Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Insgesamt kann ich nur dazu aufrufen,dass wir es schaffen müssen, von Hessen aus ein Signal zu setzen, dass Einnahmen gesichert werden.Wir haben heute Morgen darüber gestritten, wie wir es schaffen können, den hessischen Landeshaushalt auszugleichen. Das werden wir nur hinbekommen, wenn wir auch an verantwortlicher Stelle in Berlin dafür sorgen, dass die Einnahmen des Bundeshaushalts insgesamt nicht wegbrechen.Da erwarte ich mir von den Regierungsfraktionen dieses Hauses einen wertvollen Beitrag und nicht, dass sie dazu beitragen, dass der im Wahlkampf angekündigte Steuersenkungswettbewerb jetzt noch weiter fortgesetzt wird, sondern dass wir zu vernünftigen Lösungen kommen, die die Steuereinnahmen sichern und dafür sorgen, dass wir das Steuerrecht insgesamt modern weiterentwickeln. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Nun hat sich Frau Kollegin Wissler zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Erfurth, ich möchte einmal kurz anmerken, dass es einen Unterschied dazwischen gibt, ob etwas realistisch oder durchsetzbar ist. Ich will noch einmal sagen, dass das, was wir fordern, durchaus realistisch ist. Es ist realistisch, in Deutschland eine Börsenumsatzsteuer zu haben. Es ist völlig realistisch, eine Vermögensteuer zu haben, die wir in ganz vielen anderen Ländern auch haben.

(Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Auch eine Millionärsabgabe ist realistisch, wenn man sich einmal die Steigerung der Anzahl der Millionäre in den letzten zehn Jahren anschaut.

Natürlich ist auch eine höhere Einkommensteuer realistisch. Was wir als LINKE fordern, ist in großen Teilen eigentlich das Steueraufkommen,das wir unter Kohl hatten.

(Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Der ist nun sehr weit weg vom Sozialismus gewesen, Herr Boddenberg, nicht wahr? – Wir fordern einen höheren Spitzensteuersatz und die Einführung einer Vermögensteuer:Alles das gab es unter Kohl. Das ist nichts Revolutionäres, sondern das war noch vor einigen Jahren Praxis in diesem Land.

Die Aufgabe der Opposition ist doch gerade, zu zeigen, was möglich wäre. Wir müssen doch klarmachen: Es gibt genug Reichtum in diesem Land,sodass es nicht sein müsste, dass jedes sechste Kind in Armut lebt und dass die öffentlichen Kassen leer sind. Das ist angesichts des Reichtums, der in diesem Land vorhanden ist, nicht nötig. Man muss ihn nur gerecht verteilen.Das Geld ist nicht weg.Das ist woanders. Das ist in den letzten Jahren umverteilt worden. Deshalb machen wir realistische Vorschläge.

Die Aussage, es sei unter Schwarz-Gelb nicht durchsetzbar,gilt jetzt für ganz viele Dinge.Trotzdem dürfen wir die Oppositionsarbeit nicht einstellen. Lassen Sie uns doch gemeinsam überlegen, auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN:Wie schaffen wir es als Opposition, etwas durchzusetzen, wie beispielsweise eine bessere Steuerpolitik, den Ausstieg aus der Atomenergie usw.? Ich glaube, es ist nicht unmöglich, das durchzusetzen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Es ist nicht unrealistisch. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob man es schafft, eine breite Opposition innerhalb und außerhalb des Parlamentes dafür zu bekommen, dass die Krisenfolgen nicht auf die breite Mehrheit der Bevölkerung abgewälzt werden.

(Beifall bei der LINKEN – Minister Michael Bod- denberg: Machen Sie das unter sich aus! – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sie sollten eine Klausur machen!)

Vielen Dank, Frau Wissler. – Zur Antwort hat jetzt Frau Kollegin Erfurth die Möglichkeit.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Frau Erfurth, wir stehen auf Ihrer Seite! Sie haben unsere Unterstützung!)

Ich freue mich für die freundliche Unterstützung. – Frau Kollegin Wissler, es geht doch gar nicht darum, ob man erfolgreich Opposition macht, sondern es geht darum, dass man einmal die Realitäten wahrnimmt. Jetzt hat der Wähler entschieden. Wir haben in Berlin eine schwarz-gelbe Regierung,

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD):Da gibt es nichts zu klatschen!)

was wir außerordentlich bedauern, andere in diesem Hause offensichtlich nicht.Aber wir müssen schauen, wie wir unsere Konzepte einbringen, nämlich Steuern gerecht zu verteilen und die Schultern, die mehr tragen können, auch stärker zu belasten. Es bringt nichts, eine Millionärssteuer zu fordern, obwohl man genau weiß: „Das bekommen wir bei den Schwarzen und Gelben in Berlin nie durch“, sich dabei aber gut zu fühlen. Man sollte vielmehr schauen:Wo ist unser Spielraum, den wir nutzen und ausloten können? Ich denke, da ist der Spielraum wirklich der, den Grundfreibetrag zu erhöhen und den Spitzensteuersatz in maßvolle Höhe zu bringen, sodass wir auch die Entlastungen gegenfinanzieren können. Wir müssen schauen, dass wir die Erbschaftsteuer, eine Steuer, die es gibt, die wir nicht neu einführen müssen, fortentwickeln, dass wir die Einnahmen stabilisieren. Ich glaube, es ist unglaublich schwer, die Vermögensteuer, die wir auch liebend gern wieder einführen können,neu einzuführen.Die gibt es nicht mehr.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Dafür gibt es keine Verwaltung mehr. Dafür gibt es nichts mehr. Aber für die Erbschaftsteuer gibt es bestehende Strukturen. Man kann in einer bestehenden Struktur viel besser entwickeln. Ich denke, das ist unsere Chance. Wir müssen schauen, dass wir die paar Vernünftigen, die es natürlich auch in den Reihen der Schwarzen und Gelben gibt, dazu bewegen, sich in vernünftiger Weise um das Steueraufkommen zu bemühen.

