Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

sondern auch Hannelore Setton, die hier im Raum ist, die seit 47 Jahren in Okriftel lebt und dort leben will, mit der wir auch in der Sozialdemokratischen Partei engagierte Debatten über die Frage des Flughafenausbaus geführt haben, die strikt gegen den Ausbau ist und gesagt hat: Das Nachtflugverbot ist zwingend.

Ich will Ihnen sehr klar sagen, Herr Koch: Die sozialdemokratische Landtagsfraktion hat sich der Debatte mit den Anwohnern gestellt. Wir waren in der letzten Wahlperiode im Flörsheimer Wald. Dort habe ich weder Herrn Posch noch Sie gesehen,um sich mit den Bürgerinnen und Bürgern auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der SPD – Janine Wissler (DIE LINKE):Wir waren auch im Wald! – Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Damit komme ich zum Kern der heutigen Debatte, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu der Frage und der Formulierung von Herrn Posch:

(Clemens Reif (CDU): Haben Sie sich extra eine Besuchergruppe bestellt?)

Sie haben eben sehr wortreich versucht auszuführen, warum die Konstruktion über den Landesentwicklungsplan sehr kompliziert und verfassungsrechtlich schwierig ist, auch im Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erinnere mich sehr gut – das geschah mit unserer ausdrücklichen Zustimmung –, dass die Frage des Landesentwicklungsplans von den ausbaubefürwortenden Fraktionen auf Ihre

Initiative hin hier aufgerufen wurde, damit dieses Argument im Verfahren eingeführt werden kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hinterfragen Sie es selbst. Das ist doch absurd. Können Sie sich eigentlich noch im Spiegel anschauen?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen sich wie alle anderen, die die Hand für den Landesentwicklungsplan gehoben haben, die Frage stellen lassen: War das eine Schaufensterveranstaltung, oder war es von Anfang an das gezielte Interesse, das Mediationsergebnis zu hintertreiben?

(Petra Fuhrmann (SPD): So sieht es aus!)

Für die sozialdemokratische Fraktion stelle ich fest: Für uns war es weder das eine noch das andere. Wir nehmen den Landesentwicklungsplan als ein starkes Instrument im Verfahren, um das Mediationsergebnis umzusetzen. Das erwarte ich von allen anderen Fraktionen auch. Deswegen nutzt es nichts, Herr Posch, wenn Sie in aller Form versuchen, ein Durcheinander zu schaffen und mit vielen Teilaspekten zu beschreiben; dazu werde ich gleich noch einmal kommen.

Sie nehmen ausgerechnet die Windkraft, um zu erklären, warum das ein schräges Argument ist – wie gesagt: auf Ihre Initiative hin. Das Argument mit der Windkraft ist deswegen so schön, weil es genau um die Frage geht, wie wir das öffentliche Interesse bei großen Infrastruktureinrichtungen begründen. Deswegen haben Sie es eingeführt.Wir haben keine abschließende Festlegung im Landesentwicklungsplan vorgenommen – Herr Boddenberg war damals noch einer der Hauptbeteiligten auf der Unionsseite –, weil uns alle Sachverständigen in der Anhörung gesagt haben, dass das eine rechtswidrige Bindung der Planfeststellungsbehörde nach sich ziehen würde,dass es aber ganz sicher ein starkes Argument wäre.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht alle!)

Deswegen ist das, was Sie gerade an Popanz versucht haben aufzubauen, völlig daneben.

(Beifall bei der SPD)

Der entscheidende Punkt, den Sie ankündigen – das ist der Paradigmenwechsel in der Debatte –, ist: Sie gehen erstmals aktiv gegen das Versprechen an die Region für die Nachtruhe vor. Das ist der Skandal in der Debatte, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine neue Qualität. All Ihre juristischen Hinweise sind geeignet,in Forschungsseminaren aufbereitet zu werden. Das, was wir als ausbaubefürwortende Fraktionen wollten, was auch Herr Koch ebenso wie Herr Wagner, Herr Rentsch, Herr Posch, Herr Hahn und viele andere in diesem Haus wollten, ist durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs bestätigt worden, und zwar zu 100 %, nicht zu sieben Achteln. Der Verwaltungsgerichtshof sagt sehr klar: Die Nachtruhe muss kommen.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Deswegen erwarten wir von Ihnen die Umsetzung des Urteils.

(Beifall bei der SPD)

Sie werden entscheiden müssen, als wessen Anwalt Sie eigentlich nach Leipzig ziehen wollen, als Anwalt des Mediationsergebnisses oder als Anwalt von einzelnen, für sich genommen legitimen wirtschaftlichen Interessen – damit das auch klar ist.Es ist für Lufthansa Cargo ein Problem. Herr Boddenberg hat in unnachahmlicher Weise bei einem parlamentarischen Abend, ich glaube, im Jahr 2006 den damaligen Wirtschaftsminister Dr. Rhiel gestoppt,

(Günter Rudolph (SPD): Jawohl!)

als er genau dieses Aufschnüren versucht hat; und Herr Boddenberg hat gesagt, das wird nicht gehen. Deswegen: Wenn Ihr Wort gilt, dann erwarten wir von Ihnen, auf die Revision zu verzichten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Das müssen gerade Sie sagen!)

