Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Ein solches Herangehen würde drei Ziele gleichzeitig erfüllen. Wir würden damit mehr Steuergerechtigkeit ermöglichen. Wir würden die Steuereinnahmen des Landes spürbar verbessern, und schließlich wäre das ein Beitrag zur Stärkung der wichtigen Arbeit der Steuerfahnder, deren Anzahl wir natürlich erhöhen wollen.

(Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Und die vorhandenen Steuerfahnder reaktivieren! – Michael Boddenberg (CDU): Reden Sie heute auch noch über Enteignung?)

Es ist ein wichtiger Punkt, dass wir darüber reden. Wir hatten im Unterausschuss die Debatte, dass man in Nordhessen 12 % der Betriebe mit über 400 Beschäftigten kontrolliert und in Südhessen lediglich 5 %, obwohl man vermuten kann, dass in Südhessen das Steuervolumen größer ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist „Law and Order“! – Minister Karlheinz Weimar: Entschuldigung, 5 % nicht kontrolliert!)

Der Schuldenberg Hessens wird auf 37 oder 38 Milliarden c anwachsen, und jeder achte Euro an Steuergeldern wird für Zinsen an Kreditinstitute ausgegeben. Dadurch verdienen sich die Banken dumm und dämlich.

Ich bin auf die für diesen Herbst in Aussicht gestellte Eröffnung der kaufmännischen Bilanz für das Land Hessen gespannt, wo das öffentliche Vermögen den Verbindlich

keiten der öffentlichen Hand gegenübergestellt wird. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie müssen sich dann fragen lassen, warum unter elf Jahren CDU-Regierung das öffentliche Vermögen verschleudert wurde und das Land Hessen Jahr für Jahr 300 Millionen c Mieten für verschleuderte Immobilien zahlen muss.

Aber noch schlimmer als die ökonomische Unsinnigkeit ist,dass Sie überhaupt kein politisches Gespür mehr dafür haben,dass in diesem Land inzwischen die sozialen Schulden viel gravierender wachsen als die haushalterischen. Kinder von Hartz-IV-Empfängern, die in diesem Winter frieren – das werden einige Tausend sein – und nicht wissen, warum, weil sie doch in einem angeblich reichen und gut organisierten Land leben, werden die sozialen Schulden dieses Landes vermehren.

Kinder, die nach der vierten Klasse auf die Hauptschule aussortiert werden und deren Traum von der Gesamtschule zertreten wird, vermehren die sozialen Schulden dieses Landes. Menschen im ländlichen Raum, die Angst bekommen, weil nach der Sparkasse und der Post jetzt vielleicht auch noch das nahe gelegene Krankenhaus dichtmacht, vermehren die sozialen Schulden dieses Landes.

Sie können sich darauf verlassen, dass DIE LINKE bei den kommenden Haushaltsberatungen Initiativen für ein soziales, nachhaltiges und vor allem gerechtes Hessen einbringt.Die Menschen in diesem Lande haben eine bessere Politik verdient. Dafür stehen wir als LINKE. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Nicht in tausend Jahren!)

Das Wort hat Herr Abg. Milde für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich diese Debatte in aller Ruhe angehört hat, muss man sich schon wundern. Ich habe mir eigentlich ein paar Stichpunkte aufschreiben wollen zu besonderen Hinweisen zum Landeshaushalt, die von der Opposition gekommen wären.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das wäre gut gewesen!)

Ich muss sagen, es waren nicht viele Stichpunkte zu machen; denn es gab leider nicht viele Hinweise.

Ich glaube,dass den meisten hier im Hause die Dimension dessen, was wir im Moment als Krise haben, nicht so ganz bewusst ist.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,25 % des privaten Vermögens in Deutschland und der Welt wurden in den letzten 15 Monaten vernichtet. Da gucken Sie,Herr van Ooyen.Wenn Sie es vorher verstaatlicht hätten, wäre das Geld jetzt weg.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Im Übrigen wurde es vorher versteuert. – Nur damit Sie die Dimension sehen. Ich will Ihnen eine weitere Zahl nennen, damit Sie wissen, worüber wir auch in Hessen reden.

