Ich muss schon sagen, dass es wirklich bis an die Grenze des Erträglichen geht, dass Sie hier verlangen,
(Volker Hoff (CDU): Das ist einer Vizepräsidentin unwürdig, was Sie hier abliefern! – Glockenzeichen des Präsidenten)
aber gleichzeitig selbst in Ihrer Rede mehrfach Relativierungen des NS-Regimes vornehmen. Das ist eine Schande.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Axel Win- termeyer (CDU): Unglaublich! Das ist eine Frechheit! – Volker Hoff (CDU): Sie sollten sich schämen! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist einer Vizepräsidentin nicht würdig! – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Kollege Dr. Wagner, Herr Kollege Hoff, wenn Sie sagen, es ist einer Vizepräsidentin nicht würdig, was ich hier tue, dann kann ich Ihnen nur sagen: Ich finde, es ist meine Aufgabe als Vizepräsidentin dieses Landtags, bei Relativierungen der NS-Vergangenheit hier das Wort zu ergreifen. – Herzlichen Dank.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der CDU)
Meine Damen und Herren, ich bitte, sich wieder etwas zu beruhigen. Frau Kollegin Sorge hat hier als Abgeordnete gesprochen.
Herr Kollege Hoff, ich darf auch Sie bitten, sich wieder etwas zu beruhigen. Das schaffen Sie doch auch, wenn es darauf ankommt.
Meine Damen und Herren, ich stelle jetzt noch einmal fest: Die Frau Kollegin Sorge hat hier als Abgeordnete in einer Kurzintervention gesprochen.
(Volker Hoff (CDU):Sie ist aber Vizepräsidentin! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):Was soll das jetzt hier?)
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Volker Hoff (CDU): Sie fährt mit einem Dienstwagen herum! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Unglaublich!)
(Volker Hoff (CDU): So eine Frechheit! – Gegenruf des Abg. Manfred Görig (SPD): Herr Kollege, könnten Sie jetzt aufhören? – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, könnten Sie einmal den Abg. Hoff genauer in Augenschein nehmen und zuhören, was er hier zwischenruft? Irgendwann reicht es!)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Kollege Quanz für die SPD-Fraktion. Machen Sie es mir doch nicht so schwer. Es sprechen hier Abgeordnete, auch wenn sie in anderer Funktion Vizepräsident sind, sowohl die Frau Kollegin Sorge als auch der Kollege Quanz. Ich sitze auch hier oben.
Wir versuchen, zu hören, was von allen Seiten gerufen wird. Das ist manchmal von allen Seiten nicht ganz appetitlich. Deshalb verstehen wir auch manches nicht. Aber wenn wir etwas hören, dann werden wir schon darauf eingehen, Herr Kollege Al-Wazir. – Jetzt bitte ich Sie, dem Kollegen Quanz zuzuhören.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht ist gerade dieses Thema als Letztes angesagt, dass wir ein schlechtes Beispiel für politische Kultur geben.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Hoff (CDU): Das kann man laut sagen, Frau Sorge!)
Völlig neutral. – Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, zum ersten Satz Ihres Antrags: Er greift erstens im Thema viel zu kurz, und zweitens ist er in seiner Empfehlung viel zu schwach.
Er greift deshalb zu kurz und ist deshalb inakzeptabel, weil selbstverständlich, Herr Irmer, die Gedenkstätten und Museen zur Erinnerung an den Holocaust und den
Das geschichtlich später folgende Unrechtsregime der DDR ist auch eine Folge des Faschismus. Auch deshalb muss Erinnerungskultur selbstverständlich beide dunklen Kapitel der deutschen Geschichte beinhalten,
Es gibt keinen Streit um das grundlegende Ziel, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten.Die Lehre daraus ist: nie wieder Faschismus, nie wieder Diktatur, nie wieder Krieg.
Auch für die Erinnerungskultur an das zweite Unrechtsregime auf deutschem Boden gilt es Erinnerungen wachzuhalten. Auch da darf es keine Schönfärbung geben, keine Romantisierung. Die DDR war ein Unrechtsstaat, ohne Wenn und Aber.
Es sollte auch keinen Streit geben über das grundlegende Erziehungsziel, frei nach Hartmut von Hentig: die jungen Menschen stärken und die Sachen klären. – Genau darum muss es auch bei dem Antrag gehen, dass wir unsere Gedenkstätten – sowohl Gedenkstätten gegen die Nazityrannei als auch Gedenkstätten, die an Zwang, Unterdrückung und Bespitzelung in der SED-Diktatur erinnern – als außerschulische Lernorte etablieren.
Wir wollen junge Menschen stärken gegen jede Form von Ideologie, sie stark machen für die grundlegenden Werte, an denen sich gesellschaftliches Zusammenleben zu orientieren hat. Wir wollen auch die Sachen klären, nämlich informieren, die jungen Menschen aufklären über Zeiten der Barbarei,über die Zeiten der Unfreiheit,die so möglichst für die Zukunft ausgeschlossen sein müssen.