Der nächste Punkt, wo Sie versuchen, Durcheinander zu machen, ist die Bewertung der Entscheidung mit dem Hinweis darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof sich zu der Frage geäußert habe, ob der Landesentwicklungsplan das Bundesrecht zurückdränge. Der Verwaltungsgerichtshof argumentiert sehr sauber; in der Presseerklärung ist das nachzulesen. Er erklärt: Der erste Ausgangspunkt ist der Antrag der Fraport. Der Antragsteller selbst hat gesagt, er wolle das Mediationsergebnis umsetzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist dies in der Wechselwirkung mit dem Landesentwicklungsplan, mit den Setzungen, mit der Abwägung, mit den luftfahrtrechtlichen Bestimmungen möglich.

Ich sage Ihnen das auch deswegen in aller Klarheit, Herr Posch, weil es nicht in Ordnung ist, wenn Sie jetzt versuchen, sich in die Büsche zu schlagen – „Minister gab nie sein Wort“ –, und erklären, Sie hätten an den entscheidenden Abstimmungen in der FDP nicht teilgenommen.

(Günter Rudolph (SPD):Abenteuerlich!)

So einfach wird es nicht gehen. Sie haben eine Gesamtverantwortung für das, was Sie hier veranstalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann kommt sozusagen die zweite Schimäre, die Herr Posch gerade versucht hier aufzubauen. Das ist das, was schon seit einigen Wochen hinter den Kulissen im Busche ist: dass so mancher versucht, die Bundesregierung zu bewegen, jetzt zu intervenieren, genau mit diesen fadenscheinigen Erklärungen. Sie wissen – denn Sie sind eigentlich fachkundig –, dass das Bundesverkehrsministerium am 20. September 2007 ausdrücklich erklärt hat, der Bund will keine Aufhebung des Nachtflugverbots am Flughafen Frankfurt.

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Der Verweis auf das Luftfahrtsystem oder -konzept ist deswegen nicht hilfreich und abschließend, weil es nicht verbindlich ist. Es ist keine wirkliche Vorgabe. Deswegen schreibt das zuständige Bundesministerium völlig zu Recht, wie ich finde, am 12. Dezember 2007 an Ihren Amtsvorgänger – ich zitiere wörtlich aus Seite 2 –:

Die Betriebsregelungen für den Flughafen Frankfurt Main werden zur Kenntnis genommen. Für die Geltendmachung eines diesbezüglichen Bundesinteresses gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 Luftverkehrsgesetz sehe ich keine Veranlassung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen ein Geheimnis verraten. Ich habe vor zwei Stunden mit dem zuständigen Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums telefoniert. Das Bundesverkehrsministerium ist unter den derzeitigen politischen Mehrheiten nicht gewillt, von dieser Aussage Abstand zu nehmen. Es wird keine Intervention geben.Also bauen Sie hier keine Schimäre auf.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist auch Ihr Hinweis darauf, Sie fühlten sich vom Bund alleingelassen, ziemlich abenteuerlich. Wir erwarten, dass das von uns insgesamt gegebene Wort hält. Es gab dazu viele Möglichkeiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch weitere haben. Deswegen erwarte ich von Ihnen, dass Sie zur Besinnung und zu den Vereinbarungen mit der Region zurückkehren. Dabei kann man auch die Frage des Flughafensystems mit Frankfurt-Hahn noch einmal aufrufen und prüfen.

(Florian Rentsch (FDP): Oh Gott!)

Ich hatte gehofft, dass Sie so dazwischenrufen. – Denn das Flughafensystem Frankfurt-Hahn ist mit Ihren Stimmen in den Landesentwicklungsplan aufgenommen worden, aber nie abschließend geprüft worden. Deswegen erwarte ich von Ihnen, dass wir uns in dieser Frage erneut auf den Weg machen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Herr Hahn, der Zwischenruf ist legitim, dass wir uns mit Herrn Hering unterhalten sollen. Sehen Sie, die SPDLandtagsfraktion wird dazu am kommenden Dienstag die Gelegenheit haben. Wir haben ihn eingeladen, um genau diese Frage in Wiesbaden zu diskutieren.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Sehr gut, danke!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ein Glück!)

Die Position, die wir als ausbaubefürwortende Fraktionen bisher eingenommen haben, vergilbt. Sie vergilbt nicht, weil die Sozialdemokratische Partei diesen Konsens aufgekündigt hat, sondern weil ganz offensichtlich diese Regierungskoalition nicht gewillt ist, zu ihrem Wort zu stehen. Das ist jetzt eine politische Entscheidung, es ist nicht vorrangig eine juristische. Deswegen verstecken Sie sich nicht hinter Winkelzügen, sondern ich erwarte von Ihnen, nachdem der Verwaltungsgerichtshof uns in unserer politischen Auffassung bestätigt hat und damit die Abwägung ein neues Argument bekommen hat, dass das jetzt auch umgesetzt wird.

(Beifall bei der SDP)

Herr Koch, von Ihnen erwarte ich abschließend, dass Sie im Zweifelsfall Ihre Richtlinienkompetenz wahrnehmen.