Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht sein, dass die Arbeitnehmer immer die Zeche zahlen müssen und dass die Sanierung auch jetzt wieder auf dem Rücken der Beschäftigten vonstatten geht,die schon in den letzten Jahren enorme Einschnitte bei Opel hingenommen haben.
Herr Rentsch,Sie haben gesagt,„eine kleine Zahl von Arbeitsplätzen“ werde abgebaut.Wir reden von über 11.000
Arbeitsplätzen in Europa. Davon entfallen mindestens 4.300 Arbeitsplätze auf Deutschland. Mindestens – denn es gibt keine Auskunft von Magna darüber, wie viele Arbeitsplätze sie erhalten wollen.
Herr Rentsch, das sind 11.000 Existenzen, und es ist zynisch gegenüber den Menschen. Es lässt sich sehr leicht darüber reden, wenn man von den Entscheidungen nicht selbst betroffen ist. Wo sollen denn diese Menschen mitten in der Krise unterkommen? Das, was Sie hier sagen, finde ich zynisch.
Ich habe vorhin die Frage gehört:Wer soll die Kosten tragen? Ich frage zurück: Wer trägt denn die Kosten, die anfallen, wenn mindestens 4.300 Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren? Wer trägt denn die Kosten, die durch all die Folgewirkungen entstehen? Ich bin der Meinung, wir müssen diese Arbeitsplätze erhalten.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie mit der gleichen Anzahl von Menschen weniger Autos produzieren wollen, gibt es ein einfaches Mittel: Das nennt sich Arbeitszeitverkürzung.
(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Eine solche ökonomische Dummheit tut einfach nur weh! Das ist wirklich nicht mehr zu fassen! – Weitere Zurufe von der CDU)
Dann müssen Sie sagen, wer die Kosten trägt, die sonst entstehen. – Die Alternative ist, die Kosten für die Arbeitslosigkeit und für alles, was damit einhergeht, zu zahlen.
Deshalb sage ich: Die Bereitstellung von Steuergeldern muss an Bedingungen geknüpft werden. Es darf keine öffentlichen Mittel ohne öffentliche Kontrolle geben. In Niedersachsen gibt es ein VW-Gesetz, das dem Land Niedersachsen eine Sperrminorität bei VW zusichert. Das funktioniert gut, sogar mit einer schwarz-gelben Regierung.Warum sollte das in Hessen nicht funktionieren?
Magna ist ein Zulieferer, der größte Probleme hat; das habe ich bereits erwähnt. Die Sberbank hat in Zeiten der Finanzkrise ebenfalls große Probleme. Ich kann nicht glauben, dass die Probleme gelöst sind, wenn diese beiden Opel übernehmen. Ich glaube vielmehr, dass sich die Probleme potenzieren werden und dass wir den Bestand von Opel und die Sicherheit der Arbeitsplätze dadurch nicht garantieren können, zumindest nicht über die Bundestagswahl hinaus.
Ich stelle mir auch die Frage, warum die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht gemeinsam gehandelt haben. Der Herr Ministerpräsident sprach gerade von „deutschen Interessen“.
Ich frage mich:Wenn wir ein gemeinsames Europa haben, warum hat man dann nicht gemeinsam mit Belgien verhandelt? Warum hat man nicht gemeinsam, im Rahmen der Europäischen Union, Möglichkeiten gefunden, alle Standorte und alle Arbeitsplätze zu erhalten, statt sich von Unternehmen nach dem Motto „Wer am meisten
zahlt, wird auch die meisten Standorte behalten“ gegeneinander ausspielen zu lassen? Mir ist überhaupt nicht klar, warum man nicht europaweit zusammenarbeiten konnte, um diese Arbeitsplätze zu sichern.
Das zeigt mir auch, dass das Gerede über das vereinte Europa ganz schnell an Gehalt verliert, wenn es um handfeste Interessen geht.
Ich komme zum Schluss. Ja, wir wollen Opel retten. Ja, wir wollen die Standorte erhalten sowie die Arbeitsplätze sichern, und wir sind auch der Meinung, dass der Staat dafür Geld bereitstellen sollte.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, und wie? – Gegenruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU): Irgendwie!)
Aber wir brauchen ein dauerhaftes Konzept mit Maßnahmen, die nicht auf dem Rücken der Beschäftigten durchgeführt werden.
Herr Schäfer-Gümbel, ich bin der Meinung, dass es kein tragfähiges Konzept ist, wenn ein privater Investor bei Opel einsteigt.
Ich habe ausgeführt,was eine Alternative sein könnte und was in anderen Ländern durchaus funktioniert. Das wäre ein Konzept.
Aber tun Sie doch nicht so, als wären Sie ernsthaft daran interessiert. Es war doch keiner ernsthaft daran interessiert, über Alternativen zu reden. Hinter dem MagnaDeal – das ist auch bekannt – stecken Schröder und Putin.
Der russische Staat hat ein großes Interesse daran, seine Automobilindustrie konkurrenzfähig zu machen. Das ist das, was dahintersteckt.
Noch einmal: Wir wollen Opel retten. Aber wir wollen nicht, dass die Sanierung auf dem Rücken der Beschäftigten vonstatten geht.
Ich kann es nicht ändern.Es liegen zwei Wortmeldungen vor. – Es spricht zuerst der Kollege Al-Wazir, dann der Kollege Clemens Reif.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, diese Debatte wurde inhaltlich umso span
nender, je länger sie dauerte: Der Herr Ministerpräsident hat das Wort ergriffen und hat von diesem Pult aus einen Appell an das gesamte Haus gerichtet. Er hat gesagt, wir sollten uns auch einmal ein wenig freuen.
Dann setzt er sich hin, und ihm folgt der zuständige Fachminister und sagt, das Ganze sei ein Lehrstück, wenn es um die Frage gehe, ob man das in Zukunft noch einmal so machen sollte.
Herr Koch, ich glaube, Sie wissen, dass Sie das Problem haben, dass Ihr Fachminister ständig versucht, einen Eindruck zu erwecken,der dem widerspricht,was Sie hier seit Monaten versuchen.
Das ist eine verrückte Situation. Es ist Ihnen wahrscheinlich in Ihrer jetzt zehnjährigen Amtszeit noch nie so ergangen, dass SPD und GRÜNE verlässlicher an Ihrer Seite standen als Ihr eigener Koalitionspartner.
Herr Posch, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diese schöne Sendung vom 10.September 2009 – Maybrit Illner, Westerwelle, Künast und Gysi war, glaube ich, die Zusammensetzung – erwähnt haben. Ich sage ausdrücklich: Sie haben recht.Renate Künast hat dort die Frage gestellt, ob wir nicht nach dem 27. September 2009 bei diesem Thema unser blaues Wunder erleben. Es ist genau so, wie Sie es zitiert haben.
Ich will Ihnen jetzt auch sagen, warum diese Frage sehr berechtigt ist. Vorgestern war in der „Welt“ Folgendes zu lesen. Die Überschrift lautete: