Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

zige Partei in Deutschland unmissverständlich und unbeirrt an der deutschen Einheit festgehalten hat, auch zu einem Zeitpunkt, als dies nicht opportun war.

(Beifall bei der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Gegen führende Sozialdemokraten! – Zuruf des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

Ich will nicht an das SED/SPD-Papier erinnern. Ich erinnere an die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft, an Lafontaine, der von der Wiedervereinigung als der Lebenslüge der Nation gesprochen hat. All dies ist Geschichte. Es gehört aber auch zur deutschen Geschichte. Deshalb darf es nicht in Vergessenheit geraten.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Jahren und Monaten eine Reihe von Initiativen gemeinsam gestartet: in Gedenken an den 17. Juni 1953, den Mauerbau am 13.August 1961.Wir haben das Thema Aufarbeitung der DDR-Geschichte gemeinsam erörtert,Lehrerhandreichungen – dies alles gemeinsam. Das ist richtig und gut so. Ich finde, wir sollten darüber nachdenken, wie es die Kultusministerkonferenz angeregt hat, den 9. November, den Tag des Mauerfalls, grundsätzlich zu einem Projekttag an Schulen zu machen. Ich halte das für eine gute Idee, um damit die Erinnerungskultur zu vertiefen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Heute haben wir einen weiteren Antrag, in dem wir nicht nur den Bürgern, sondern auch den Schülern empfehlen, Gedenkstätten und Museen zu besuchen. Ich halte dies auch für notwendig. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die im Kern zu dem gleichen Ergebnis kommen: Es gibt Defizite bei den Kenntnissen. Erich Honecker wird von Schülern teilweise als der zweite deutsche Bundeskanzler betrachtet. Die Stasi war für manche Jugendliche ein normaler Geheimdienst.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Schüler glauben, dass Einkommen und Vermögen in der DDR gleich verteilt waren. 25 % sind der Auffassung, dass Willy Brandt ein DDR-Politiker war. 50 % wissen nicht, wer die Mauer errichtet hat.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, das ist kein Vorwurf an die Schüler. Es liegt an uns, den Älteren, unseren Teil dazu beizutragen, dass wir die jungen Leute aufklären. Genau das wollen wir mit diesem Antrag in letzter Konsequenz auch leisten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Bundespräsident Horst Köhler hat vor einem Jahr öffentlich mehr Aufarbeitung der DDR-Geschichte in der Schule gefordert. Der ehemalige Bundesminister Tiefensee hat erklärt, dass es für ihn überhaupt nicht nachvollziehbar sei, dass die Mauerbefürworter in demagogischer Weise die DDR und das SED-Regime verharmlosen. Er hat die rhetorische Frage gestellt: „Haben wir nicht einen Grund zum Feiern, haben wir nicht Großartiges geleistet?“, so Wolfgang Tiefensee.

Ja,wir haben in der Tat Großartiges geschaffen.Wir haben die Unfreiheit beseitigt – friedlich. Wir haben die Pressezensur und die Diktatur des Proletariats beseitigt.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig! – Zurufe der Abg. Kordula Schulz-Asche und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben die Mangelwirtschaft beendet, die Umweltzerstörung, den Raubbau an der Natur beendet, die Zweiklassengesellschaft beendet,und wir haben in letzter Konsequenz den Menschen die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Reisefreiheit zurückgegeben – die Freiheit und Würde schlechthin zurückgegeben. Deshalb können wir froh und dankbar sein und haben wir Anlass zur Freude und zur Feier für das, was geleistet worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, damit sich Diktaturen nicht wiederholen, brauchen wir eine Erinnerungskultur. Das ist so. Dazu gehören Besuche in Gedenkstätten, Museen, wie Point Alpha, Rasdorf, Bautzen, Hohenschönhausen. Sie alle zeigen uns das Gesicht einer Diktatur.

Meine Damen und Herren, es ist richtig und gut, dass wir in Deutschland viele Gedenkstätten haben, die an die Nazidiktatur erinnern. Aus 20-jähriger Tätigkeit im Schuldienst habe ich Erfahrungen gesammelt. Ich war mit meinen Schülern der Gemeinschaftskundekurse oder des Fachs Gesellschaftslehre häufig in Konzentrationslagern, natürlich theoretisch vorbereitet im Unterricht. Das Theoretische ist das eine. Das Sehen ist das andere.Wenn Sie dann erleben, wie junge, fröhliche Menschen in Richtung eines Konzentrationslagers, einer Gedenkstätte gehen, ob Dachau, ob Buchenwald, ob Plötzensee, ob Struthof, egal wo: Sie werden ruhiger. Es gibt eine Führung, zwei Stunden, drei Stunden, und sie kommen heraus. Sie sind ruhig, ganz schweigsam, nachdenklich, manche mit Tränen in den Augen. Das ist das pädagogische Prinzip der Betroffenheit. Genau das wollte ich mit diesem Beispiel bei meinen Schülern erreichen.Meine Damen und Herren,genau das wollen wir in dem anderen Fall ebenfalls erreichen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich möchte weder in Deutschland noch irgendwo sonst in Europa wieder eine braune Diktatur haben. Ich möchte aber auch genauso wenig eine dunkelrote Diktatur. Deshalb lohnt sich der Einsatz für Freiheit, Frieden und Demokratie.Ich will an dieser Stelle auf die inhaltliche Übereinstimmung zwischen der NPD und der kommunistischen Linksfraktion nicht näher eingehen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist eine Unverschämtheit!)

