Protokoll der Sitzung vom 17.09.2009

Deshalb hoffe ich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Opel, für das Management und für den deutschen Steuerzahler, dass das, was wir hier machen, richtig ist. Aber wir können nicht vom Rednerpult des Hessischen Landtags aus beschließen, dass das richtig ist. Dieser Sachverhalt ist so vielschichtig. Er hat eine europäische Dimension. Er hat eine unternehmerische Dimension. Es ist die Frage aufgeworfen, wie sich die bisherigen Kunden von Magna – einem Automobilzulieferer – verhalten werden.

Ich finde es schön, dass der Kollege Al-Wazir hier so froh und lustig sagt, das sei alles kein Problem. Herr Al-Wazir, das wird alles noch ein Problem. Wir sind der Hoffnung, dass es gut ausgeht. Aber so zu tun, als ob das alles unkompliziert sei, damit machen Sie es sich zu einfach.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb glaube ich, es ist richtig, dass wir diese Bauchschmerzen haben. Es ist auch richtig, dass wir weiterhin Bauchschmerzen in diesem Verfahren haben werden.Wir müssen mit höchster Sorgfalt und Sensibilität weiter vorgehen, weil es nicht sein kann, dass wir nur einen Blick haben. Natürlich ist es richtig, wenn möglich, die Arbeitsplätze zu retten. Aber es ist genauso richtig, die 4,5 Milliarden c Steuergelder zu retten, damit die nicht gezogen werden, gerade was die Bürgschaften angeht.

Deshalb noch ein Punkt zum Verfahren.Wir haben in der Sitzung am Pfingstsonntag nicht über die Frage abgestimmt, welcher Investor es nun wird. Der Haushaltsausschuss des Hessischen Landtags hat den Weg für eine Brückenfinanzierung frei gemacht. Hätte es diese nicht gegeben, hätte es überhaupt kein Investorenverfahren geben können.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir als Liberale haben uns gemeinsam mit der Union darauf verständigt, dass es zunächst einmal eine Begutachtung gibt, ob das, was Magna vorschlägt, überhaupt möglich ist.All diese Wege, diese Sicherheitsstrukturen haben wir eingezogen, weil wir eben nicht blindlings in dieses Verfahren gehen und sagen wollten, uns sei das egal.

Ich weiß nicht, was Ihr Vorwurf ist. Wie lautet denn Ihr Vorwurf? Dass wir Liberale beim Thema Steuergeld höchste Sensibilität an den Tag legen? Das erwarte ich eigentlich auch von den GRÜNEN.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum letzten Punkt. Frau Kollegin Wissler, Sie haben sich schon sehr früh für den Staatseinstieg bei Opel ausgesprochen.Wenn es nach den LINKEN ginge, hätten wir neben 30 Banken mittlerweile auch mehrere Automobilunternehmen, die der Bundesrepublik Deutschland gehören.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die USA haben 70 % von GM übernommen!)

Erstens. Der Staat ist nicht der bessere Autobauer. Es gibt kein Beispiel dafür, dass der Staat bessere Autos baut. Es gab einmal Autos aus Plastik. Die nannte man Trabant. Das hat nicht funktioniert.

Zweitens. Natürlich wird es auch bei Opel um den Abbau von Arbeitsplätzen gehen. Das ist bedauerlich. Aber ich sage Ihnen: Lieber eine kleine Zahl von Arbeitsplätzen abbauen, wenn eine große Zahl von Arbeitsplätzen gerettet werden kann. Das ist die Abwägung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): „Kleine Zahl von Arbeitsplätzen“? Das ist zynisch, was Sie hier sagen!)

Vielen Dank, Kollege Rentsch. – Das Wort hat der Kollege Schäfer-Gümbel von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal herzlichen Dank dafür, dass ich in dieser Aktuellen Stunde ein zweites Mal reden kann. Das ist in der Tat ungewöhnlich, wie diese Debatte insgesamt sehr ungewöhnlich ist. Sie ist erstens ungewöhnlich, weil ich den Eindruck habe, dass wir uns überwiegend zuhören. Das ist in diesem Hause nicht oft der Fall. Sie ist zweitens ungewöhnlich, weil, nachdem der Ministerpräsident für die Regierung gesprochen hat, der Wirtschaftsminister seine Sicht der Dinge erklärt hat.

