies zu regeln und sich dort auch einzumischen. Denn wenn wir es sicherstellen wollen, müssen wir es als Landtag auch so sagen und ein entsprechendes Gesetz verabschieden.
Wir sind nach wie vor der Meinung:Wie Menschen leben und wen sie lieben, ist ihre ureigenste Privatsache. Wir wollen die rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz der Vielfalt von Lebensweisen.
Im Mittelpunkt müssen die Anerkennung der Identität und die Gewährleistung der Entfaltungsmöglichkeit jeder und jedes Einzelnen stehen.
Meine Damen und Herren, verbal sind wir uns wahrscheinlich alle einig, dass die Politik der Benachteiligung, der Diskriminierung von Minderheiten falsch und auch gefährlich für die Demokratie ist. Wenn versucht wird, Menschen ins Abseits zu drängen, die schon lange wichtige Aufgaben in unserer Gesellschaft übernehmen, dann ist der Zeitpunkt erreicht, dass wir auch in entsprechenden Gesetzen deutlich machen, dass diese Diskriminierung nicht mehr Meinung dieses Hauses ist, nicht mehr Mehrheitsmeinung dieser Gesellschaft ist.
Meine Damen und Herren, die traditionellen Vorstellungen von Sexualität, Familie und Gesellschaft treffen doch schon lange nicht mehr die Lebenswirklichkeit in unserer Gesellschaft, weil sie aus einer ganz anderen Zeit stammen.
Ein paar gibt es noch, und auch diese Vielfalt wollen wir schützen, Herr Boddenberg. Da brauchen Sie gar keine Angst zu haben.
Wer die Gleichstellung von Lesben und Schwulen weiter blockieren oder diese weiter benachteiligen will, der muss erkennen, dass er dafür schon lange keine Mehrheit in der Gesellschaft mehr hat. Ich hoffe, auch in diesem Hause nicht.
Wir vernehmen nun mit Freude und einem gewissen Schuss Skepsis, dass Sie, Herr Müller, versprechen – Herr Honka hat dieses Versprechen nicht gegeben –,dass wir in der nächsten Plenarwoche Ihren Gesetzentwurf zu diesem Thema bekommen werden. Meine Damen und Herren von der größeren Regierungsfraktion, Sie sind ein bisschen spät dran mit diesem Gesetzentwurf. Sie sind acht Jahre zu spät dran. Wenn Sie uns vorhalten, dass unsere Zeitplanungen etwas mit anstehenden Wahlkämpfen zu tun haben, werde ich bei dem einen oder anderen Antrag Ihrer Fraktion am morgigen Tag noch einmal darauf zurückkommen, wie da die Zusammenhänge sind.An dieser Stelle erspare ich mir das.
Bitte legen Sie Ihren Gesetzentwurf vor, aber sagen Sie uns bitte heute noch, also vor der anstehenden Wahl, was Sie seitens der Regierung für die Gleichstellung in Hessen tun wollen. Machen Sie eine Aussage dazu, ob Sie, was die entsprechenden Verbände schon länger fordern, in dieser Frage, die nach Ihrer Einschätzung offensichtlich nach
Ich fordere Sie nochmals auf: Schließen Sie endlich die Gerechtigkeitslücken; denn Länder wie Berlin, Bremen und Hamburg, aber auch das Saarland und RheinlandPfalz, sind uns Hessen enteilt. Nur noch wenige Länder sind Nachzügler bei der Gleichstellung. Gemeinsam mit Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen haben wir Hessen da die schwarz-gelbe Laterne. Hessen ist auch bei diesem Thema in der Länderrangliste hinten: hinten bei der sozialen Modernisierung, hinten beim Minderheitenschutz.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns eine breite Landtagsmehrheit gegen Homophobie herstellen, für eine Gleichstellung aller Lebensweisen eintreten. Tragen Sie,wie viele von uns,nicht nur heute,sondern auch in den nächsten Tagen das Zeichen gegen Homophobie. Es steht uns gut zu Gesicht. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wilken. – Nächster Redner ist Herr Staatssekretär Dr. Kriszeleit für die Landesregierung.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die beiden Gesetzentwürfe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD,die durchaus ähnlich sind, wobei der Entwurf der SPD-Fraktion in der Tat über den Entwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinausgeht.
Meine Damen und Herren, als Vertreter des Justizministeriums darf ich kurz anmerken, beide Gesetzentwürfe weisen einige handwerkliche Schwächen auf, auf die ich heute aber nicht eingehen werde. Wir werden in gewohnter Weise darüber miteinander im Ausschuss sprechen. Sehr geehrter Herr Dr. Jürgens, ich möchte nur einen Punkt erwähnen; möglicherweise war das ein Versehen. Sie regen in Art. 5 Ihres Entwurfs eine Änderung im vollstreckungsrechtlichen Teil der ZPO an, die Lebenspartnerschaften deutlich schlechter stellen würde, als das im Augenblick hinsichtlich der Gleichstellung in der ZPO vorgesehen ist. Möglicherweise werden wir uns ganz schnell darauf einigen, dass das so nicht gemeint ist.
