Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Kraft = Masse x Beschleunigung

Angesichts der Haushaltsdebatte, die wir gerade führen, kann es sich allerdings bei der hier angesprochenen Kraft nur um diejenige physikalische Größe handeln, die alles verschwinden lässt und aus deren Fängen es kein Entrinnen gibt. Die aus der Allgemeinen Relativitätstheorie bekannte Singularität der Gravitation ist die Ursache für das Entstehen der berühmt-berüchtigten schwarzen Löcher.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schwarze Löcher, in denen nach den Gesetzen der Astrophysik alles verschwindet, nicht nur Materie – Geld sowieso –, sondern sogar auch das Licht, weswegen die Löcher ja auch schwarz wahrgenommen werden.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bei der Haushaltseinbringung im April dieses Jahres sprach ich noch von einem Schuldentsunami,der alles überschwemmt.Fünf Monate später reichen irdische Dimensionen bei Weitem nicht mehr aus, um die weimarsche Schuldenpolitik zutreffend zu beschreiben. Sie hat in der Tat galaktische Ausmaße angenommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben es also in Hessen mit einem schwarzen Loch besonderen Ausmaßes zu tun – dieser weimarsche Haushalt, in dem Jahr für Jahr immer größere Mengen gepumpten Geldes verschwinden, ohne dass es eine Wiederkehr gäbe oder irgendetwas vielleicht davon zu sehen wäre.

Meine Damen und Herren, wir haben es bereits gehört: Für 2010 rechnet der Finanzminister im Augenblick mit 3,375 Milliarden c neuen Schulden, also mit nochmals rund 470 Millionen c mehr an Krediten, als wir im Juni – das ist noch nicht so lange her – hier in diesem Saal für das laufende Jahr bereits beschlossen haben, nicht wir alle, aber die schwarz-gelbe Mehrheit.

Meine Damen und Herren, die Geschwindigkeit, mit der der Fiskus im schwarzen Loch verschwindet, nimmt – damit sind wir wieder bei der einsteinschen Theorie – exponentiell zu. Das bedeutet für die gerade laufende fünfjährige Legislaturperiode von 2009 bis 2013 einen zusätzlichen Schuldenberg von insgesamt 13.843 Millionen c, also 13,8 Milliarden c. Und dabei sind die Kosmetika der Finanzplanung mit mindestens zusätzlichen 900 Millionen c an globalen Mehreinnahmen und Minderausgaben noch nicht eingerechnet.

Obwohl Finanzminister Weimar beim letzten Mal, nämlich beim Haushalt 2009, diese Zahlen gar nicht darstellen konnte und sie am Ende der Schuldensumme noch zurechnen musste, da er – Sie erinnern sich – bei der Finalisierung seines Haushaltsplanes dann doch keine zusätzlichen Einnahmen entdecken konnte, haben diese Fantasiezahlen trotz der schlechten Erfahrung erneut Eingang in das Rechenwerk des Finanzplanes gefunden.

Meine Damen und Herren, in den Jahren 1999 bis 2014, also innerhalb von 15 Jahren, in denen nach Lage der Dinge Karlheinz Weimar hessischer Finanzminister gewe

sen sein wird,wird sich der Schuldenberg des Landes Hessen mehr als verdoppelt haben. Das ist eine Vervierfachung der Verschuldungsgeschwindigkeit gegenüber früheren Zeiten, die auch nicht immer rosig waren.

Sie erinnern sich: Da gab es einmal einen Bundesfinanzminister. Der wollte in seiner Haushaltsnot nicht nur die deutschen Goldvorräte, sondern auch gleich noch die nationale Erbsenreserve verkaufen. So hoch stand ihm das Wasser.

Zuzeiten der letzten rot-grünen Landesregierung – das ist schon viel zu lange her –, die die heutigen Regierungsparteien aber immer so schwer gescholten haben, dass sie nicht mit Geld umgehen könnte, betrug das größte jemals erreichte jährliche Defizit rund 1 Milliarde c.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Das sind weniger als zwei Fünftel des Durchschnitts der Neuverschuldung – wohlgemerkt: des Durchschnitts der Neuverschuldung – Ihrer Finanzplanung für diese Legislaturperiode; denn dieser Wert beträgt bei Ihnen mehr als 2,75 Milliarden c.

Meine Damen und Herren, was Sie auf diese Weise den hessischen Steuerzahlerinnen und den hessischen Steuerzahlern für die Zukunft zumuten, spottet in der Tat jeder Beschreibung. Ob der Dreistigkeit und Nonchalance, mit der Sie dieses vortragen, kann es einem fast die Sprache verschlagen. Auf jeden Fall fehlen parlamentarisch zulässige Formulierungen, um diese Politik des Größenwahns adäquat zu charakterisieren.