(Zurufe von der SPD)

Ich sage das ohne jede Spannung. Ich finde, dass das eine Chance ist, weil wir in der Tat in einer Ausnahmesituation sind. In dieser Frage stimme ich dem Herrn Ministerpräsidenten abermals zu.Das,was hier passiert,auch über das Bürgschaftsrecht, ist nicht die Standardlösung in der Bundesrepublik Deutschland – und auch nicht in Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Reif, deshalb ist Ihr Hinweis auf die Verstaatlichungslösung, die unsererseits angeblich vorgeschlagen werden müsste, völlig absurd. Wir haben an einer Stelle gefragt – das ist hinter den Kulissen nicht nur bei uns diskutiert worden –, ob die Übernahme der GM-Anteile in der schwierigen, sehr konkreten Phase im März/April 2009, als die Frage der Insolvenz unmittelbar auf dem Tisch lag und wir über Stunden und nicht über Wochen und Monate redeten, also eine Treuhandlösung in öffentlicher Verantwortung, unseren Druck auf die Konzernzentrale in den USA erhöhen könnte. Daraus eine VEBVariante zu machen, das ist ein unredlicher Teile der Debatte, Herr Reif.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage das hier deshalb, weil der Beitrag des Herrn Ministerpräsidenten die Möglichkeit gegeben hat, noch einmal über die grundsätzlichen Fragen zu reden,die mit dieser Entscheidung zusammenhängen. Einer der wesentlichen Gründe, warum wir uns auf den Weg gemacht haben – ungeachtet dessen, dass jedes Unternehmen in Hessen, ob groß, ob klein, ob mittel, das Recht hat, Bürgschaften zu beantragen, somit gilt dieses Recht natürlich

auch für Opel –, war die Frage:Wie sieht ein zukunftsfähiges Konzept aus? Da will ich ein paar Bilder brechen, z. B. dass Opel schlechte Autos gebaut habe. Das war nicht das zentrale Problem. Es gab in der Tat einen Konflikt zwischen den Europäern, die eine andere Modellpolitik betreiben wollten, als das in den USA in der Konzernzentrale gewollt wurde. Da haben sich die Europäer jetzt Gott sei Dank durchsetzen können, weil sie technologisch weiter sind. Das ist doch das dicke Pfund von Opel Europa, dass das Technologiezentrum, das Entwicklungszentrum der neuen Fahrzeuge hier – das ist sozusagen unser Superbenefit – in Hessen steht. Das hat auch etwas mit Elektromobilität zu tun, das hat etwas mit kleineren Fahrzeugen zu tun, das hat mit besserer Fahrzeugtechnik, mit höherer Fahrzeugsicherheit zu tun.

Diesen technologischen Vorsprung wollten wir sichern – in dem Wissen, dass das alles schwierig ist, weil die Bürgschaftslösung, die wir gewählt haben, im Kontext der Situation zu sehen ist, dass die Automobilindustrie insgesamt – nicht Opel allein – vor einer unglaublich großen Herausforderung steht, wenn es zutrifft, dass wir Überkapazitäten in der Automobilproduktion von bis zu 20 % haben. Das wird enorme Auswirkungen auf die Produktion und Entwicklung im Automobilbereich in den nächsten Jahren haben. So verstehe ich im Übrigen auch die eine oder andere Einlassung, sowohl von VW als auch von BMW in den letzten 48 Stunden. Sicherlich hätte es der eine oder andere gerne gesehen, einen Konkurrenten auf dem Markt auf diesem Weg loszuwerden. Da haben wir aber gesagt: So spielen wir das Spiel nicht.