Die einen wollen den Nationalsozialismus, die anderen den demokratischen Sozialismus.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist ein Unterschied!)

Sozialismus ist in letzter Konsequenz aber immer schlecht. Oder andersherum formuliert: Marx ist Murks, schlicht und ergreifend.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir brauchen die Gedenkstätten.Meine Damen und Herren, wir müssen an die 1.000 Mauertoten erinnern. Ich erinnere an Erich Honecker, der erklärt hat: Genossen, die die Schusswaffe erfolgreich angewandt haben, sind zu belobigen. – Wir müssen an die Menschen erinnern, die ermordet wurden, weil sie in Freiheit leben wollten, an die 420.000 Terrorurteile des SED-Staatsapparates gegen die

eigene Partei, gegen die eigenen Bürger. Ich erinnere an die DDR-Generalstaatsanwaltschaft, die erklärt hat, der Richter in der DDR muss ein verlässlicher politischer Funktionär sein. Mit anderen Worten: wie bei den Nazis die Justiz im Dienste der herrschenden SED-Nomenklatura.

Ich erinnere an die 60.000 SM-70-Selbstschussanlagen,die Menschen mit Metallstücken zerfetzt haben, an die Blockwarte, ähnlich wie bei den Nazis, an die hauptamtlichen Stasifunktionäre, die IMs usw., an die über 33.000 Menschen, die von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft wurden oder, anders formuliert, die von der DDR verkauft wurden, um Devisen zu erhalten.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig!)

Es waren 33.000 Menschen, für die wir pro Person zwischen 40.000 und 90.000 DM ausgegeben haben, damit sie in die Freiheit kommen konnten. Ich erinnere an politische Gefängnisse, an Einzelhaft, Folter, staatlichen Auftragsmord, manipulierte und gefälschte Wahlen. Meine Damen und Herren, deshalb darf es auch keine Relativierung der damaligen Zustände geben, keine Relativierung der Verbrechen, der Verantwortlichkeiten, keine Verharmlosung oder Weichspülung.

Kollege Greilich hat in der letzten Plenardebatte zum Thema Rot-Rot-Grün in einer wirklich vorzüglichen Rede über die wahren Ziele der SED-Nachfolgepartei DIE LINKE an dieser Stelle gesprochen.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Es ist völlig inakzeptabel, wenn ein Wahlfälscher wie Hans Modrow der Bundesrepublik Deutschland die Mitschuld an der innerdeutschen Grenze gibt, oder wenn Sahra Wagenknecht,die im letzten Jahrhundert stehen geblieben ist,

(Günter Rudolph (SPD): Das sagt der Richtige! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie treffen sich im letzten Jahrhundert!)

erklärt, die DDR war nicht undemokratischer als die Bundesrepublik Deutschland, oder Herr Ramelow, der zumindest zeitweise erklärt hat, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen.

Herr Kollege Irmer, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist eine Verhöhnung aller SED- und Stasiopfer.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident, deshalb sage ich abschließend: Mit diesen Feinden der Freiheit macht man als demokratische Partei keine gemeinsame Sache.

(Zurufe der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Toleranz muss da aufhören, wo Intoleranz beginnt.

Ich möchte mit einem Zitat von Jutta Fleck schließen, die auf die Frage,was sie motiviert habe,den Kampf gegen die Diktatur aufzunehmen, erklärt hat:

Der Wunsch,in Freiheit leben zu können und in Demokratie. Dafür sollte man jeden Tag kämpfen. Auch wenn das für junge Menschen so aussehen mag: Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit.

Und sie hat recht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Kollege Irmer. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Abg. Sorge, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gemeldet.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Herr Irmer,es wäre heute Morgen Anlass zum Feiern gewesen, im historischen Gedenken an 1989. Aber Sie haben es mit Ihrer Rede wirklich vermasselt.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Volker Hoff (CDU):Wieso eigentlich? Das ist eine Unverschämtheit!)

Ich muss schon sagen, dass es wirklich bis an die Grenze des Erträglichen geht, dass Sie hier verlangen,