Der Finanzminister sagt, dass der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland bei 6 % in diesem Jahr

liegt. Das lässt sich so leicht dahinsagen. Der höchste jemals gemessene Rückgang in einem Jahr seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland lag bei 1 %.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sogar bei 0,9 %, wir wissen das!)

Sogar unter 1 %. Richtig, Frau Wissler. – Das ist die Dimension, über die wir hier zu reden haben. Ich komme später darauf zurück, wie sich in der gesamten globalisierten Welt die Haushalte darauf einstellen mussten, wie es in Europa aussieht, wie es in Deutschland aussieht.

Da muss ich sagen: Das, was ich unter diesen Umständen heute von der Opposition gehört habe, finde ich provinziell und daher auch peinlich.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich will es gleich am Anfang abräumen. Herr van Ooyen, Sie haben mit Zahlen agiert, auch zur Möglichkeit, mehr Steuern einzunehmen. Sie haben mal eben behauptet, dass in Südhessen nur 5 % der Betriebe geprüft würden, in Nordhessen dagegen 12 %. Es ist genau umgekehrt richtig. In Südhessen unterstehen 95 % der Betriebe einer Lohnsteuersonderprüfung und 5 % nicht, während in Nordhessen 88 % geprüft werden und 12 % nicht. Sie sehen also, dass die Prioritäten hier richtig gesetzt werden und dass in diesem Bereich wirklich nichts mehr hereinzuholen ist.

Ich will auch sagen, es gibt keinen Grund zum Jubeln. Herr Kaufmann wirft uns bei Haushaltsdebatten immer gerne vor, wir würden den Finanzminister bejubeln.

Richtig ist, dass wir allen Anlass haben, dem Finanzminister und den Ministerien für ihre Arbeit bei der Haushaltsaufstellung Respekt zu zollen und Dank zu sagen. Wer sich einigermaßen vorstellen kann, unter welchen Umständen dieser Haushalt aufgestellt wurde – angesichts der Einsparungen, die der Finanzminister vorhin genannt hat, und angesichts der großen Probleme, die alle Einzelressorts haben, die Vorgaben und die Kürzungen bei den Sachausgaben zu bewerkstelligen –, der wird erkennen, mit welchem Respekt wir dieser Leistung entgegentreten sollten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Selbst der beste Finanzminister – der sitzt hier, das habe ich schon mehrfach gesagt – kann in einer solchen Situation keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Es wäre töricht, den Menschen zu versprechen, dass dies in den nächsten Jahren angesichts der Zahlen,die ich Ihnen noch nennen werde, die sich aus der Krise ergeben, möglich ist. Lassen Sie uns deshalb versuchen, den Ernst der Lage besser zu erkennen. Herr Kaufmann, das, was Sie in Ihrer Rede umzusetzen versucht haben,war ein Stück weit Kasperletheater.

(Janine Wissler (DIE LINKE):Wer ist hier der Kasper?)

Der Finanzminister und Leif Blum haben vorhin sehr eindruckvoll dargestellt, dass wir dieser Krisensituation zu Recht mit einer großen Zahl von Einzelaktionen begegnen, mit dem großen Paket an Sonderinvestitionen, mit hohen Investitionen im Haushalt selbst, mit dem Konjunkturpaket und der Haushaltskonsolidierung, die ich eben angesprochen habe. Der Kollege Blum hat auch damit recht: Das ist die richtige Reaktion auf die schwierige Finanzkrise.Wir sparen,wo wir können,aber wir sparen in

einer Phase, wo das kleine Pflänzchen Wirtschaftswachstums wieder zu erkennen ist, die Wirtschaft nicht kaputt.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich will Ihnen ein paar Maßnahmen nennen, und dann möchte ich von Ihnen hören, ob Sie anderer Auffassung sind. Wir investieren in Rekordhöhe. Wir investieren in die innere Sicherheit und zusätzlich in den Brand- und Katastrophenschutz.Verbesserung der Stellenausstattung der Polizei: 150 neue Kommissaranwärterstellen. Erneuerung des Fahrzeugbestandes der Polizei:Allein das kostet 20 Millionen c. Bildung und Wissenschaft: 650 neue Lehrerstellen zur Verbesserung der Unterrichtversorgung. Das kostet 21,5 Millionen c.Wir haben das Stichwort 105prozentige Lehrerversorgung sehr ernst genommen. Ganztagsangebote an Schulen: Das ist ein Verdienst der Landesregierungen seit 1999. 90 % der Kinder, die heute in Hessen in eine Ganztagsschule gehen, können sagen, dass sie das dieser Landesregierung verdanken,denn 1999 haben wir nichts dergleichen vorgefunden.