Meine Damen und Herren, zu dem Thema Gleichstellung von Lebenspartnerschaften findet sich in der Koalitionsvereinbarung eine klare Formulierung. Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin möchte ich diesen einen Satz kurz zitieren:
Wir werden ein „Gesetz zur Anpassung des hessischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes“ einbringen.
Es ist bereits erwähnt worden, dass die Koalitionsfraktionen an diesem Punkt arbeiten und in Kürze einen Ent
wurf vorlegen werden.Die Arbeiten daran sind nicht ganz einfach, und es wird quer durch die Regierungsfraktionen durchaus leidenschaftlich diskutiert.
Warum gibt es Diskussionsbedarf? Herr Wilken, wenn Sie erlauben, möchte ich hier eine Klarstellung vornehmen. Es geht nicht um Diskriminierung,sondern es geht darum, dass die beiden Regierungsfraktionen das Institut der Ehe, also Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz, sehr ernst nehmen. Danach stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.
Dieser Verfassungsauftrag, sehr geehrter Herr Wilken, muss sorgfältig geprüft werden. Es geht nicht um Diskriminierung. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Sie erlauben mir, dass ich ausdrücklich Sie anspreche, weil ich als Vertreter der Landesregierung diesen Vorwurf in aller Deutlichkeit zurückweisen möchte.
Aufgabe des Justizministeriums ist es, gerade in dieser Frage zu prüfen, wo die Grenzen sind und welche Möglichkeiten sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, aber auch aus der europäischen Rechtsprechung ergeben.Es ist mehrfach das Bundesverfassungsgericht zitiert worden,das die Auffassung vertritt,dass Art. 6 Grundgesetz kein Abstandsgebot, also gerade kein Benachteiligungsgebot anderer Formen des Zusammenlebens von Menschen enthält. Das ist völlig klar. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch ausdrücklich festgehalten, dass die Bewertung von Art. 6 Grundgesetz die Möglichkeit offenlässt, Familie und Ehe gegenüber anderen Formen der Lebenspartnerschaft etwas zu begünstigen. Das heißt, die grundgesetzliche Wertung lässt durchaus eine unterschiedliche Behandlung zweier Tatbestände zu.
Ich habe schon einmal gesagt, sehr geehrter Herr Wilken, es besteht keine Verpflichtung, sondern eine Möglichkeit. Es ist die Aufgabe des Parlaments, diese Möglichkeiten auszutarieren. Darüber wird im Augenblick diskutiert.
Frau Hofmann, wenn ich Sie kurz ansprechen darf: Das Gleiche gilt bei der Diskussion darüber, was die Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 bedeutet. Entschuldigen Sie, wenn ich belehrend wirke, aber ich will es für alle klarstellen: Richtlinien müssen zunächst in nationales Recht transformiert werden. Im Fall Maruko kann man die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dahin gehend interpretieren, dass die deutsche Rechtslage in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung durch die Versorgungswerke gegen diese Richtlinie verstößt. Die Europäische Kommission argumentiert ja in die gleiche Richtung in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik.
Dazu sind zwei Punkte zu sagen. Die Richtlinie nimmt ausdrücklich Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder damit gleichgestellter Systeme, einschließlich der Systeme der sozialen Sicherheit, von ihrem Anwendungsbereich aus. Das heißt, dafür ist diese Richtlinie nicht anzuwenden. Zweitens. Der Erwägungsgrund Nr. 22 der Richtlinie lässt diese einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige
Leistungen ebenfalls unberührt. Das heißt, gerade das, worüber wir hier diskutieren, wird von dieser Richtlinie ausdrücklich nicht betroffen.
Frau Hofmann, sehen Sie es mir nach, dass ich keine Zwischenfragen zulasse. – Damit ist die Rechtslage auch europarechtlich keineswegs so, dass wir nicht darüber diskutieren könnten und keine Handlungsspielräume hätten.Vielmehr ist sie offen.
Überall dort – das möchte ich betonen –, wo das öffentlich-rechtliche Dienstrecht einem Partner besondere Pflichten auferlegt, hält es die Landesregierung sehr wohl für denkbar, dass eine Gleichstellung herbeigeführt wird. Das kann z. B. für den Fall gelten, dass der Dienstherr einen Wechsel des Dienstortes vorschreibt, was durchaus Ansprüche des Betroffenen auf Trennungsgeld oder Umzugskostenerstattung auslöst. Hier sehen wir durchaus die Möglichkeit oder vielleicht sogar die Verpflichtung, Ehen und eingetragene Lebenspartnerschaften gleichzustellen.