Damit komme ich zur Frage der Überbrückungsfinanzierung, Herr Rentsch, denn die von Ihnen betriebene Geschichtsklitterung lasse ich nicht zu. Das ist auch der Punkt, wo ich mich, zumindest bis vor zwei Minuten, mit dem Ministerpräsidenten in den letzten Monaten einig sah. Wir haben eine Drucksituation aufgebaut, indem wir gesagt haben,die Geschäftsgrundlage für die Bürgschaftsentscheidung, für den Überbrückungskredit und das, was danach folgen kann, ist das Magna-Konzept, ist die Entscheidung für einen Industriepartner. Sie haben ja mit einem Gutachten prüfen lassen, ob das plausibel ist, was Magna angeboten hat. Die Bürgschaftsentscheidung stand nicht im luftleeren Raum, sondern sie war sehr konkret,weil wir gesagt haben,das ist ein Partner,mit dem wir arbeiten können. Deshalb waren Ihre beiden Arbeitskreise im Sommer bei Magna.

Natürlich gab es Begleitmomente, die ebenfalls dazu beigetragen haben, die Situation zu stabilisieren. Ich weiß, dass die Umweltprämie bei der FDP kritisch diskutiert wird, aber die Große Koalition hat sie beschlossen. Die Prämie hat Opel ein Plus von etwa 40 bis 45 % gebracht. Natürlich hat auch das eine Stabilisierung bewirkt. Lassen Sie uns deswegen keine Spielchen spielen, die unwürdig sind und auch nicht weiterhelfen.

Damit komme ich in der Tat zu den politischen Bewertungen, zum Spiele spielen. Es sind verschiedene Spiele gespielt worden. Ich rede jetzt nicht über das Spiel zwischen Opposition und Regierung.Wir haben uns sehr bewusst an ganz vielen Stellen öffentlich nicht geäußert. Dieses Parlament kann sich doch ans Revers heften, dass wir in hoher Verantwortung gegenüber der Problemlage gemeinsam versucht haben, das hier sehr ordentlich zu handhaben, auch in den letzten Monaten. Die Spiele sind an anderer Stelle gespielt worden. Die haben natürlich etwas mit der Bundestagswahl zu tun, mit personellen Besetzungen. Bei dem Spiel zwischen Herrn zu Guttenberg

und Herrn Koch sind meine Sympathien ziemlich klar verteilt gewesen.

(Florian Rentsch (FDP): Und was ist mit Herrn Franz?)

Ich komme gleich dazu. Herr Franz wird im Zusammenhang mit Herrn Hahn gleich eine Rolle spielen.– Aber das Spiel, das Herr zu Guttenberg gespielt hat, gehört in der Tat zur Wahrheit. Er hat im Prinzip versucht – vielleicht aufgrund regionaler Interessen oder Personenkonstellationen, die etwas mit Fiat und Co. zu tun hatten, weniger aus politischer Überzeugung –, eine Insolvenz herbeizuführen, während wir versucht haben, eine Stabilisierung zu erreichen. Dieses Spiel ist hinter den Kulissen geführt worden. Ich habe, zumindest dort, wo ich das tun konnte, gesagt, dass meine Sortierung bei dem Spiel – auch wenn sich ansonsten meine politische Sympathie für Roland Koch in Grenzen hält, wie jeder weiß – sehr klar war, weil es um die industriepolitische Gesamtverantwortung ging, die Herrn zu Guttenberg ziemlich egal war.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Punkt, wo Sie, Herr Hahn, zu einem Teil des Ärgerlichen in dieser Situation werden. Es ist nicht so, dass Sie eine andere Position haben; aber ich verstehe nicht, wieso Sie zwei Tage, bevor die wirklich schwierigen Entscheidungen gefallen sind, sich in der Weise geäußert haben. Ich teile abermals die Einschätzung von Herrn Koch, dass viele nur darauf gewartet haben, dass wir als Dummköpfe dastehen, weil wir versucht haben, etwas zu gestalten, und damit gegen die Wand gefahren sind, und dass es vielen völlig egal war und ist, was mit den Beschäftigten bei Opel passiert. Es war der blanke Zynismus, der in der Debatte eine Rolle gespielt hat, aber dieser Zynismus findet seine Spitze darin, dass der stellvertretende Ministerpräsident, der zuvor an den Entscheidungen beteiligt war, zwei Tage vor der Entscheidung erklärt: Das war – so ist Ihre Standardformulierung in solchen Fällen – „nicht klug“, sich für Magna zu entscheiden. – Ich bleibe dabei: Wenn wir es Ihnen, der FDP und vor allem Herrn zu Guttenberg überlassen hätten, dann würde es Opel heute nicht mehr geben. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rentsch?