Ja, Frau Wissler, nur darum kann es doch gehen. Wir haben eine hohe Verantwortung, die Einnahmen zu sichern. Wir können doch nur unter den gegebenen Realitäten darum kämpfen, dass wir das, was vernünftig und machbar ist, auch wirklich durchsetzen – und nicht im Wolkenkuckucksheim nach unten beten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Nun hat Herr Kollege Weiß für die SPD-Fraktion das Wort.

(Günter Rudolph (SPD): Ich will trotzdem die Steuersenkung, die mir vor der Wahl versprochen wurde! – Florian Rentsch (FDP): Nach der Mehrwertsteuerlüge! – Zuruf des Abg.Leif Blum (FDP))

Herr Weiß hat das Wort. Bevor er angefangen hat, wurde es durch die Diskussion so laut,dass ich schon vorab sagen möchte, dass eigentlich Herr Weiß die Aufmerksamkeit haben sollte. – Herzlichen Dank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die internationale Finanzkrise hat gezeigt, was geschieht,wenn mächtige wirtschaftliche Akteure den Blick fürs Ganze und den Blick über den Tag hinaus verlieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Satz stammt von Bundespräsident Horst Köhler und leitete an diesem Montag seine Rede zum 60. Jahrestag des DGB ein.

(Günter Rudolph (SPD):Trotzdem richtig!)

Weiter führte er aus:

Die Krise hat bewiesen: Im Wirtschafts- und Finanzleben ist eine energische staatliche und zwischenstaatliche Ordnungspolitik unentbehrlich. Die ordnungspolitischen Vordenker unserer sozialen Marktwirtschaft haben recht behalten: Der Markt alleine richtet nicht alles zum Guten. Wir brauchen wirtschaftspolitisch weltweit „einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten“.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Stark ist ein Staat, der dem Marktgeschehen klare und wirksame Regeln und Grenzen setzt.Und stark ist gerade auch ein Sozialstaat, der keine Versprechungen macht, die er nicht einlösen kann.

Eine Frage von Horst Köhler lautete:

Lässt sich die Wirtschaft so gestalten, dass sie mehr verfolgt als bloße Eigeninteressen, dass die an ihr Beteiligten immer auch das Gemeinwohl und die Erfordernisse nachhaltigen Wirtschaftens im Blick behalten?

Unsere Antwort auf die Frage lautet: Ja. Dafür sind klare Regelungen notwendig. Dass wir mit Blick auf die Finanzmärkte umdenken und gegenlenken müssen, um sie zu zähmen, ist die Position meiner Partei seit Jahren und längst nicht erst seit Ausbruch der historisch einzigartigen Krise.

(Zurufe der Abg. Helmut Peuser, Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Viele pinseln in der letzten Zeit lieber mit Tipp-Ex herum, anstatt den dicken Korrekturstift anzusetzen. Wir aber wollen diesen Stift ansetzen.Wir wollen eine stärkere Regulierung. Um mit Herrn Steinbrücks Worten zu sprechen: Ich will aber keine Benachteiligung des Finanzplatzes Deutschland.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) und des Ministers Michael Boddenberg)

Dafür ist die Finanzmarktindustrie viel zu wichtig. Wir müssen bei allen bekannten Risiken auch die Chancen dieser Branche für die deutsche Wirtschaft sehen.

(Beifall bei der SPD – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dazu gehört das enorme Arbeitsplatzvolumen von rund 800.000 Menschen ebenso wie die Tatsache, dass insbesondere viele mittelständische Unternehmen ohne internationale Investitionen nicht die nötigen Mittel für neue Investoren erhalten.

Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass die Fälle, in denen Hedgefonds Unternehmen geradezu geplündert haben, ein wichtiger Grund für mehr Regulierung sind.

(Beifall des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Wir wollen ebenfalls, dass wir im Standortwettbewerb der Finanzplätze die Stärkung der Frankfurter Börse betreiben, um gegenüber London und New York nicht in Rückstand zu kommen. Der Exportweltmeister Deutschland

konnte und kann es sich nicht leisten, auf diesem Feld in der Kreisklasse zu spielen.

Klar ist, die SPD hat viel früher als andere die Risiken eines ungezügelten Finanzkapitalismus erkannt. Wir haben unsere Vorschläge auf internationalem Parkett eingebracht. Ich denke hier nur an die G-7-Präsidentschaft Deutschlands im Jahr 2007, als Peer Steinbrück mit dem Vorhaben einer stärkeren Regulierung der Hedgefonds noch am Widerstand vor allem der Briten gescheitert ist.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wer hat die eingeführt? – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))