(Demonstrativer Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das stimmt, aber das haben Sie gerade nicht gesagt!)
Ich will insbesondere – das habe ich eben angekündigt – auf diesen Aspekt der in den VGH-Urteilen beanstandeten Nachtflugregelung eingehen. Im uns bislang allein bekannten Tenor des fraglichen Urteils heißt es, dass das Ministerium, die Planfeststellungsbehörde, über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr und über den Bezugszeitraum der für die Gesamtnacht zugelassenen Flüge unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheiden müsse.
Meine Damen und Herren, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts handelt es sich um ein Bescheidungsurteil. Den Wert und den Inhalt eines Bescheidungsurteils kann man erst dann erkennen, wenn man die Rechtsauffassung des Gerichts kennt, und diese steht in der Begründung.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel. Günter Rudolph (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Die Rechtsauffassung des Gerichts zur Ausgestaltung der Nachtflugregelung, also die genauen Vorgaben des Gerichts, die in einer Neubescheidung zu beachten sind bzw. zu beachten wären, kennen wir noch nicht.
Deswegen führen wir die heutige Debatte, ohne die Entscheidungsgründe zu den Urteilen vom 21.August zu kennen. Meine Damen und Herren, gegenwärtig wird die Begründung noch geschrieben. Sie ist uns noch nicht zugestellt.
Das ist nicht peinlich, sondern meine grundlegende Überzeugung, und die unterscheidet sich fundamental von der Ihren.
Meine Damen und Herren, ich halte es für ein Gebot der Seriosität, die schriftliche Fassung des Urteils und das Vorliegen der Urteilsgründe abzuwarten. Erst nach Vorliegen der Urteilsgründe kennen wir die genauen Erwägungen und die tragenden Überlegungen des Gerichts. Erst dann wissen wir, welche rechtlichen Vorgaben das Gericht für eine Planergänzung macht.
Solange dies nicht existent ist, bin ich nicht bereit, einen Schritt zu gehen, der völlig verantwortungslos wäre.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Sagen Sie das einmal dem Herrn Hahn! – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist peinlich!)
Meine Damen und Herren, erst dann wissen wir übrigens auch genau, warum das Gericht in diesem Fall die Revision zugelassen hat. Erst nach Prüfung dieser gesamten Entscheidungsgründe können wir über die Frage der Revisionseinlegung seriös entscheiden.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber der Hahn will schon vor das Verfassungsgericht gehen! Ist das peinlich! – Zurufe der Abg. Günter Rudolph und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Alles, was wir heute über den Entscheidungstenor hinaus wissen, stammt aus der Presseinformation des Gerichts; auch in der mündlichen Begründung der Urteile im Rahmen der Urteilsverkündung wurde nicht mehr gesagt, als in dieser Presseinformation steht.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Erklären Sie das alles einmal dem Herrn Hahn!)
Sie werden – ich kenne das ja aus der zehnjährigen Diskussion – Ihre Vereinfachungsmaschine anwerfen und diffamieren. Aber wir werden uns davon nicht abhalten lassen, genau diesen Weg zu beschreiten, den ich aus rechtsstaatlichen Gründen für geboten halte.
Zu dieser Verantwortung gehört auch, keine Schnellschüsse zu machen.Zu dieser Verantwortung gehört auch, dass wir uns auf der Basis der mündlichen Urteilsbegründung unsere ersten Gedanken machen; und das, was wir gehört und in der ersten Presseinformation mitgeteilt bekommen haben, gemahnt mich zur Vorsicht.
Meine Damen und Herren, ich habe diese Diskussion über zehn Jahre lang mitverfolgt. Ich habe in dieser Diskussion bereits einmal Verantwortung übernommen, und ich habe mich ganz persönlich in viele rechtliche Fragen
Deswegen bin ich über eine Erklärung erstaunt,die in dieser Presseerklärung steht. Ich will das zitieren:
Der durch das Luftverkehrsgesetz gebotene Schutz der Nachtruhe werde durch den... Landesentwicklungsplan ergänzt und verstärkt.In der Begründung dieses Plans... werde dem Verbot planmäßiger Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr ein so erhebliches Gewicht beigemessen, dass daraus eine Abwägungsdirektive folge, die der Planfeststellungsbehörde kaum einen Spielraum für die Zulassung planmäßiger Flüge in der Mediationsnacht lasse.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau das wollten wir, Herr Posch! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da haben Sie doch zugestimmt!)
Ich sage Ihnen: Diese Aussage überrascht mich. Denn die Begründung des Landesentwicklungsplans, also die Begründung – lassen Sie mich das sehr genau sagen – einer untergesetzlichen Landesplanungsnorm, nicht einmal die Norm selbst, soll eine so gewichtige Wirkung entfalten, dass sie einer auf der Basis von Bundesrecht,nämlich dem Luftverkehrsrecht, und im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung handelnden Planfeststellungsbehörde für ihre fachplanerische Entscheidung keinen Ermessenspielraum mehr lässt.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Das wirft die Frage auf, ob Sie Ihr Versprechen jemals ernst gemeint haben! Das ist doch erbärmlich hier!)
Meine Damen und Herren, zum einen geht es um das Verhältnis von Landesplanung und Fachplanung, also um die Hierarchie und die rechtliche Funktion unterschiedlicher Planungsebenen. Ich weiß, das ist Ihnen unangenehm, denn ich werde Ihnen gleich die Konsequenzen darstellen. Zum anderen geht es um das Verhältnis von Landesrecht zu Bundesrecht. Konkret geht es um die Frage, ob exekutives Handeln des Landes im Auftrag des Bundes durch eine politische Willensbekundung des Landtags – kundgetan durch die Zustimmung des Landtags zu einer Rechtsverordnung – aufgehoben, beseitigt und ersetzt werden kann. Das ist eine rechtlich äußerst problematische Diskussion, die wir führen müssen.
Es geht mithin auch um die verfassungsrechtlich relevante Frage der Abgrenzung zwischen Exekutive und Legislative.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit den Entscheidungen zu Maßnahmegesetzen – Stichwort:Stendal – hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass exekutives Handeln aus den Gründen der im Grundgesetz festgeschriebenen Gewaltenteilung dem Parlament nicht zusteht.
Im vorliegenden Fall sollen Forderungen in der Begründung zum Landesentwicklungsplan Verwaltungshandeln so weit eingrenzen, beseitigen bzw. ersetzen, dass eine fachplanerische Abwägungsentscheidung nicht mehr zulässig sein soll? Meine Damen und Herren,dies ist eine im höchsten Maße verfassungsrechtlich relevante Frage. Ich glaube, das ist unstreitig. Wie sie entschieden wird, das ist eine andere Frage.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das haben Sie doch vorgeschlagen! Herr Posch, wir haben es doch hier eingebracht, damit es dieses Gewicht bekommt! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, das passt Ihnen vielleicht in Ihre derzeitigen politischen Überlegungen. Man könnte auch sagen: Das passt Ihnen jetzt in den Kram – weil Sie meinen, damit unsere gemeinsam politisch gewollten Absichten zum Nachtflugverbot umsetzen zu können. Dabei blenden Sie aber völlig aus, was passieren könnte, wenn diese Rechtsansicht – ich habe eben versucht, sie darzustellen – Grundlage anderer Planungsentscheidungen werden würde.