Herr Finanzminister,es stimmt eben überhaupt nicht,dass diese Ihre Politik der völlig verantwortungslosen Schuldenorgie ohne Alternative wäre. Sie ist vielmehr die Folge von Fehlern und Versäumnissen aufgrund jahrelang geübter Spendierhosenmentalität.

Gerade in Zeiten des billigen Geldes ist schon wegen des wachsenden Zinsrisikos eigentlich besondere Zurückhaltung beim Konsum auf Pump zu üben. Doch Koch und Weimar taten das genaue Gegenteil.Ihnen war völlig egal, dass sie mit leeren Taschen dastehen würden, wenn die nächste Rezession käme.

Wahrscheinlich rechneten sie gar nicht damit, dass sie dann immer noch regieren würden. So haben Sie uns fiskalpolitisch in das Schlamassel geführt,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und jetzt wissen Sie keinen Weg mehr daraus,und der Kollege Blum versucht verzweifelt, davon abzulenken, indem er Alternativen bei der Opposition einfordert. Ich komme noch dazu.

Meine Damen und Herren, es muss offensichtlich immer wieder daran erinnert werden, dass die Regierung Koch/ Weimar gleich am Beginn ihrer Regierungszeit durch einen rückwirkenden Nachtragshaushalt für das Jahr 1998 den Konsolidierungskurs der Vorgängerregierung verlassen und kräftig die Ausgaben und damit die Verschuldung gesteigert hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Auf diese Weise längs dieses Kurses wurden selbst in Jahren, in denen die Steuereinnahmen des Landes zweistellige Steigerungsraten aufwiesen, also mehr als 10 % im Jahresvergleich höher lagen, trotzdem wachsende Schul

denberge aufgehäuft. Von antizyklischem Verhalten war dabei überhaupt keine Rede.

Herr Finanzminister, deshalb ist auch Ihre Argumentation in der Krise so wenig glaubwürdig. Wie bereits im April festgestellt, brauchen Sie nämlich vielmehr die Krise als Schutzbehauptung für Ihre Schuldenmacherei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, anschaulich zeigt diese Grafik die traurige Entwicklung.

(Der Redner hält eine Grafik hoch. – Norbert Schmitt (SPD): Das ist doch rot!)

Ich gebe zu, Schulden in roten Zahlen sind ein bisschen unfair, weil die Roten diese Schulden nicht verursacht haben. In der korrekten Darstellung würde die Grafik so aussehen.

(Der Redner hält eine neue Grafik hoch. – Heiter- keit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der SPD)

Sie zeigt Ihnen insbesondere die verheerende Wirkung der Regierungsbeteiligung der FDP – ein empirischer Befund, der schon Eingang in die sonstige Warnzeichensymbolik gefunden hat. Sie kennen dieses hier.

(Der Redner hält eine weitere Grafik hoch.)

Radiaktivität oder auch Biogefahr. Oder allseits bekannt ist natürlich dieses hier.

(Der Redner hält noch eine neue Grafik hoch.)

Der Totenkopf weist darauf hin, es geht um Geld.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Meine Damen und Herren, Schwarz-Gelb signalisiert nicht „anfassen“, erst recht nicht „ankreuzen“, sondern „rasch das Weite suchen“, damit kein weiterer Schaden entsteht.

Herr Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr.Arnold?

Herr Präsident, ich denke, der verehrte Herr Kollege Arnold kann sich eines blauen Zettels und einer Kurzintervention bedienen, wenn er wirklich etwas fragen möchte. Ich möchte meine Gedanken weiter vortragen dürfen.

(Leif Blum (FDP): Welche Gedanken? – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das war jetzt schon dreist!)

Herr Blum, ich komme zu einem Gedanken von Ihnen. Ich zitiere:„Vor allem in der Haushalts- und Finanzpolitik zeigt sich, wie wir unsere politische Verantwortung gegenüber künftigen Generationen wahrnehmen.“ So lautet der erste Satz des Kapitels „Haushalt und Finanzen“ der Koalitionsvereinbarung dieser Regierung.

Der Satz stimmt irgendwie, auch wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sich das bestimmt so nicht gedacht haben. Einem solchen Test hätten

Sie sich nicht so gerne unterworfen. Da die Koalitionsvereinbarung aber im Januar dieses Jahres abgeschlossen wurde, komme jetzt bitte keiner und sage, man habe damals die Krise noch nicht kennen können. Der befürchtete konjunkturelle Einbruch und auch das landeseigene Konjunkturprogramm waren längst in der Debatte.

(Beifall bei der SPD)

Letzteres war bereits vor der Wahl des Ministerpräsidenten wahlwirksam propagiert worden.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Die Botschaft dieser Regierung im Sinne dieser Verantwortung gegenüber künftigen Generationen ist also schamlose Ausplünderung und Vernichtung ihrer Zukunftschancen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))