Dann reicht es eben auch nicht, nur Empfehlungen an Schülerinnen und Schüler zu geben, eine Gedenkstätte zu besuchen, sondern wir wollen, dass es zum Pflichtkanon aller Schulen gehört, dass alle Schülerinnen und Schüler im Verlauf der Schulzeit mindestens eine Gedenkstätte mit Erinnerung an die Nazidiktatur und eine Gedenkstätte, bezogen auf die deutsche Teilung, besuchen sollen.
Wider das Vergessen ist eine zentrale Aufgabe. Mit zunehmender Geschichtswerdung fehlt persönliche Betroffenheit, fehlen die Älteren, die uns erzählen können, wie das war. Weil uns demnächst Zeitzeugen fehlen werden, bedarf es Zeugnissen der Zeit, damit die Erinnerungen nicht verblassen. Deshalb ist es notwendig, Erinnerungsstätten zu unterhalten, ist es notwendig, Betroffenheit herzustellen, ist es notwendig, authentische Orte didaktisch und historisch so zu präsentieren, dass nachvollziehbar und erfahrbar ist, welche Dimensionen der Holocaust für das deutsche Volk, für die Juden in ganz Europa, für viele diskriminierte, verfolgte und letztlich auch getötete weitere ethnische, weltanschauliche oder sogenannte rassische andere Gruppen hatte.
Man muss einmal in Hadamar gewesen sein, um nachvollziehen zu können, wie sich ein Regime über die Schöpfung setzte, wie Leben eingeteilt wurde in sogenanntes wertvolles und sogenanntes minderwertiges Leben. Man muss spüren, wie Menschen als minderwertige Kreaturen zusammengepfercht, anschließend vergast und verbrannt wurden. Nur dann werden das ganze Ausmaß der Menschenverachtung dieses Regimes und die ganze Barbarei deutlich.
Ich sage auch,es gibt keine Gleichsetzung mit dem,was im Dritten Reich geschah. Gleichwohl bleibt es Unrecht, was das Verhindern von grundlegenden Freiheiten durch die SED-Diktatur angeht, bleibt es Unrecht, dass ein Staatsziel die Bespitzelung der Bürgerinnen und Bürger war, dass ein Schießbefehl existierte, dass über 1.000 Menschen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zu Tode kamen, weil sie die Freiheit wählen wollten, weil sie von Deutschland nach Deutschland wollten.
Ich will ein Zweites anfügen,das auch hinzugehört,um die Komplexität von Geschichte anschaulich zu machen, um die Geschichte differenzierter wahrzunehmen. Dann müssen neben dem Schrecklichen, neben dem Menschenverachtenden auch Zeichen der Hoffnung sichtbar und erlebbar gemacht werden.
Denn auch das kann an Orten mit einem Erinnerungsauftrag deutlich gemacht werden:Zeichen der Hoffnung.Dabei geht es gerade auch um die Geschichte des Widerstands im Dritten Reich. Da geht es auch darum, dass die Widerstandskämpfer noch viel zu lange als Verräter bezeichnet werden durften.
Es ist zentral wichtig, die Geschichte des Widerstandes aufzuzeigen, weil es diese Männer und Frauen waren, die dem deutschen Volk ein Stück seiner Würde zurückgegeben haben. Es ist wichtig, an sie zu erinnern, weil diese Menschen gezeigt haben:Widerstand war und ist möglich, auch in Zeiten totaler Unterdrückung. Es war möglich und notwendig, den Kampf für die Freiheit aufzunehmen, weil letztlich die Freiheit immer auch den Kern des Sieges in sich birgt.
Deshalb spielen die Geschichte und der großartige Erfolg der Bürgerrechtsbewegung in der ehemaligen DDR auch für uns eine wichtige Rolle. Das waren Menschen,Vorbilder, die in einer Zeit der Erniedrigung den aufrechten Gang als ihr Motto gewählt haben, die zu einer Zeit auf die Straße gingen, als es noch gefährlich war, die mitteilten, dass letztlich das Volk und nicht eine Clique einer Partei zu bestimmen hat. Es gilt auch, zu zeigen, mit welchen Motiven, mit welchen Werten die Bürgerrechtsbewegung die Grundlagen für eine friedliche Revolution geschaffen hat, an deren Ende der Fall der Mauer am 9. November 1989 stand.Außerdem gilt es, zu zeigen, mit welch großer Freude Millionen von Menschen diesen Tag feierten.Wenn wir dies tun,dann haben die Bürgerrechtler tatsächlich die historische Größe, um für uns alle Vorbilder in einer aktiven Bürgergesellschaft zu sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU, der FDP, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)
Nun etwas zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen.Herr Irmer,dazu haben Sie fast gar nichts gesagt, aber das ist eigentlich der Kern des Antrags.