(Beifall bei der CDU)

Zu Recht ist das Thema Schulsozialarbeit angesprochen worden. Herr Schmitt, ich will an dem Thema gar nicht vorbeigehen, weil es töricht wäre, ein so wichtiges Thema einfach links liegen zu lassen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Es war richtig – warten Sie kurz, Frau Fuhrmann –, dass der Kultusminister im vergangenen Jahr gesagt hat: Wir testen das in zehn Schulen. – Er hat in Aussicht gestellt, dass künftig die Finanzierung zu einem Drittel flächendeckend durch das Land erfolgt.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es! Das war vor der Wahl!)

Nein, Frau Fuhrmann, das war niemals ein Wahlversprechen, sondern er hat im letzten Jahr angekündigt, dass er sich das wünschen würde, wenn die Haushaltslage es hergibt.

(Widerspruch der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Kultusminister Jürgen Banzer hat das – für eine Landesregierung erstmalig – so formuliert. Frau Fuhrmann, ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir 1999 eine landesfinanzierte Schulsozialpolitik von Ihnen übernommen hätten. Nein, das war eine Aufgabe der Kommunen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben das doch eingeführt! Es kommt doch von uns! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir halten das nach wie vor für eine sehr ernst zu nehmende Aufgabe. Ich muss da auch den Kollegen Irmer sehr in Schutz nehmen. Wir bemühen uns derzeit sehr intensiv um eine Lösung dieses Problems, weil wir ausdrücklich wollen, dass die Schulsozialarbeit in Hessen nicht nur durchgeführt, sondern auch gefördert wird. Das lassen wir uns von Ihnen nicht kaputtreden, gerade nicht in einer so schwierigen Finanzsituation des Landes.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Fuhrmann, wir haben das Hochschulbudget noch einmal um 27 Millionen c auf 1,4 Milliarden c erhöht. Das Hochschulbudget war, als wir 1999 die Regierung übernommen haben,bei unter 1 Milliarde c.Für das Landesstraßenbauprogramm sind 150 Millionen c vorgese

hen. Die LINKEN haben gesagt: Senkt die Mittel für den Landesstraßenbau. – Wir haben gesagt: Nein, wir wollen keine Straßen wie in der DDR.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der LINKEN)

Wir wollen eine vernünftige Infrastruktur in Hessen haben, denn das ist die Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land. Wir investieren auch in den Flughafen Kassel-Calden, weil die Region Nordhessen dringend auf eine Verbesserung der Infrastruktur angewiesen ist. Wenn wir dazu beitragen können, dass es in Hessen aufwärtsgeht, dann sind wir darauf stolz.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Auch die Mittel für den ÖPNV werden erhöht.Wir haben beim Ressort Arbeit, Familie und Gesundheit 30 Millionen c zur Verbesserung der Qualitätsstandards in Kindertageseinrichtungen eingesetzt. Für Maßnahmen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Energie gibt es zusätzlich Geld. Wir geben Mittel für die energetische Erneuerung der Infrastruktur der Kommunen in Höhe von 8,6 Millionen c – zusätzlich zu den Mittel aus dem Konjunkturpaket.Wir verbessern die Stellenausstattung in der Justiz.Im Bereich Kunst und Kultur bin ich sehr stolz darauf, wieder erwähnen zu dürfen, dass wir im nächsten Haushalt viel Geld für die Grube Messel zur Verfügung haben. Für das Kloster Lorsch und den römischen Limes haben wir insgesamt 8 Millionen c. Die Mittel für die Denkmalpflege erhöhen sich um 8,3 Millionen c. All das sind Maßnahmen, bei denen wir uns in diesem Hause einig sind.