Nein. – Ich muss den Herrn Ministerpräsidenten heute ständig loben. Ich verspreche Ihnen, das ist ein Sammelpaket, das wird in Zukunft nicht mehr so oft passieren.

(Heiterkeit)

Ich muss den Ministerpräsidenten nochmals loben, denn ich teile auch seine Ausführungen, mit denen er, aus meiner Sicht zutreffend,den Beitrag der Gewerkschaften und von Klaus Franz beschreibt.

Was ist die Antwort der hessischen FDP, besser gesagt: ihres Landesvorsitzenden? Sie haben Herrn Klaus Franz gesagt – ich erkläre noch einmal, ohne den wären wir gar nicht so weit gekommen –, auch sein Verhalten sei nicht klug gewesen.

Herr Hahn,ich sage Ihnen in aller Offenheit:Wir haben in dieser Phase nicht die Problemsucher und Rechthaber gebraucht, sondern wir haben die Problembewussten und die Gestalter gesucht. Deswegen waren Sie nicht Teil der Lösung.

(Beifall bei der SPD)

Damit will ich zum Abschluss kommen. In der Tat ist das eine Ausnahmesituation; darin stimme ich mit allen Zwischenrufen überein, auch mit denen von Herrn Posch. Das ist nicht die Standardlösung, die wir auf alles anwenden. Aber wenn Sie fordern, dass man die Spiele lässt, bitte ich Sie wiederum – denn ich bin sehr dafür, dass wir hier Ruhe einkehren und die Leute ihre Arbeit machen lassen –, dass die Stänkereien aus der zweiten Reihe aufhören. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

(Peter Beuth (CDU): Rosa Wissler!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal einige Punkte klarstellen.

Erstens. Es ist nichts unter Dach und Fach. Die Situation hat sich seit Ende Mai nicht grundlegend geändert. Das Einzige, was sich geändert hat, ist, dass jetzt nur noch ein Bieter im Verfahren ist. Aber die Verhandlungen beginnen jetzt erst. Sie sind nicht abgeschlossen.

(Volker Hoff (CDU): Haben wir verstanden!)

Wenn man sich die Bedingungen anschaut, die GM stellt – die Opel gar nicht verkaufen wollen, sondern müssen, weil sie sich die Sanierung selbst nicht leisten können –, erkennt man, dass sie einigen Zündstoff enthalten. Vier von acht Vorstandsposten zu stellen, ein Rückkaufsrecht zu haben – all das sind Bedingungen,bei denen überhaupt nicht klar ist, ob Magna darauf eingehen kann. Es sind auch Bedingungen, die diese Verhandlungen zum Scheitern bringen können. Das wird dann sicherlich nach der Bundestagswahl sein. Aber ich finde es wichtig, dass wir eine Lösung haben, die länger hält als bis kurz nach der Bundestagswahl.

Zweitens. Ich frage mich immer noch: Was hat denn die Regierung davon abgehalten, im Gegenzug Bedingungen zu stellen, wenn sie Staatsgarantien in Höhe von 4,5 Milliarden c bereitstellt? Warum kann man dafür nicht die Bedingung stellen, dass die Arbeitsplätze und die Werke an allen Standorten erhalten bleiben?

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht sein, dass die Arbeitnehmer immer die Zeche zahlen müssen und dass die Sanierung auch jetzt wieder auf dem Rücken der Beschäftigten vonstatten geht,die schon in den letzten Jahren enorme Einschnitte bei Opel hingenommen haben.